HANS RUDOLF JUNG    
Ein neuaufgefundenes Gutachten von Heinrich Schütz aus dem Jahre  1617
in Archiv für Musikwissenschaft, jg 18 (1961) 3/4, pp. 241-247
http://www.jstor.org/stable/930004

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Het document bevindt zich in het Landesarchiv Greiz: n. Rep. Gera/K, Kap. LIX, 1 Nr. 1.

[ musicalische exequien ]
                                                                                           


Bedencken des Churfl. Sechs. Hofmusicen  zu Dresden
Directoris uber die Kirchen-, Hof-  und Stadtmusam alhier, sambt andern annectirten Puncten etc.

Hochwolgeborner  gnediger  Herr, uf E. Gn. mir ufgetragene Propositiones in puncto deroßelben löblichen Music betreffende  uberreiche  hiermit  E. Gn. ich ganz unterthenig,  christlich  und pflichtschuldig mein weniges, doch von derßelben gnedig begertes Guthachten. Euer Gn. ganz Corpus musices bestehet in dreyen Membris: 1. in deroselben Hofmusic, 2. in der Schulmusic, 3. auf den Stadtmusicis oder Hausleuten.  

Hofmusic
Obwohl gnediger Herr ohnedeßen E. Gn. Hofmusic mit feinen, guten und mir sehr beliebenden Stimmen gnungsam bestelt ist, willich doch insonderheit wegen der Instrumentisten, so da nothwendig bey guter Music erfordert werden, E. Gn. unterthenig  errinnern.

1. Hoforganisten.
Euer Gn. seind nothwendig bey solchem weitleuftigen, fürnehmen Corpore musico zwey Organisten zum geringsten vonnöthen, dann do mit vielen Cohren etwas soll musicirt werden, mußen die Organisten das Fundament halten, das auch bey einem jeden Chor sich fast ein eigner Organist gebürete. Jedoch kön­ nen zwey Organisten, welche e diametro einander uber, die nehstbeystehende Chor mit ihrer Orgel oder Regal begleiten, das disvhalß das Fundament alzeit in der Kirchen gehöret werden kann. Meinem Erachten nach auch nicht weniger Organisten, zum allerwenigsten bey E. Gn. Music, erfordert werden, und können doch noch bey Organisten ein oder zwen zum Zierath der Chor, die da minus principales seind, die ich sonst Capellen oder Choros adjunctos nenne, gebraucht werden. Die Obgesetzten aber, ist meine Meinung, das sie necessario erfordert werden, wann man auf die heutige Manier mit feinen Risposten, wann zwey Dis­ cant, Alt, Tenor, Baß mehr oder anders andworten sollen. Und zu dießen Ihren Contento können E. Gn. sehr wohl gelangen auf vielerley Wege, das derßelbe Organista, wie folgen wird, gleich andern E. Gn. Hofmusicis unterhalten  wird. ·wann aber in specie meines Brudern Valerii 1 wegen E. Gn. albereit mit mir Unterrede gepflogen, alß bin ich ganz ungezweuvelter Meinung, es werde mein lieber Vater Christo:ff Schütz solches zu unterthenigen dancknehmenden Gefallen und besondern Gnaden aufnehmen, das E. Gn. sich dahin gnedig erkleret, das obgedachter mein jüngster Bruder, bey derßelben loblichen jungen Herrschaft möge gebracht, in Kost, Lager und Inspection gehalten werden. Und weiln insonderheit meine lieben Eltern begirig, das er seine Studia fortsetzen möge, alß gelanget an E. Gn. meine unterthenige Bitte, ihme - wie ich das un­ gezweuvelte unterthenig Vertrauen - gnedigen Vorschub darzu zu thun etc.

2. Lautenist.
Gnediger Herr, wegen des Lautenisten were mein untertheniger Rath, wie auch vordeßen mit E. Gn. ich mich unterthenig unterredet, das E. Gn. ihme, einen solchen Lautenisten , ein ander Officium darbey gebe, der nicht alleine von der Music oder von seiner Lauten sich nehren wolte, derogleichen ehrliche Leute noch wohl zu erlangen seind. Auch disfalß E. Gn. Vorschlagk mit bewuster Per­ son mir unterthenig belieben laße, bin in Entstehung, deroßelben allen mögli­ chen Vorschub zu thun, unterthenig treulich gefließen, mich umb dergleichen Person zu bewerben und zu ihren Contento wilß Gott zu helfen

3. Discantist.
Wohlgeborner gnediger Herr, wegen E. Gn. Reißen, so je bisweilen vorfallen, kann dießer Discantist nicht studiren. Ist zwar nicht dran gelegen, andere Stende müßen auch erhalten werden. E. Gn. geruhen demnach gnedig, jederzeit in dießem Puncto sich mit Vorbewust des Knabens Eltern einen außzuleßen, welcher simpliciter und allein seines Singens und Schreibens,darzu er hiernechst Förderunge haben kann, abwarten möge. Es kann auch gesatzter Knabe, wann er Lust und ihm die Natur darzu tregt, wohl auf andern Instrumenten lernen von E. Gn. Hofinstumentist en, so da unterhalten werden,wie folget, und dahero Beförderung sich zu getrösten haben.  

4. Zwey Instrumentisten.
Von den zweyen Instrumentisten, gnediger Herr, non est dubium, E. Gn. werden derßelben alzeit mechtig sein können, wie ich albereit derßelben Unterhalt gnungsam gesehen. E. Gn. wollen ihnen beiden, einen jeden in specie, die Kost, Kleidung in Gnaden geben, auch von 20 bis in die 30 fl. meines Erachtens am Gelde mit ihnen nach E. Gn. reifen Discretion accordirn loßen, hoffe ich jeder- zeit, das fromme, wackere Gesellen sich umb dergleichen Condition bewerben werden, trage keinen Zweuvel.  

5. Vocalisten zu Hof.
Gnediger Herr, anlangend dieße Personen haben E. Gn. sich gnedig zu erfreuen, das sie nicht allein schöne Qualiteten zum Singen, sondern auch besondere Lust und Beliebunge, E. Gn. dißvhalß unterthenig zu gratificirn zu Fortsetzunge der Music tragen, weis dißvhalß nichts zu errindern [!].    

6. Schulmusic.  
Im obgesatzten Paßu, gnediger Herr, laufen viel Particulariteten vor, welche meistentheilß von dem von Machwitz und meiner wenigen unwirdigen Person in Beysein des Herrn Rectoris und Cantoris proponirt und erörtert seind worden, wie E. Gn. nicht allein aus unßern ihnen vorgetragnen Proposten und dor­ auf beschenenen Risposten, sondern aus derselben eignen Prothocol sich gnediglich zu ersehen, das dißfalls von mir weitleuftig zu erholen nicht die Notturft scheinet. Was von mir unterthenig kann errinnert werden, ist folgents :
1. Das mich ganz nicht düncket, das dis Membrum E. Gn. Music, das ist die Schulmusic, zue rechten Aufnehmen gelangen könne, wann der Rector mit dem Cantore in Uneinigkeit lebet -ich will der andern Collegen geschweigen, welche von dem Rectore im Zaum gehalten werden können, sonsten mußen dießelben in dießem Pas ouch mit gefast werden -, derwegen wollen E. Gn. auf dieße beide Personen in Gnaden besondere und gutgnedige Achtung geben lassen, sinte­ mahl dieße beide das Directorium uber die andern Membra alle E. Gn. Musis fuhren, wie im Beschluß gemeldet werden soll. Insonderheit weil auch der Rector nicht allein dasabsolutum Imperium uber alle Schulcollegen hat, sondern auch sonsten an seinem Orth in puncto die Music betreffende gnungsam und meines Erachtens stattlich qualificirt ist. Auf was Mittel aber dieße einigzeit zu erhalten sey, haben E.Gn. nicht allein einen gnedigen guten Anfang gemacht, indeme Sie durch deme von Machwitz und ::neine wenige Person sich alles haben erkundigen, erörtern und beylegen lassen, sondern es haben auch E. Gn. ohnedeßen dißvhalß gnedige und gute Mittel, die ich selbst von derßelben gehöret und indenck bin. Es gelanget aber an E. Gn. mein untertheniges Bitten, Sie wollen dißvhals deme von Machwitz , meinen grosgunstigen und in dießer Commißion mit zugeordenten Junckern, ihr in Gnaden anbevholen sein laßen, sintemahl mir wohl wissend, das S.Ehrwirdigster sich nicht schemen werden, bisweilen unvorsehens auf den Chor zu schleichen und obiter durch zu paßirn, damit sembtliche Schul­ diener nur sehen mögen, das E. Gn. gnedige strenge Meinung, das sie der be­ schehen Errinnerung nach stricte und mit Vleiß leben sollen.
2.  Nach dießer guten Einigkeit, gnediger Herr, muß das Exercitium mit den Discipulis rechtermaßen angestellet werden, do ich mit des Herrn Rectoris Meinung ganz und gar gefallen laßen, das die kleinen Tyranes oder Anfänger in der Music von den Adultioribus oder Perfectioribus in unterschiedene Stuben ge- setzet und das Exercitium mit einem jeden insonderheit, sonderlich aber mit denen, welche bestendige gute Stimmen haben, möge gehalten werden
3.  Was Gestalt E. Gn. sonderlich die Stipendiaten zu rechter Zeit in die Kirchen und wo sonsten vonnöthen,  zur Music antreiben können laßen, haben E. Gn. in Ihren Prothocoll und ist nötig num.
4. Anlangende die beiden Tischknaben, die da sollen gehalten werden, gnediger Herr, achte ich meinem Guthachten nach, das E. Gn. hierauf das ganze Funda­ ment Ihrer Music bauen können, aus Uhrsachen, weil dießelben ganz gratis, wie ich auch von E. Gn. verstanden, zum Theil sollen unterhalten werden, und sie demnach totaliter sich ad nutum E. Gn. werden accommodirn müßen . Und wann hiernechst dieße E. Gn. Intention ins Werck gerichtet werden wird, mußen dießelben Knaben - ihr seind wenig oder viel - vom Cantore im Singen und von E. Gn. Hofinstrumentisten auf Geigen necessario alle, auf andern In­ strumenten aber, alß Zincken, Posaunen, nach Lust und Beliebung der Knaben abgerichtet werden, darinnen E. Gn. wils Gott selbsten gute Ordnunge machen wird, ich auch an meinem Orth nach Vermögen alzeit gerne einrathen will, ver- leihet mir Gott das Leben etc.

7. Stadtmusic oder Hausleuth .
Gnediger Herr, dieße Compagnia wird wohl jederzeit  mit Gottes Hülfe, wie bis anhero alßo auch hinführo, von einem erbarn wohlweißen Rath der Stadt Gera ungezweivelt unterhalten werden . Scheunet mir nicht mehr zu errinnern alß wie folget :
1. Das E. Gn. auf Mittel dencken, das ihnen möge zugeleget werden, damit sie obstringirt werden, sich jederzeit  beym Exercitio finden zu laßen.
2. Das in gewißen Tagen und Stunden sie herauf auf E. Gn. Schloß kommen und mit deroßelben Instrumentisten sich uben mögen, damit alßo bey allen Membris und Gliedmaßen E. Gn. Music die Ubung erhalten werden möge.

Uber obgesatzte Stadtmusicam Instrumentalem .
Habe ich mir nicht mißfallen laßen, das E. Gn. in Gnaden gesinnet, auch unter der Bürgerschaft eine Musicalische Gesellschaft und Consortium anzuordnen, dann dießes wird ein gewiß und bequem Mittel sein, das alle diejehnigen, so der Music beywohnen, desto mehr geehret und geliebet werden, hoc probatur ab exemplis. Wo solche Consortia und Gesellschaften gefunden werden, wird meistentheilß eine gute Music gefunden 1, ist auch sonsten der Vernunft nicht ungemeß . Wie nun etwa dieße Gesellschaft, quo ad communia, die da nothwendig seind, anzufangen und zu bestetigen sey, stehet zuförderst bey E. Gn. und ein erbarn wolweißen Rath der Stadt Gera. Belangende die Leges, so dieser Gesellschaft vorgestellet werden musten, die­ ßelben, gnediger Herr, können I. Gn. Kammerschreiber Herr Melchior Fintzschen verfaßen laßen nach Umbstenden der Zeit und Gelegenheit dießes Orths, darvon ich mein Judicium nicht feilen kann. Betreffende aber wie auch in dießer Gesellschaft das Exercitium könte erhalten werden, bedüncket mich, gnediger Herr, das in ihren Legibus ihnen sonderlich die 3 hohen und dann auch andere Fest specificirt werden solten, darauf sie beides zu vorgehenden Exercitio und dann auch in der Kirch zu erscheinen obligirt wehren. In Fall etwa sonsten Freudenfest vorfielen oder sie zwischen gewiß specificirten Feurtagen aufwarten solten, müsten sie auf vorgehenden E. Gn. Bevhelich an den Cantorem gewießen werden.  

Directores Musices
Gnediger Herr, nachdem vonnöthen sein wil, das dem Cantori alle obgesatzte Membra an die Hand gehen und er an seinem Orth disfals schwerlichen volle Obedienz haben wird, alß wollen E. Gn. zum Beschluß jedoch fürnemblichen ein  wachendes Auge  haben, das  alle  obgesatzte  Membra ihme, dem Cantori, mögen zur Hand gehen. Und diejehnigen, so da  muthwillig E. Gn. wohlan­ gesehende gottsehlige Ordnung sich wiedersetzen werden, gebührlichen daßelbe verweissen lassen und einen christlichen Ernst darzu gebrauchen. Mache ich mir ganz keinen Zweuvel, E. Gn. werden eine sehr vornehme Music, Gott dem Allmechtigen insonderheit zu Ehren, und dann I. Gn. und derselben lieben Angehörigen selbsten zu unsterblichen Ruhm anstellen etc. Darnach E. Gn. alß mein gnediger  und lieber Herr, unter  dessen löblichen  Gebiet ich mich,  Gott und meinem Vaterlande zu Ehren, gebohren und erzogen, verhoffe ganz instendig mit ewigwehrenden Lob unnachleßlich trachten, welche E. Gn.  rühmliche und gottsehlige Intention Gott der Allmechtige hier zeitlich und dort ewig in Gnaden ungezweuvelt volbringen wird.  

Actum Gera, den 9. Decembris Anno 1617

E. Gn. ganz untertheniger treupflichtschuldiger
so lang ich lebe
Heinrich Schütz
derzeit Churß. Sechs. Capellmeister.