Der Text infra ist zum größten Teil kopiiert von : Stefan Hanheide: 'Musikalische Kriegsklagen aus dem Dreißigjährigen Krieg', in 1648: Krieg und Frieden in Europa, Bd 2: 'Kunst und Kultur', S. 439-447.
Der Dresdner Hofkapellmeister Schütz schuf die doppelchörige Motette "Da pacem, Domine" anläßlich des Kurfürstentages 1627 (4 Oktober-5 November) in Mühlhausen. Schütz befand sich im Gefolge Johann Georgs I., zusammen mit 18 Mitgliedern seiner Hofkapelle, die in einem erhalten gebliebenen Verzeichnis einzeln aufgelistet sind. Schütz beließ es in diesem Werk nicht dabei, die Kurfürsten zu ehren, sondern verknüpfte diese Huldigung mit dem Text der mittelalterlichen Antiphon "Da pacem, Domine". Der I. Chorus beginnt: "Gib Frieden, Herr", und spricht dann aus, daß nur Gott allein den Frieden geben könne. Dieser Chorus sollte von fünf Violen (Gamben) gespielt, eine oder zwei Stimmen dazu von Diskantisten gesungen werden. Chorus II richtet sich dagegen mit Vivat-Rufen in lateinischer Sprache an die Kurfürsten. Schütz kombiniert in diesem Werk sinnfällig die notwendigen Huldigungsfloskeln an die Potentaten mit der eindringlichen Bitte um Frieden, die er an Gott richtet.
Der zweite Chorus sollte nach Angaben von Schütz von vier Sängern gesungen werden, "welche die Wort mit feiner gratiâ aussprechen und sonst stark singen, und kan dieser Chor Von dem ersten absonderlich gestellet werden". Die Darstellung Martin Gregor-Dellins, nach der der zweite Chor, die Vivat-Rufe singend, am Kirchenportal (der Marienkirche) aufgestellt war, der erste Chor seine Da-pacem-Rufe aber aus dem Innern der Kirche vortrug, ist zwar sinnfällig, entbehrt jedoch der historischen Quelle.
Die Huldigung der Potentaten wird durch die formale Konzeption eingebettet ('eingebetet' dixit Dick Wursten) in der Friedensbitte. Denn der Anfang, die ersten 24 Takte, und der Schluß, die letzten 29 Takte, gehören allein dem Vortrag der Friedensbitte. Auch im Mittelteil, der die Huldigung beinhaltet, werden immer wieder Partien des Da-pacem hineingesungen, und im Schlußteil des Werkes singen beide Chöre gemeinsam in lateinischer Sprache: "Gib Frieden, Herr, in unseren Tagen". Das Werk schließt also nicht mit Hochrufen, sondern mit einer sehr verhalten vorgetragenen Bitte um Frieden. Damit macht Schütz deutlich, daß das Hauptanliegen der Mühlhäuser Zusammenkunft nicht Huldigung der Kurfürsten ist, sondern Schaffung des Friedens. Diese Bitte richtet sich nun aber nicht an die politisch Verantwortlichen, sondern an Gott.
Texte:
CHORUS I
Da pacem, Domine, in diebus nostris
Quia non est alius
Qui pugnet pro nobis
Nisi tu Deus noster.
CHORUS II
Vivat Moguntinus, - [der Kurfürst von] Mainz
Vivat Coloniensis, -
Köln
Vivat Trevirensis, - Trier
Vivant tria fundamina pacis.
(= Grundleger des Friedens)
Vivat Ferdinandus, Caesar
invictissimus. - der unbesiegbare Kaiser
Vivat Saxo, - Sachsen
Vivat
Bavarus, - Bayern
Vivat Brandenburgicus - Brandenburg
Vivant
tria tutamina pacis. (= Hüter des Friedens)
Vivat
Ferdinandus, Caesar invictissimus.
In einem video habe ich versucht (auf Englisch) das ganze zu 'evozieren'. Cantus Cölln and Musica Fiata sind die Musiker.
Von den Kurfürsten war freilich - neben dem Kaiser - nur noch der Kurfürst von Mainz persönlich anwesend, alle anderen Repräsentanten wurden durch Räte vertreten. In der lateinischen Vorrede zur Komposition (auf der Innenseite der Handschrift - Besitzerin vor dem Zweiten Weltkrieg war die Universitäts-Bibliothek Königsberg; seitdem verloren!) betonte der Author, dass diese Fürsten "mit Unterstützung und Hilfe des höchsten und ewigen Gottes, nachdem der Janustempel fest verschlossen ist, die Altäre des Friedens und der Freiheit im kaiserlichen Mühlhausen errichten und festigen mögen“.
Orginaltexte der Widmung (Lateinisch ) und die Aufführungshinweise (Deutsch):
Quelle: H.Schütz, Gesammelte Briefe und Stücke (ed. E.H. Müller, Regensburg 1931), pp 87-88
Da Pacem Domine pp. Et vivat Fertinantus Caesar lnvictissimus: Moguntinus, Trevirensis, Coloniensis sacratissimi: Bavarus, Saxo. Branteburgicus Gloriosissimi: Sacri Romani lmperii Electores - Septemviri Augustissimi, Germaniae nostrae DI. Tutelares felices, pacifici!
qui ut
Dei summi et Sempiterni praesitio et Auxilio Iani
Templo fortiter clauso pacis et libertatis Aras in Imperiali Mülhusa
excitent et stabiliant, vovet, et Votum Vocibus novem repraesentat
Henricus Sagiitarius,
Serenissimi Electoris Saxoniae Capellae Magistro.
Ortinantz dieses Stückes:
Primus
chorus 5. Vocum, kan von 5. Violen bestellet, und eine oder zwey Stimmen
Submissè darzu gesungen werden:
Secuntus Chorus
gehöret Vor 4. Sänger, welche die Wort mit feiner gratiâ aussprechen, und
sonst starck singen, und kan dieser Chor Von dem ersten absonderlich
gestellet werden.