Die Herrlichkeit der Erden

Ausonius ]

 

Andreas Gryphius

 

Melodie 750 (Evg. Ref. Gesanguch, Schweiz,  1998)

 

 

 

Originalfassung von 
Andreas Gryphius 
(1650)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vanitas! Vanitatum Vanitas!

Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch für evangelische Gemeinen

---

Mit Genehmigung

Eines hohen Ministerii der geistlichen Angelegenheiten.

 

Berlin, 1829

 

[Interessante Vorrede unterzeichnet von e.g. Schleiermacher, Ritschl.
Darin wird auch verantworet
warum man die Text manchmal geändert hat...]

 

Evangelisches Gesangbuch

Deutschland 1994

 

Lied 527 Melodie:
 "O Welt, ich muß dich lassen" (EG 521).

 

 

 

Evangelisch-reformiertes Gesangbuch

[Schweiz]  1998

 

Lied 750

Melodie + Satz SATB

(Heinrich Scheidemann)

 

Die Herrlichkeit der Erden
Mus rauch und aschen werden,
Kein fels, kein ärtz kan stehn.
Dis, was uns kann ergetzen,
Was wir für ewig schätzen,
Wird als ein leichter traum vergehn.

 

Was sind doch alle Sachen,
Die uns ein hertze machen,
Als schlechte nichtigkeit?
Waß ist des Menschen leben,
Der immer umb mus schweben
Als eine phantasie der Zeit?

 

Der ruhm, nach dem wir trachten,
Den wir unsterblich achten,
Ist nur ein falscher wahn.
Sobald der Geist gewichen
Undt dieser mundt erblichen,
fragt keiner, was man hier gethan

 

Es hilft kein weises wissen,
Wir werden hingerissen
Ohn einen unterscheidt.
Was nützt der schlösser menge?
dem hie die Welt zu enge,
Dem wird ein enges grab zu weit.


Dis alles wirdt zerrinnen
Was müh und fleis gewinnen
Und sawrer schweis erwirbt.
Was Menschen hier besitzen,
kann für dem todtnichts nützen;
Dis alles stirbt uns, wenn man stirbt.
 

Was sind die kurzen frewden,
Die stets, ach! leidt und leiden
Und herzens angst beschwert?
Das süsse jubilieren,
Das hohe triumphiren
Wirdt oft in hohn und schmach verkehrt

 

Du must vom ehren Throne,
Weil keine macht noch krone
kann unvergänglich seyn.
Es mag vom Todten reyen
Kein Zepter dich befreyen,
Kein Purpur, Gold noch Edler Stein.

 

Wie eine Rose blühet,
Wen man sie Sonne sihet
Begrüssen diese Welt,
Die, ehr der Tag sich neiget
Ehr sich der abendt zeiget
Verwelckt und unversehns abfällt:

 

So wachsen wir auff Erden
Und dencken gros zu werden
Und schmertz- und sorgenfrey;
Doch ehr wir zugenommen
Und recht zur blüte kommen,
Bricht uns des todes sturm entzwey.

 

Wir rechnen jahr auf jahre;
In dessen wirdt die bahre
Uns für die thür gebracht.
Drauff müssen wir von hinnen
Und, ehr wir uns besinnen,
Der Erden sagen gute nacht.

 

Weil uns die lust ergetzet
Und stärcke freye schätzet
Und jugendt sicher macht,
Hat uns der todt gefangen
Und jugendt, stärck und prangen
Und stand und kunst und gunst verlacht.


Wie viel sindt schon vergangen!
Wie viel lieb-reicher wangen
Sindt diesen tag erblast,
die lange räitungmachten
Und nicht einmahlbedachten,
Das ihn ihr recht so kurtz verfast!

Wach auff, mein Hertz, und dencke,
Daß dieser zeit geschencke
Sey kaum ein augenblick.
Was du zuvor genossen,
ist als ein strom verschossen,
Der keinmahl wider fält zurück.

 

Verlache welt und ehre,
Furcht, hoffen, gunst und lehre
Und fleuchden HERREN an,
Der immer König bleibet,
Den keine Zeit vertreibet,
Der einigewig machen kann.

 

Wol dem, der auff ihn trawet!
Er hat recht stet gebauet;
Und ob er hier gleich fält,
Wirdt er doch dort bestehen
Und nimmermehr vergehen,
Weil ihn die Stärcke selbst erhält.

 

 

Die Herrlichkeit der Erden
muß Staub und Asche werden;
kein Fels, kein Erz bleibt stehn.
Das, was man hier ergötzet,
was man als ewig schätzet,
muß wie ein leichter Traum vergehn

 

Was sind doch alle Sachen,
die uns so trotzig machen?
Sie währen kurze Zeit.
Was ist der Menschen Leben?
mit Pracht und Glanz umgeben,
ist’s doch nur Tand und Eitelkeit

 

Der Ruhm, nach dem wir trachten,
den wir unsterblich achten,
ist nur ein falscher Wahn;
Sobald der Geist gewichen
und unser Leib verblichen
ist’s um der Ehre Dunst gethan

 

Es hilft nicht Kunst noch Wissen,
wir werden hingerissen, 
der Morgen, dieser heut‘.
Was hilft der Schlösser Menge?
Wem hier die Welt zu enge
dem wird ein enges Grab zu weit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was sind der Erde Thronen?
es können alle Kronen
vom Tode nicht befrein.
Kann vor des Grabes Schrecken
der Purpur auch bedecken,
das Scepter Sicherheit verleihn?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir rechnen Jahr auf Jahre,
indessen wird die Bahre
vor unser Haus gebracht;
dann müssen wir von hinnen,
eh‘ wir uns noch besinnen,
und uns umfängt des Grabes Nacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dies laßt uns wohl bedenken,
das Herz zum Himmel lenken
wo alles ewig steht.
Wer dorthin will gelangen
darf an der Welt nicht hangen,
weil sie mit ihrer Lust vergeht.

 

Die Herrlichkeit der Erden
muß Rauch und Asche werden
kein Fels, kein Erz kann stehn.
Dies, was uns kann ergötzen
was wir für ewig schätzen
wird als ein leichter Traum vergehn

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Ruhm, nach dem wir trachten,
den wir unsterblich achten,
ist nur ein falscher Wahn;
sobald der Geist gewichen
und dieser Mund erblichen

fragt keiner, was man hier getan.

 

Es hilft kein weises Wissen
wir werden hingerissen
ohn einen Unterscheid.
Was nützt der Schlösser Menge?
Dem hier die Welt zu enge
dem wird ein enges Grab zu weit

 

Dies alles wird zerrinnen,
was Müh und Fleiß gewinnen
und saurer Schweiß erwirbt.
Was Menschen hier besitzen,
kann vor dem Tod nichts nützen;
dies alles stirbt uns, wenn man stirbt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie eine Rose blühet,
wenn man die Sonne siehet
begrüßen diese Welt,
die, eh der Tag sich neiget
eh sich der Abend zeiget
verwelkt und unversehens fällt

 

so wachsen wir auf Erden
und denken groß zu werden,
von Schmerz und Sorgen frei;
doch eh wir zugenommen
und recht zur Blüte kommen,
bricht uns des Todes Sturm entzwei

 

Wir rechnen Jahr auf Jahre;
indessen wird die Bahre
uns vor die Tür gebracht.
Drauf müssen wir von hinnen
und, eh‘ wir uns besinnen
der Erde sagen: Gute Nacht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf, Herz, wach und bedenke, 
daß dieser Zeit Geschenke
den Augenblick nur dein.

Was du zuvor genossen
ist als ein Strom verschossen;
was künftig, wessen wird es sein?

 

Verlache Welt und Ehre,
Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre
und geh den Herren an,
der immer König bleibet,
den keine Zeit vertreibet
der einzig ewig machen kann.

 

Wohl dem, der auf ihn trauet!
Er hat recht fest gebauet,
und ob er hier gleich fällt,
wird er doch dort bestehen
und nimmermehr vergehen
weil ihn die Stärke selbst erhält.

 

Die Herrlichkeit der Erden
muß Rauch und Asche werden
kein Fels, kein Erz kann stehn.
Dies, was uns kann ergötzen
was wir für ewig schätzen
wird als ein leichter Traum vergehn

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Ruhm, nach dem wir trachten,
den wir unsterblich achten,
ist nur ein falscher Wahn.
Sobald der Geist gewichen
und dieser Mund erblichen

fragt keiner, was man hier getan.

 

 

 

 

 

 

 

 

Denn alles wird zerrinnen,
was Müh und Fleiß gewinnen
und saurer Schweiß erwirbt.
Was Menschen hier besitzen,
kann vor dem Tod nichts nützen;
dies alles stirbt uns, wenn man stirbt.

 

Was sind die kurzen Freuden,
die stets, ach, Leid und Leiden

und Herzensangst beschwert?
Das süsse Jubilieren,
Das hohe Triumphieren
Wirdt oft in Hohn und Schmach verkehrt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie eine Rose blühet,
wenn man die Sonne siehet
begrüßen diese Welt,
die, eh der Tag sich neiget
eh sich der Abend zeiget
verwelkt und unversehens fällt

 

so wachsen wir auf Erden
und denken groß zu werden,
von Schmerz und Sorgen frei;
doch eh wir zugenommen
und recht zur Blüte kommen,
bricht uns des Todes Sturm entzwei

 

Wir rechnen Jahr auf Jahre;
indessen wird die Bahre
uns vor die Tür gebracht.
Drauf müssen wir von hinnen
und, eh‘ wir uns besinnen
der Erde sagen: Gute Nacht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wach auf, mein Herz, bedenke,
daß dieser Zeit Geschenke
sei kaum ein Augenblick

Was du zuvor genossen
ist
wie ein Strom verschossen;
der niemals wieder kehrt zurück.

 

Verlache Welt und Ehre,
Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre
und geh den Herren an,
der immer König bleibet,
den keine Zeit vertreibet
der einzig ewig machen kann.

 

Wohl dem, der auf ihn trauet!
Er hat recht fest gebauet,
und ob er hier gleich fällt,
wird er doch dort bestehen
und nimmermehr vergehen
weil ihn die Stärke selbst erhält.

 



 

Vorrede

Seit geraumer Zeit hat sich namentlich in der hiesigen Hauptstadt ein beharrliches Verlangen ausgesprochen, daß aus dem reichen Liederschatze, welcher ein eigenthümliches und ausgezeichnetes Besitzthum der deutschen evangelischen Kirche ist, eine dem gegenwärtigen Bedürfnisse angemessene Auswahl getroffen werden möchte, die das Vorzügliche der einzelnen vorhandene Liedersammlungen möglichst in sich vereinigte. Dieses Verlangen wurde auf Veranlassung der obersten geistlichen Behörde von der im Jahre 1817 hier versammelten Kreis - Synode ernstlich erwogen; demzufolge aus den Mitgliedern dieses Vereins unter höherer Genehmigung eine besondre Commission gebildet und beauftragt wurde, nach Maßgabe der allgemeinen, von der Synode festgestellten Grundsätze den vorliegenden Liederstoff jenem Zweck gemäß zu bearbeiten, worauf die Commission ihr Geschäft sofort mit Freudigkeit begann. Sie erlitt während ihrer Arbeit durch das Ausscheiden der in das Land der Vollendeten abgerufnen Pröpste Hanstein und Ribbeck einen tiefbetrauerten Verlust, suchte solchen jedoch durch die Wahl andrer Theilnehmer zu ersetzen, und ihr gegenwärtiger Bestand ist aus den Namen der Unterzeichneten zu ersehen.

Unter die Ausgaben selbst, welche der Commision gestellt waren , und die sie zu lösen wenigstens mit anhaltendem Fleiße bemüht gewesen ist, gehört zunächst eine sorgfältige Berücksichtigung der älteren Kirchengesänge aus dem Zeitraume von der Reformation an bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, von denen in möglichst beträchtlicher Anzahl diejenigen ausgewählt werden sollten, welche sich durch Tiefe der Empfindung und kräftigen Ausdruck der frommen Gesinnung auszeichnen und besonders in der hiesigen Stadt und Provinz unter die bekannten und geschätzten Kernlieder gerechnet werden. Eine gleiche Rücksicht war ferner der Commission auf diejenigen neuern Kirchengesänge empfohlen worden, die wegen ihrer weiten Verbreitung bereits eine Art von Bürgerrecht haben , vorausgefetzt, daß es ihnen nicht an allem dichterischen Werthe mangle, noch die darin enthaltene Moral zu abgeschlossen und unverbunden mit der christlichen Glaubenslehre erscheine, noch diese Lieder sich mehr für die häusliche Erbauung, als für den kirchlichen Gebrauch eignen, in welchen Fällen der Commission unbenommen blieb, den Ausfall derselben durch andere weniger bekannte Lieder neuerer Zeit zu ergänzen, denen eine günstige Aufnahme gewünscht werden mußte.

Fürs Dritte lag den Unterzeichneten ob, von den verschiednen Auffassungsweisen der christlichen Glaubenslehre keine ausschließlich zu begünstigen, aber auch kein« ihre Stelle zu verweigern, die als Aeußerung des frommen Gefühls sich mit der evangelischen Wahrheit und mit dem Wesen eines kirchlichen Buches in Einklang bringen läßt. Was viertens die Melodien betrifft, so sollte das neue Gesangbuch dazu beitragen, den vorhandenen großen Reichthum musterhafter Choräle in Gebrauch zu erhalten, und es sollte zugleich da, wo zu demselben Liebe mehrere Melodien gesungen werden können, jederzeit diejenige vorgezeich«et werden, welche für den Inhalt, die Zeit und den Ort die angemessenste ist. Zuletzt lag es keineswegs in der Ueberzeugung der Synode, daß in Gesangbüchern dieser Art, welche nicht den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Forschung, sondern allein der öffentlichen Erbauung sowohl der jetzt lebenden, als der nächstfolgenden Geschlechter gewidmet sind, an den^ aufgenommenen Liedern durchaus nichts geändert werden dürfe. Vielmehr sollte zwar jedem Liebe sein eigenthümliches Gepräge gelassen, aber die schonend bessernde Hand unbedenklich angelegt werden, wenn die natürliche Gedankenfolge in einem Liebe zu auffallend vernachlässiget war und dennoch der Inhalt auf eine leichtere und einfachere Weise geordnet werden konnte; wenn die Melodie nothwendig einen Ruhepunkt gebot, wo im Texte die Periode oder der Satz noch keinen Schluß enthielt — auf welchen dem Gefühle so unangenehmen und für die Andacht beim Gesang so störenden Uebelstand auch die vorzüglichsten Liederdichter nicht sorgsam genug geachtet haben, und dessen Entfernung eben so nothwendig, als meistens sehr schwierig ist; endlich wenn der Ausdruck sprachwidrig, oder für den guten Geschmack anstößig, oder nicht verständlich genug gefunden ward.

Diese Grundsätze hat die Commission bei der Vollziehung ihres Auftrages zwar beständig vor Augen gehabt, aber auch die Ueberzeugung erlangt, daß jedes Unternehmen dieser Art noch weit von der beabsichtigten Vollkommenheit entfernt bleiben und nimmermehr den so sehr verschiedenen Anforderungen und Erwartungen aller einzelnen Beurtheiler entsprechen werde.

Nach vollendeter Arbeit ist die Handschrift dem Königlichen Consistorium der Provinz Brandenburg übergeben, von demselben geprüft und mehrere Monate hindurch in dessen Geschäfts-Locale zur Einsicht der» Sachverständigen ausgelegt, hernach aber dem Königl. Ministerium der geistlichen Angelegenheiten überreicht worden. Nachdem nun diese hohe Behörde zum kirchlichen Gebrauch dieses Gesangbuches die erbetene Genehmigung ertheilt hat, so erscheint es hiermit in Druck, und es bleibt uns daher nur noch die eifrige Bitte zu Gott übrig, daß er den vieljährigen auf dieses Gesangbuch verwendeten Fleiß nicht ungesegnet lassen, dieser in der Lauterkeit der Liebe dargebotnen Gabe die Herzen der Glaubensgenossen zuwenden und 5 wo sie Eingang und Annahme findet, unter christlichen Gemeinden dazu reiches Gedeihen geben , wolle zur Beförderung des Reiches Christi und zum Preise seines hochgelebten Namens.

Berlin, den 25. August 1829.

Brescius. Küster. Marot. Neander.
Ritschl. Schleiermacher. Spilleke.
Theremin. Wilmsen.

 

 

Melodie 750 (Evg. Ref. Gesanguch, Schweiz,  1998)