Friedrich Nietzsche
eerste druk (Chemnitz, 1882)
Stand : van de 342 zijn
vertaald.
Vertaalproject van de eerste druk van
dit bekende boek van Fr. Nietzsche met 342 nadenkoefeningen
(waaronder enkele 'aforismen'). Voor 'hoe, wat, waarom' verwijs
ik u naar deze korte toelichting . Ik
vertaal ze niet allemaal, en ook niet altijd compleet. Niet
alles is even veelzeggend en/of welsprekend. Omdat Nietzsche's
Duits onvertaalbaar is – het samenspel van argumentatie, klank,
ritme, beeld drives the message home – zet ik mijn
vertaling naast de Duitse tekst. Kunt u en passant
ook checken of u misleid wordt. Wilt u met Nietzsche meedenken,
dan kunt u dat op twee manieren doen:
methode 1 — op goed geluk:
Nietzsche heeft z'n nadenkoefeningen genummerd. Klik op een
willekeurig getal en vat de lezing aan. – Pas op! het kan
gebeuren dat de tekst u terugpakt, en het begint te vonken (in
the little grey cells , tussen de hersenhelften),
onbetreden paden, want vaak nog steeds unzeitgemässe
Betrachtungen.
boek I : 1 , 2 ,
6 , 13 , 19 ,
25 , 26 , 29 ,
37 , 39 , 41 ,
52
boek II : 58 , 63 ,
68 , 78 , 83
boek III : 108 , 112 , 124 , 125
(de godzoekende zot), 126 , 137 , 138 ,
139 , 140 , 141 ,
142 , 143 , 144 , 145 , 146 , 147 ,
148 , 149 , 150 , 151 ,
152 , 153 , 154 , 155 , 156 , 157 , 158 , 159 , 160 , 161 , 162 , 163 , 164 , 165 , 166 , 167 , 168 , 169 , 170 , 171 , 172 , 173 ,
174 , 175 , 176 , 177 , 178 , 179 , 180 , 181 , 182 , 183 , 184 , 185 , 186 , 187 , 188 , 189 ,
190 , 191 , 192 , 193 , 194 , 195 ,
196 , 197 , 198 , 199 , 200 ,
201 , 202 , 203 ,
204 , 205 , 206 , 207 , 208 , 209 , 210 , 211 , 212 , 213 , 214 ,
215 , 216 , 217 ,
218 , 219 , 220 , 221 , 222 , 223 , 224 , 225 , 226 , 227 , 228 , 229 , 230 , 231 , 232 , 233 , 234 , 235 , 236 , 237 , 238 , 239 , 240 , 241 , 242 , 243 ,
244 , 245 , 246 ,
247 , 248 , 249 ,
250 , 251 , 252 ,
253 , 254 , 255 ,
256 , 257 , 258 ,
259 , 260 , 261 ,
262 , 263 , 264 ,
265 , 266 , 267 ,
268 , 269 , 270 ,
271 , 272 , 273 -274 -275 (een
lieve Nietzsche)
boek IV : 276 ,
277 , 278 ,
279 , 280 , 281 ,
282 , 283 , 284 , 285 ,
286 , 287 , 288 , 289 , 290 , 291 , 292 , 293 , 294 , 295 , 296 , 297 ,
298 , 299 , 300 ,
301 , 302 , 303 , 304 , 305 , 306 , 307 , 308 , 309 , 310 ,
311 , 312 , 313 , 314 , 315 ,
316 , 317 , 318 , 319 ,
320 , 321 , 322 , 323 , 324 , 325 , 326 , 327 ,
328 , 329 , 330 , 331 , 332 , 333 , 334 , 335 , 336 , 337 , 338 , 339 , 340 , 341 ,
342
methode 2 —
klassiek: Nietzsche heeft z'n nadenkoefeningen
van een titel voorzien. Blader door de inhoudsopgave van de
boeken en kies (enkel de vertaalde zijn oproepbaar) — click
to expand
Erstes Buch §
Zweites Buch §
Drittes Buch §
Viertes Buch. § Sanctus
Januarius
[1]
Die Lehrer vom Zwecke des Daseins. — Ich mag nun
mit gutem oder bösem Blicke auf die Menschen sehen, ich
finde sie immer bei Einer Aufgabe, Alle und jeden Einzelnen
in Sonderheit: Das zu thun, was der Erhaltung der
menschlichen Gattung frommt. Und zwar wahrlich nicht aus
einem Gefühl der Liebe für diese Gattung, sondern einfach,
weil Nichts in ihnen älter, stärker, unerbittlicher,
unüberwindlicher ist, als jener Instinct, — weil dieser
Instinct eben das Wesen
unserer Art und Heerde ist. Das, was der Art hätte
schaden können, ist vielleicht seit vielen Jahrtausenden
schon ausgestorben und gehört jetzt zu den Dingen, die
selbst bei Gott nicht mehr möglich sind.
Hänge deinen besten oder deinen
schlechtesten Begierden nach und vor Allem: geh’ zu
Grunde! — in Beidem bist du wahrscheinlich immer noch
irgendwie der Förderer und Wohlthäter der Menschheit
und darfst dir daraufhin deine Lobredner halten — und
ebenso deine Spötter! Aber du wirst nie den finden,
der dich, den Einzelnen, auch in deinem Besten ganz zu
verspotten verstünde, der deine grenzenlose Fliegen-
und Frosch-Armseligkeit dir so genügend, wie es sich
mit der Wahrheit vertrüge, zu Gemüthe führen könnte!
Ueber sich selber lachen, wie man lachen müsste, um
aus der ganzen Wahrheit heraus
zu lachen, — dazu hatten bisher die Besten nicht
genug Wahrheitssinn und die Begabtesten viel zu wenig
Genie! Es giebt vielleicht auch für das Lachen noch eine
Zukunft! Dann, wenn der Satz „die Art ist Alles, Einer ist
immer Keiner“ — sich der Menschheit einverleibt hat und
Jedem jederzeit der Zugang zu dieser letzten Befreiung und
Unverantwortlichkeit offen steht. Vielleicht wird sich
dann das Lachen mit der Weisheit verbündet haben,
vielleicht giebt es dann nur noch „fröhliche
Wissenschaft“. Einstweilen ist es noch ganz anders,
einstweilen ist die Komödie des Daseins sich selber noch
nicht „bewusst geworden“, einstweilen ist es immer noch
die Zeit der Tragödie, die Zeit der Moralen und
Religionen. Was bedeutet das immer neue Erscheinen jener
Stifter der Moralen und Religionen, jener Urheber des
Kampfes um sittliche Schätzungen, jener Lehrer der
Gewissensbisse und der Religionskriege? Was bedeuten diese
Helden auf dieser Bühne? Denn es waren bisher die Helden
derselben, und alles Uebrige, zeitweilig allein Sichtbare
und Allzunahe, hat immer nur zur Vorbereitung dieser
Helden gedient, sei es als Maschinerie und Coulisse oder
in der Rolle von Vertrauten und Kammerdienern. (Die Poeten
zum Beispiel waren immer die Kammerdiener irgend einer
Moral.) — Es versteht sich von selber, dass auch diese
Tragöden im Interesse der
Art arbeiten, wenn sie auch glauben
mögen, im Interesse Gottes und als Sendlinge Gottes zu
arbeiten. Auch sie fördern das Leben der Gattung,
indem sie den Glauben an das Leben
fördern . „Es ist werth zu leben — so
ruft ein Jeder von ihnen — es hat Etwas auf sich mit
diesem Leben, das Leben hat Etwas hinter sich, unter sich,
nehmt euch in Acht!“ Jener Trieb, welcher in den höchsten
und gemeinsten Menschen gleichmässig waltet, der Trieb der
Arterhaltung, bricht von Zeit zu Zeit als Vernunft und
Leidenschaft des Geistes hervor; er hat dann ein
glänzendes Gefolge von Gründen um sich und will mit aller
Gewalt vergessen machen, dass er im Grunde Trieb,
Instinct, Thorheit, Grundlosigkeit ist. Das Leben
soll geliebt werden,
denn ! Der Mensch
soll sich und seinen
Nächsten fördern, denn
! Und wie alle diese Soll’s und Denn’s heissen und in
Zukunft noch heissen mögen! Damit Das, was nothwendig und
immer, von sich aus und ohne allen Zweck geschieht, von
jetzt an auf einen Zweck hin gethan erscheine und dem
Menschen als Vernunft und letztes Gebot einleuchte, — dazu
tritt der ethische Lehrer auf, als der Lehrer vom Zweck
des Daseins; dazu erfindet er ein zweites und anderes
Dasein und hebt mittelst seiner neuen Mechanik dieses alte
gemeine Dasein aus seinen alten gemeinen Angeln. Ja! er
will durchaus nicht, dass wir über das Dasein lachen , noch auch über
uns, — noch auch über ihn; [...]
für ihn ist Einer immer Einer, etwas Erstes
und Letztes und Ungeheures, für ihn giebt es keine Art,
keine Summen, keine Nullen. Wie thöricht und
schwärmerisch auch seine Erfindungen und Schätzungen
sein mögen, wie sehr er den Gang der Natur verkennt und
ihre Bedingungen verleugnet: — und alle Ethiken waren
zeither bis zu dem Grade thöricht und widernatürlich,
dass an jeder von ihnen die Menschheit zu Grunde
gegangen sein würde, falls sie sich der Menschheit
bemächtigt hätte — immerhin!
— immerhin! jedesmal wenn „der Held“ auf die Bühne trat,
wurde etwas Neues erreicht, das schauerliche Gegenstück
des Lachens, jene tiefe Erschütterung vieler Einzelner bei
dem Gedanken: „ja, es ist werth zu leben! ja, ich bin
werth zu leben!“ — das Leben und ich und du und wir Alle
einander wurden uns wieder einmal für einige Zeit
interessant . — Es ist
nicht zu leugnen, dass auf
die Dauer über jeden Einzelnen dieser
grossen Zwecklehrer bisher das Lachen und die Vernunft und
die Natur Herr geworden ist: die kurze Tragödie gieng
schliesslich immer in die ewige Komödie des Daseins über
und zurück, und die „Wellen unzähligen Gelächters“ — mit
Aeschylus zu reden — müssen zuletzt auch über den grössten
dieser Tragöden noch hinwegschlagen. Aber bei alle diesem
corrigirenden Lachen ist im Ganzen doch durch diess immer
neue Erscheinen jener Lehrer vom Zweck des Daseins die
menschliche Natur verändert worden, — sie hat jetzt ein
Bedürfniss mehr, eben das Bedürfniss nach dem immer neuen
Erscheinen solcher Lehrer und Lehren vom „Zweck“. Der
Mensch ist allmählich zu einem phantastischen Thiere
geworden, welches eine Existenz-Bedingung mehr, als jedes
andere Thier, zu erfüllen hat: der Mensch muss von Zeit zu Zeit
glauben, zu wissen, warum
er existirt, seine Gattung kann nicht gedeihen ohne
ein periodisches Zutrauen zu dem Leben! Ohne Glauben an
die Vernunft im Leben
! Und immer wieder wird von Zeit zu Zeit das
menschliche Geschlecht decretiren: „es giebt Etwas, über
das absolut nicht mehr gelacht werden darf!“ Und der
vorsichtigste Menschenfreund wird hinzufügen: „nicht nur
das Lachen und die fröhliche Weisheit, sondern auch das
Tragische mit all seiner erhabenen Unvernunft gehört unter
die Mittel und Nothwendigkeiten der Arterhaltung!“ — Und
folglich! Folglich! Folglich! Oh versteht ihr mich, meine
Brüder? Versteht ihr dieses neue Gesetz der Ebbe und
Fluth? Auch wir haben unsere Zeit!
[1]
Zij die verkondigen dat we hier zijn met een doel. —
Of ik nu met goedgunstige of boosaardige blik naar de
mensen kijk, ze zijn altijd, zowel tesamen als ieder voor
zich, met één opgave bezig: Dàt doen wat de instandhouding
van de menselijke soort ten goede komt. En dat niet vanuit
een diep gevoel van liefde voor deze soort, maar
eenvoudigweg omdat niets in hen ouder, sterker,
onverbiddelijker is dan dat instinct, — omdat dat instinct
het wezen van onze soort, van onze kudde, is.
[...] Wat de soort had kunnen schaden, is wellicht al
sinds vele millennia uitgestorven, en behoort nu tot de
dingen die zelfs voor God niet meer mogelijk zijn. [...]
Met/om zichzelf lachen, dat zou men moeten doen om zich uit
de volle waarheid uit te lachen, — maar tot op
heden hadden daartoe zelfs de besten niet genoeg gevoel
voor de waarheid, en de begaafdsten veel te weinig
vernuft. De tijd van het lachen zal wellicht nog komen,
maar dan zal de stelling “de soort is alles, de enkeling
niets” de mens wel eerst zo eigen moeten zijn geworden,
dat ieder mens elk ogenblik kan grijpen naar deze ultieme
daad van bevrijdende onverantwoordelijkheid. Het lachen
heeft dan met de wijsheid gemene zaak gemaakt. Enkel
'vrolijke wetenschap' zal er nog zijn. Maar ja,
ondertussen is het nog niet zover. De komedie van het
bestaan is zich nog niet van zichzelf bewust — en het
tijdperk van de tragedie, de tijd van moraal en religie,
duurt nog voort. Immers, denk eens na: Wat wil het
zeggen, dat er steeds weer nieuwe ethische systemen en
religies opduiken, dat de strijd om morele waardeoordelen
telkens weer opflakkert, dat er steeds weer leraars zijn
die ons gewetenswroeging en heilige oorlogen aanpraten?
Wat betekent het, dat deze helden op het toneel
verschijnen? Immers, tot nu toe waren de protagonisten
altijd hun helden; al het overige — wat soms zichtbaar
was, of te dicht op de voorgrond stond — heeft altijd
alleen maar gediend om op de verschijning van deze helden
voor te bereiden, hetzij als machinerie en coulisse
(technische term voor 'toneelmechaniek en
decorstukken'), hetzij in de rol van vertrouwelingen en
kamerdienaren. (De dichters en toneelschrijvers
bijvoorbeeld, dat zijn altijd kamerdienaren van een of
andere moraal geweest.) Het spreekt voor zich dat ook deze
treurspelacteurs in het belang van de soort
actief zijn — ook al geloven ze zelf graag dat ze handelen
in het belang van God, als zijn gezanten. Ook zij
bevorderen het leven van de soort, doordat zij het
geloof in het leven bevorderen . “Het is de moeite
waard om te leven!” — zo roept ieder van hen — “Het leven
heeft betekenis, het gaat ergens om in dit leven! Er zit
iets achter, onder, dit leven — Opgepast!”
Deze aandrift, die bij de hoogste en bij de laagste mensen
ingelijke mate heerst, de aandrift om de soort in stand te
houden, manifesteert zich om de zoveel tijd als
verstandigheid en geestelijke hartstocht. Ze heeft dan een
schitterend gevolg bij zich van redenen en wil met alle
macht doen vergeten dat ze ten diepste instinctieve
aandrift is, een dwaasheid zonder grond. Gij zult het
leven liefhebben, want ! De mens moet zichzelf
en zijn naaste vooruithelpen, want ! En hoe al
dat 'ge-moet' en 'ge-want' ook mogen heten, en in de
toekomst nog zullen heten!
Om wat noodzakelijk en altijd uit zichzelf en zonder enig
doel gebeurt, voor te stellen als een doelgerichte daad,
en als redelijk, en zelfs als hoogste gebod — daarvoor
komt nu de ethische leermeester ten tonele, de leraar
levensbeschouwing en zingeving. Om dat te kunnen doen,
vindt hij een tweede, ander bestaan, uit, met deze nieuwe
mechaniek, tilt hij het oude gewone leven uit zijn oude
gewone hengsels. Ja — hij wil volstrekt niet dat wij om
het bestaan lachen, netzomin als om onszelf,
laat staan om hem; — Enfin: telkens als “de held” het
toneel betrad, werd er iets nieuws gerealiseerd — het
huiveringwekkende tegendeel van lachen: een diepe
ontroering die al die individuen bevangt bij die ene
gedachte: “Ja, het is de moeite waard te leven! Ja, ík ben
het waard te leven!” — het leven en ik, en jij, en wij
allen samen, het werd voor ons weer een poosje interessant .
Het valt natuurlijk niet te ontkennen dat tot nu toe op
de lange duur elk van deze doel-leermeesters is
overmeesterd door het gelach, de rede en de natuur. Ook
deze tragedie is kort, en gaat uiteindelijk altijd over in
de eeuwige komedie van het bestaan, waarnaar het
terugkeert. “Golven van onbetaalbaar gelach" — om met
Aischylos te spreken — zullen uiteindelijk ook over de
grootste van deze treurspelacteurs heenslaan.
Maar al dat corrigerende gelach ten spijt is de menselijke
natuur door het telkens weer verschijnen van die
zin-en-doel-leraren de menselijke natuur wél veranderd: Ze
heeft er een behoefte bij gekregen — en wel de behoefte
aan het steeds opnieuw verschijnen van zulke
zin-doel-leraren, inclusief hun filosofieën. De mens is zo
gaandeweg tot een fantastisch dier geëvolueerd, die —
vergeleken met de andere dieren — aan een extra
bestaansvoorwaarde moet voldoen : hij moet van
af en toe geloven dat hij weet waarom hij
bestaat. De menselijke soort kan niet gedijen zonder zich
periodiek aan het leven toe te vertrouwen— zonder geloof
aan de redelijkheid van het leven ('Vernunft
im Leben'). En telkens opnieuw zal het menselijk geslacht
af en toe decreteren: “Er is iets waarmee absoluut niet
meer gelachen mag worden!” En de meest vooruitziende
mensenvriend zal toevoegen: “Niet alleen het lachen en de
vrolijke wijsheid, maar ook het tragische — met heel z'n
verheven onredelijkheid — behoort tot de middelen en de
noodzakelijke voorwaarden van het behoud van de soort.” En
derhalve! Derhalve! Derhalve! Verstaat gij mij, mijn
broeders? Verstaat gij deze nieuwe wet van eb en vloed?
Ook onze tijd komt nog.
[2]
Das intellectuale Gewissen. —
Ich mache immer wieder die gleiche Erfahrung und
sträube mich ebenso immer von Neuem gegen sie, ich will
es nicht glauben, ob ich es gleich mit Händen greife:
den Allermeisten fehlt das
intellectuale Gewissen ; ja es wollte
mir oft scheinen, als ob man mit der Forderung eines
solchen in den volkreichsten Städten einsam wie in der
Wüste sei. Es sieht dich Jeder mit fremden Augen an und
handhabt seine Wage weiter, diess gut, jenes böse
nennend; es macht Niemandem eine Schamröthe, wenn du
merken lässest, dass diese Gewichte nicht vollwichtig
sind, — es macht auch keine Empörung gegen dich:
vielleicht lacht man über deinen Zweifel. Ich will
sagen: die Allermeisten
finden es nicht verächtlich, diess oder jenes zu
glauben und darnach zu leben, ohne sich vorher der
letzten und sichersten Gründe für und wider bewusst
worden zu sein und ohne sich auch nur die Mühe um solche
Gründe hinterdrein zu geben, — die begabtesten Männer
und die edelsten Frauen gehören noch zu diesen
„Allermeisten“. Was ist mir aber Gutherzigkeit, Feinheit
und Genie, wenn der Mensch dieser Tugenden schlaffe
Gefühle im Glauben und Urtheilen bei sich duldet, wenn
das Verlangen nach Gewissheit
ihm nicht als die innerste Begierde und tiefste
Noth gilt, — als Das, was die höheren Menschen von den
niederen scheidet! ...
[2]
Het intellectuaal geweten . — Telkens weer
doe ik dezelfde ervaring op, en ik verzet me er ook
telkens opnieuw tegen, ik wil het niet geloven, ook al is
het met de handen te tasten : de overgrote meerderheid van
de mensen heeft geen intellectuaal geweten ;
ja, ik heb vaak het gevoel gehad dat — als je zoiets zou
eisen — je zelfs in de dichtst bevolkte steden net zo
eenzaam zou zijn als in de woestijn. Iedereen kijkt je dan
met grote ogen aan, en gaat vervolgens verder met zijn
afwegingen (let. handhaaft zijn Waage =
weegschaal), noemt dit goed, dat slecht; niemand stijgt
het schaamrood naar de kaken, als je laat doorschemeren
dat zijn gewichten niet 'het volle gewicht' hebben (geijkt
zijn ) — verontwaardigd is trouwens ook niemand:
het zou kunnen dat iemand lacht met je twijfel. Wat ik wil
zeggen, is dit: De overgrote meerderheid vindt het niet
verachtelijk om iets te geloven en daarnaar te leven
zonder zich vooraf van de laatste en zekerste
argumenten voor en tegen bewust te zijn, en zonder zich
achteraf om dergelijke argumenten druk te maken. Ook de
meest getalenteerde mannen en de nobelste vrouwen horen
bij deze ‘overgrote meerderheid’. Wat koop ik voor
goedhartigheid, verfijning en vernuft, als de mens die
deze deugden bezit bij zichzelf slappe gevoelens duldt op
het gebied van geloof en oordeel, als het verlangen
naar zekerheid voor hem niet geldt als innigste
begeerte en diepste nood — als dat wat de hogerstaande
mensen scheidt van de lager-bij-de-grondsen! ...
opmerking: intellectu aa l
is het intellect zelf betreffend, vgl. existentieel
en existentiaal)
[3]
Edel und Gemein. —
Den gemeinen Naturen erscheinen alle edlen,
grossmüthigen Gefühle als unzweckmässig und desshalb zu
allererst als unglaubwürdig: sie zwinkern mit den Augen,
wenn sie von dergleichen hören, und scheinen sagen zu
wollen „es wird wohl irgend ein guter Vortheil dabei
sein, man kann nicht durch alle Wände sehen“: — sie sind
argwöhnisch gegen den Edlen, als ob er den Vortheil auf
Schleichwegen suche. Werden sie von der Abwesenheit
selbstischer Absichten und Gewinnste allzu deutlich
überzeugt, so gilt ihnen der Edle als eine Art von
Narren: sie verachten ihn in seiner Freude und lachen
über den Glanz seiner Augen. „Wie kann man sich darüber
freuen im Nachtheil zu sein, wie kann man mit offnen
Augen in Nachtheil gerathen wollen! Es muss eine
Krankheit der Vernunft mit der edlen Affection verbunden
sein“ — so denken sie und blicken geringschätzig dabei:
wie sie die Freude geringschätzen, welche der Irrsinnige
von seiner fixen Idee her hat. Die gemeine Natur ist
dadurch ausgezeichnet, dass sie ihren Vortheil
unverrückt im Auge behält und dass diess Denken an Zweck
und Vortheil selbst stärker, als die stärksten Triebe in
ihr ist: sich durch jene Triebe nicht zu unzweckmässigen
Handlungen verleiten lassen — das ist ihre Weisheit und
ihr Selbstgefühl. Im Vergleich mit ihr ist die höhere
Natur die unvernünftigere
: — denn der Edle, Grossmüthige,
Aufopfernde unterliegt in der That seinen Trieben, und
in seinen besten Augenblicken pausirt seine Vernunft.
Ein Thier, das mit Lebensgefahr seine Jungen beschützt
oder in der Zeit der Brunst dem Weibchen auch in den Tod
folgt, denkt nicht an die Gefahr und den Tod, seine
Vernunft pausirt ebenfalls, weil die Lust an seiner Brut
oder an dem Weibchen und die Furcht, dieser Lust beraubt
zu werden es ganz beherrschen; es wird dümmer, als es
sonst ist, gleich dem Edlen und Grossmüthigen. Dieser
besitzt einige Lust- und Unlust-Gefühle in solcher
Stärke, dass der Intellect dagegen schweigen oder sich
zu ihrem Dienste hergeben muss: es tritt dann bei ihnen
das Herz in den Kopf und man spricht nunmehr von
„Leidenschaft“. (Hier und da kommt auch wohl der
Gegensatz dazu und gleichsam die „Umkehrung der
Leidenschaft“ vor, zum Beispiel bei Fontenelle, dem
Jemand einmal die Hand auf das Herz legte, mit den
Worten: „Was Sie da haben, mein Theuerster, ist auch
Gehirn“.) Die Unvernunft oder Quervernunft der
Leidenschaft ist es, die der Gemeine am Edlen verachtet,
zumal wenn diese sich auf Objecte richtet, deren Werth
ihm ganz phantastisch und willkürlich zu sein scheint.
Er ärgert sich über Den, welcher der Leidenschaft des
Bauches unterliegt, aber er begreift doch den Reiz,
welcher hier den Tyrannen macht; aber er begreift es
nicht, wie man zum Beispiel einer Leidenschaft der
Erkenntniss zu Liebe seine Gesundheit und Ehre auf’s
Spiel setzen könne. Der Geschmack der höheren Natur
richtet sich auf Ausnahmen, auf Dinge, die gewöhnlich
kalt lassen und keine Süssigkeit zu haben scheinen; die
höhere Natur hat ein singuläres Werthmaass. Dazu ist sie
meistens des Glaubens,
nicht ein singuläres Werthmaass in
ihrer Idiosynkrasie des Geschmacks zu haben, sie setzt
vielmehr ihre Werthe und Unwerthe als die überhaupt
gültigen Werthe und Unwerthe an, und geräth damit in’s
Unverständliche und Unpraktische. Es ist sehr selten,
dass eine höhere Natur soviel Vernunft übrig behält, um
Alltags-Menschen als solche zu verstehen und zu
behandeln: zu allermeist glaubt sie an ihre Leidenschaft
als an die verborgen gehaltene Leidenschaft Aller und
ist gerade in diesem Glauben voller Gluth und
Beredtsamkeit. Wenn nun solche Ausnahme-Menschen sich
selber nicht als Ausnahmen fühlen, wie sollten sie
jemals die gemeinen Naturen verstehen und die Regel
billig abschätzen können! — und so reden auch sie von
der Thorheit, Zweckwidrigkeit und Phantasterei der
Menschheit, voller Verwunderung, wie toll die Welt laufe
und warum sie sich nicht zu dem bekennen wolle, was „ihr
Noth thue“. — Diess ist die ewige Ungerechtigkeit der
Edlen.
[4]
Das Arterhaltende. —
Die stärksten und bösesten Geister haben bis jetzt die
Menschheit am meisten vorwärts gebracht: sie entzündeten
immer wieder die einschlafenden Leidenschaften — alle
geordnete Gesellschaft schläfert die Leidenschaften ein
—, sie weckten immer wieder den Sinn der Vergleichung,
des Widerspruchs, der Lust am Neuen, Gewagten,
Unerprobten, sie zwangen die Menschen, Meinungen gegen
Meinungen, Musterbilder gegen Musterbilder zu stellen.
Mit den Waffen, mit Umsturz der Grenzsteine, durch
Verletzung der Pietäten zumeist: aber auch durch neue
Religionen und Moralen! Die selbe „Bosheit“ ist in jedem
Lehrer und Prediger des
Neuen , — welche einen Eroberer
verrufen macht, wenn sie auch sich feiner äussert, nicht
sogleich die Muskeln in Bewegung setzt und eben desshalb
auch nicht so verrufen macht! Das Neue ist aber unter
allen Umständen das Böse
, als Das, was erobern, die alten
Grenzsteine und die alten Pietäten umwerfen will; und
nur das Alte ist das Gute! Die guten Menschen jeder Zeit
sind die, welche die alten Gedanken in die Tiefe graben
und mit ihnen Frucht tragen, die Ackerbauer des Geistes.
Aber jedes Land wird endlich ausgenützt, und immer
wieder muss die Pflugschar des Bösen kommen. — Es giebt
jetzt eine gründliche Irrlehre der Moral, welche
namentlich in England sehr gefeiert wird: nach ihr sind
die Urtheile „gut“ und „böse“ die Aufsammlung der
Erfahrungen über „zweckmässig“ und „unzweckmässig“; nach
ihr ist das Gut-Genannte das Arterhaltende, das
Bös-Genannte aber das der Art Schädliche. In Wahrheit
sind aber die bösen Triebe in eben so hohem Grade
zweckmässig, arterhaltend und unentbehrlich wie die
guten: — nur ist ihre Function eine verschiedene.
[5]
Unbedingte Pflichten. —
Alle Menschen, welche fühlen, dass sie die stärksten
Worte und Klänge, die beredtesten Gebärden und
Stellungen nöthig haben, um überhaupt zu wirken,
Revolutions-Politiker, Socialisten, Bussprediger mit und
ohne Christenthum, bei denen allen es keine halben
Erfolge geben darf: alle diese reden von „Pflichten“,
und zwar immer von Pflichten mit dem Charakter des
Unbedingten — ohne solche hätten sie kein Recht zu ihrem
grossen Pathos: das wissen sie recht wohl! So greifen
sie nach Philosophieen der Moral, welche irgend einen
kategorischen Imperativ predigen, oder sie nehmen ein
gutes Stück Religion in sich hinein, wie diess zum
Beispiel Mazzini gethan hat. Weil sie wollen, dass ihnen
unbedingt vertraut werde, haben sie zuerst nöthig, dass
sie sich selber unbedingt vertrauen, auf Grund irgend
eines letzten indiscutabeln und an sich erhabenen
Gebotes, als dessen Diener und Werkzeuge sie sich fühlen
und ausgeben möchten. Hier haben wir die natürlichsten
und meistens sehr einflussreichen Gegner der moralischen
Aufklärung und Skepsis: aber sie sind selten. Dagegen
giebt es eine sehr umfängliche Classe dieser Gegner
überall dort, wo das Interesse die Unterwerfung lehrt,
während Ruf und Ehre die Unterwerfung zu verbieten
scheinen. Wer sich entwürdigt fühlt bei dem Gedanken,
das Werkzeug
eines Fürsten oder einer Partei und Secte oder gar einer
Geldmacht zu sein, zum Beispiel als Abkömmling einer
alten, stolzen Familie, aber eben diess Werkzeug sein
will oder sein muss, vor sich und vor der
Oeffentlichkeit, der hat pathetische Principien nöthig,
die man jederzeit in den Mund nehmen kann: — Principien
eines unbedingten Sollens, welchen man sich ohne
Beschämung unterwerfen und unterworfen zeigen darf. Alle
feinere Servilität hält am kategorischen Imperativ fest
und ist der Todfeind Derer, welche der Pflicht den
unbedingten Charakter nehmen wollen: so fordert es von
ihnen der Anstand, und nicht nur der Anstand.
[6]
Verlust an Würde. — Das
Nachdenken ist um all seine Würde der Form gekommen, man
hat das Ceremoniell und die feierliche Gebärde des
Nachdenkens zum Gespött gemacht und würde einen weisen
Mann alten Stils nicht mehr aushalten. Wir denken zu
rasch, und unterwegs, und mitten im Gehen, mitten in
Geschäften aller Art, selbst wenn wir an das Ernsthafteste
denken; wir brauchen wenig Vorbereitung, selbst wenig
Stille: — es ist, als ob wir eine unaufhaltsam rollende
Maschine im Kopfe herumtrügen, welche selbst unter den
ungünstigsten Umständen noch arbeitet. Ehemals sah man es
Jedem an, dass er einmal denken wollte — es war wohl die
Ausnahme! —, dass er jetzt weiser werden wollte und sich
auf einen Gedanken gefasst machte: man zog ein Gesicht
dazu, wie zu einem Gebet, und hielt den Schritt an; ja man
stand stundenlang auf der Strasse still, wenn der Gedanke
„kam“ — auf einem oder auf zwei Beinen. So war es „der
Sache würdig“!
[6]
Verlies aan
waardigheid. — Het nadenken is al z'n vormelijke
waardigheid kwijt: men heeft het ceremonieel en de
plechtige gebaren die erbij horen belachelijk gemaakt: een
wijze van de oude stempel zou men nu niet meer verdragen.
Ons denken gaat te snel, gebeurt en passant, onder het
lopen, terwijl we bezig zijn met allerlei zaken, de
ernstigste niet uitgezonderd; we hebben nauwelijks nog
voorbereiding nodig, om van stilte maar te zwijgen — het
is net alsof we een onophoudelijk malende machine in ons
hoofd meedragen, die zelfs onder de meest ongunstige
omstandigheden blijft werken. Vroeger kon je aan iemand
zien, dat hij eens wilde nadenken — 't zal ook wel een
uitzondering geweest zijn! —, dat hij nu wijzer
wilde worden en zich op een gedachte voorbereidde: Men
trok daarbij een gezicht, zoals voor een gebed, en hield
zijn pas in; sterker nog, men stond urenlang stil op
straat, als de gedachte ‘kwam’ — op een of twee benen. Zo
was het ‘de zaak waardig’!
[7]
Etwas für Arbeitsame. —
Wer jetzt aus den moralischen Dingen ein Studium machen
will, eröffnet sich ein ungeheures Feld der Arbeit. Alle
Arten Passionen müssen einzeln durchdacht, einzeln durch
Zeiten, Völker, grosse und kleine Einzelne verfolgt
werden; ihre ganze Vernunft und alle ihre
Werthschätzungen und Beleuchtungen der Dinge sollen an’s
Licht hinaus! Bisher hat alles Das, was dem Dasein Farbe
gegeben hat, noch keine Geschichte: oder wo gäbe es eine
Geschichte der Liebe, der Habsucht, des Neides, des
Gewissens, der Pietät, der Grausamkeit? Selbst eine
vergleichende Geschichte des Rechtes, oder auch nur der
Strafe, fehlt bisher vollständig. Hat man schon die
verschiedene Eintheilung des Tages, die Folgen einer
regelmässigen Festsetzung von Arbeit, Fest und Ruhe zum
Gegenstand der Forschung gemacht? Kennt man die
moralischen Wirkungen der Nahrungsmittel? Giebt es eine
Philosophie der Ernährung? (Der immer wieder
losbrechende Lärm für und wider den Vegetarianismus
beweist schon, dass es noch keine solche Philosophie
giebt!) Sind die Erfahrungen über das Zusammenleben, zum
Beispiel die Erfahrungen der Klöster, schon gesammelt?
Ist die Dialektik der Ehe und Freundschaft schon
dargestellt? Die Sitten der Gelehrten, der Kaufleute,
Künstler, Handwerker, — haben sie schon ihre Denker
gefunden? Es ist so viel daran zu denken! Alles, was bis
jetzt die Menschen als ihre „Existenz-Bedingungen“
betrachtet haben, und alle Vernunft, Leidenschaft und
Aberglauben an dieser Betrachtung, — ist diess schon zu
Ende erforscht? Allein die Beobachtung des verschiedenen
Wachsthums, welches die menschlichen Triebe je nach dem
verschiedenen moralischen Klima gehabt haben und noch
haben könnten, giebt schon zu viel der Arbeit für den ;
es bedarf ganzer Geschlechter und planmässig zusammen
arbeitender Geschlechter von Gelehrten, um hier die
Gesichtspuncte und das Material zu erschöpfen. Das Selbe
gilt von der Nachweisung der Gründe für die
Verschiedenheit des moralischen Klimas („ wesshalb leuchtet hier
diese Sonne ein Arbeitsamstenes moralischen
Grundurtheils und Hauptwerthmessers — und dort jene?“).
Und wieder eine neue Arbeit ist es, welche die
Irrthümlichkeit aller dieser Gründe und das ganze Wesen
des bisherigen moralischen Urtheils feststellt. Gesetzt,
alle diese Arbeiten seien gethan, so träte die
heikeligste aller Fragen in den Vordergrund, ob die
Wissenschaft im Stande sei, Ziele des Handelns zu
geben , nachdem sie
bewiesen hat, dass sie solche nehmen und vernichten kann
— und dann würde ein Experimentiren am Platze sein, an
dem jede Art von Heroismus sich befriedigen könnte, ein
Jahrhunderte langes Experimentiren, welches alle grossen
Arbeiten und Aufopferungen der bisherigen Geschichte in
Schatten stellen könnte. Bisher hat die Wissenschaft
ihre Cyklopen-Bauten noch nicht gebaut; auch dafür wird
die Zeit kommen.
[8]
Unbewusste Tugenden. —
Alle Eigenschaften eines Menschen, deren er sich bewusst
ist — und namentlich, wenn er deren Sichtbarkeit und
Evidenz auch für seine Umgebung voraussetzt — stehen
unter ganz anderen Gesetzen der Entwickelung, als jene
Eigenschaften, welche ihm unbekannt oder schlecht
bekannt sind und die sich auch vor dem Auge des feineren
Beobachters durch ihre Feinheit verbergen und wie hinter
das Nichts zu verstecken wissen. So steht es mit den
feinen Sculpturen auf den Schuppen der Reptilien: es
würde ein Irrthum sein, in ihnen einen Schmuck oder eine
Waffe zu vermuthen — denn man sieht sie erst mit dem
Mikroskop, also mit einem so künstlich verschärften
Auge, wie es ähnliche Thiere, für welche es etwa Schmuck
oder Waffe zu bedeuten hätte, nicht besitzen! Unsere
sichtbaren moralischen Qualitäten, und namentlich unsere
sichtbar geglaubten
gehen ihren Gang, — und die unsichtbaren ganz
gleichnamigen, welche uns in Hinsicht auf Andere weder
Schmuck noch Waffe sind,
gehen auch ihren Gang : einen ganz
anderen wahrscheinlich, und mit Linien und Feinheiten
und Sculpturen, welche vielleicht einem Gotte mit einem
göttlichen Mikroskope Vergnügen machen könnten. Wir
haben zum Beispiel unsern Fleiss, unsern Ehrgeiz, unsern
Scharfsinn: alle Welt weiss darum —, und ausserdem haben
wir wahrscheinlich noch einmal unseren Fleiss,
unseren Ehrgeiz,
unseren Scharfsinn;
aber für diese unsere Reptilien-Schuppen ist das
Mikroskop noch nicht erfunden! — Und hier werden die
Freunde der instinctiven Moralität sagen: „Bravo! Er
hält wenigstens unbewusste Tugenden für möglich, — das
genügt uns!“ — Oh ihr Genügsamen!
[9]
Unsere Eruptionen. —
Unzähliges, was sich die Menschheit auf früheren Stufen
aneignete, aber so schwach und embryonisch, dass es
Niemand als angeeignet wahrzunehmen wusste, stösst
plötzlich, lange darauf, vielleicht nach Jahrhunderten,
an’s Licht: es ist inzwischen stark und reif geworden.
Manchen Zeitaltern scheint diess oder jenes Talent,
diese oder jene Tugend ganz zu fehlen, wie manchen
Menschen: aber man warte nur bis auf die Enkel und
Enkelskinder, wenn man Zeit hat, zu warten, — sie
bringen das Innere ihrer Grossväter an die Sonne, jenes
Innere, von dem die Grossväter selbst noch Nichts
wussten. Oft ist schon der Sohn der Verräther seines
Vaters: dieser versteht sich selber besser, seit er
seinen Sohn hat. Wir haben Alle verborgene Gärten und
Pflanzungen in uns; und, mit einem andern Gleichnisse,
wir sind Alle wachsende Vulcane, die ihre Stunde der
Eruption haben werden: — wie nahe aber oder wie ferne
diese ist, das freilich weiss Niemand, selbst der liebe
Gott nicht.
[10]
Eine Art von Atavismus. —
Die seltenen Menschen einer Zeit verstehe ich am
liebsten als plötzlich auftauchende Nachschösslinge
vergangener Culturen und deren Kräften: gleichsam als
den Atavismus eines Volkes und seiner Gesittung: — so
ist wirklich Etwas noch an ihnen zu verstehen ! Jetzt
erscheinen sie fremd, selten, ausserordentlich: und wer
diese Kräfte in sich fühlt, hat sie gegen eine
widerstrebende andere Welt zu pflegen, zu vertheidigen,
zu ehren, gross zu ziehen: und so wird er damit entweder
ein grosser Mensch oder ein verrückter und
absonderlicher, sofern er überhaupt nicht bei Zeiten zu
Grunde geht. Ehedem waren diese selben Eigenschaften
gewöhnlich und galten folglich als gemein: sie
zeichneten nicht aus. Vielleicht wurden sie gefordert,
vorausgesetzt; es war unmöglich, mit ihnen gross zu
werden, und schon desshalb, weil die Gefahr fehlte, mit
ihnen auch toll und einsam zu werden. — Die erhaltenden Geschlechter
und Kasten eines Volkes sind es vornehmlich, in denen
solche Nachschläge alter Triebe vorkommen, während keine
Wahrscheinlichkeit für solchen Atavismus ist, wo Rassen,
Gewohnheiten, Werthschätzungen zu rasch wechseln. Das
Tempo bedeutet nämlich unter den Kräften der
Entwickelung bei Völkern ebensoviel wie bei der Musik;
für unseren Fall ist durchaus ein Andante der
Entwickelung nothwendig, als das Tempo eines
leidenschaftlichen und langsamen Geistes: — und der Art
ist ja der Geist conservativer Geschlechter.
[11]
Das Bewusstsein. —
Die Bewusstheit ist die letzte und späteste Entwickelung
des Organischen und folglich auch das Unfertigste und
Unkräftigste daran. Aus der Bewusstheit stammen
unzählige Fehlgriffe, welche machen, dass ein Thier, ein
Mensch zu Grunde geht, früher als es nöthig wäre, „über
das Geschick“, wie Homer sagt. Wäre nicht der erhaltende
Verband der Instincte so überaus viel mächtiger, diente
er nicht im Ganzen als Regulator: an ihrem verkehrten
Urtheilen und Phantasiren mit offenen Augen, an ihrer
Ungründlichkeit und Leichtgläubigkeit, kurz eben an
ihrer Bewusstheit müsste die Menschheit zu Grunde gehen:
oder vielmehr, ohne jenes gäbe es diese längst nicht
mehr! Bevor eine Function ausgebildet und reif ist, ist
sie eine Gefahr des Organismus: gut, wenn sie so lange
tüchtig tyrannisirt wird! So wird die Bewusstheit
tüchtig tyrannisirt — und nicht am wenigsten von dem
Stolze darauf! Man denkt, hier sei der Kern des Menschen;
sein Bleibendes, Ewiges, Letztes, Ursprünglichstes! Man
hält die Bewusstheit für eine feste gegebene Grösse!
Leugnet ihr Wachsthum, ihre Intermittenzen! Nimmt sie
als „Einheit des Organismus“! — Diese lächerliche
Ueberschätzung und Verkennung des Bewusstseins hat die
grosse Nützlichkeit zur Folge, dass damit eine
allzuschnelle Ausbildung desselben verhindert worden ist.
Weil die Menschen die Bewusstheit schon zu haben
glaubten, haben sie sich wenig Mühe darum gegeben, sie
zu erwerben — und auch jetzt noch steht es nicht anders!
Es ist immer noch eine ganz neue und eben erst dem
menschlichen Auge aufdämmernde, kaum noch deutlich
erkennbare Aufgabe, das
Wissen sich einzuverleiben und
instinctiv zu machen, — eine Aufgabe, welche nur von
Denen gesehen wird, die begriffen haben, dass bisher nur
unsere Irrthümer
uns einverleibt waren und dass alle unsere
Bewusstheit sich auf Irrthümer bezieht!
[12]
Vom Ziele der Wissenschaft. —
Wie? Das letzte Ziel der Wissenschaft sei, dem
Menschen möglichst viel Lust und möglichst wenig Unlust
zu schaffen? Wie, wenn nun Lust und Unlust so mit einem
Stricke zusammengeknüpft wären, dass, wer möglichst viel
von der einen haben will
, auch möglichst viel von der andern haben
muss , —
dass, wer das „Himmelhoch-Jauchzen“ lernen will, sich
auch für das „zum-Tode-betrübt“ bereit halten muss? Und
so steht es vielleicht! Die Stoiker glaubten wenigstens,
dass es so stehe, und waren consequent, als sie nach
möglichst wenig Lust begehrten, um möglichst wenig
Unlust vom Leben zu haben (wenn man den Spruch im Munde
führte „Der Tugendhafte ist der Glücklichste“, so hatte
man in ihm sowohl ein Aushängeschild der Schule für die
grosse Masse, als auch eine casuistische Feinheit für
die Feinen). Auch heute noch habt ihr die Wahl: entweder
möglichst wenig Unlust
, kurz Schmerzlosigkeit — und im Grunde dürften
Socialisten und Politiker aller Parteien ihren Leuten
ehrlicher Weise nicht mehr verheissen — oder möglichst viel Unlust
als Preis für das Wachsthum einer Fülle von feinen und
bisher selten gekosteten Lüsten und Freuden!
Entschliesst ihr euch für das Erstere, wollt ihr also
die Schmerzhaftigkeit der Menschen herabdrücken und
vermindern, nun, so müsst ihr auch ihre Fähigkeit zur Freude
herabdrücken und vermindern. In der That kann man mit
der Wissenschaft das
eine wie das andere Ziel fördern! Vielleicht ist sie
jetzt noch bekannter wegen ihrer Kraft, den Menschen um
seine Freuden zu bringen, und ihn kälter, statuenhafter,
stoischer zu machen. Aber sie könnte auch noch als die
grosse Schmerzbringerin
entdeckt werden! — Und dann würde vielleicht zugleich
ihre Gegenkraft entdeckt sein, ihr ungeheures Vermögen,
neue Sternenwelten der Freude aufleuchten zu lassen!
[13]
Zur Lehre vom Machtgefühl. —
Mit Wohlthun und Wehethun übt man seine Macht an
Andern aus — mehr will man dabei nicht! Mit Wehethun an Solchen,
denen wir unsere Macht erst fühlbar machen müssen; denn
der Schmerz ist ein viel empfindlicheres Mittel dazu als
die Lust: — der Schmerz fragt immer nach der Ursache,
während die Lust geneigt ist, bei sich selber stehen zu
bleiben und nicht rückwärts zu schauen. Mit Wohlthun und Wohlwollen
an Solchen, die irgendwie schon von uns abhängen (das
heisst gewohnt sind, an uns als ihre Ursache zu denken);
wir wollen ihre Macht mehren, weil wir so die unsere
mehren, oder wir wollen ihnen den Vortheil zeigen, den
es hat, in unserer Macht zu stehen, — so werden sie mit
ihrer Lage zufriedener und gegen die Feinde unserer Macht
feindseliger und kampfbereiter sein. [...]
Ob wir beim Wohl- oder Wehethun Opfer bringen,
verändert den letzten Werth unserer Handlungen nicht;
selbst wenn wir unser Leben daran setzen, wie der Märtyrer
zu Gunsten seiner Kirche, es ist ein Opfer, gebracht unserem Verlangen nach
Macht, oder zum Zweck der Erhaltung unseres
Machtgefühls. Wer da empfindet „ich bin im Besitz der
Wahrheit“, wie viel Besitzthümer lässt der nicht fahren,
um diese Empfindung zu retten! Was wirft er nicht Alles
über Bord, um sich „oben“ zu erhalten, — das heisst
über den Andern,
welche der „Wahrheit“ ermangeln! Gewiss ist der Zustand,
wo wir wehe thun, selten so angenehm, so
ungemischt-angenehm, wie der, in welchem wir wohl thun,
— es ist ein Zeichen, dass uns noch Macht fehlt, oder
verräth den Verdruss über diese Armuth, es bringt neue
Gefahren und Unsicherheiten für unseren vorhandenen
Besitz von Macht mit sich und umwölkt unsern Horizont
durch die Aussicht auf Rache, Hohn, Strafe, Misserfolg.
Nur für die reizbarsten und begehrlichsten Menschen des
Machtgefühles mag es lustvoller sein, dem
Widerstrebenden das Siegel der Macht aufzudrücken; für
solche, denen der Anblick des bereits Unterworfenen (als
welcher der Gegenstand des Wohlwollens ist) Last und
Langeweile macht. Es kommt darauf an, wie man gewöhnt
ist, sein Leben zu würzen
; es ist eine Sache des Geschmackes, ob
man lieber den langsamen oder den plötzlichen, den
sicheren oder den gefährlichen und verwegenen
Machtzuwachs haben will, — man sucht diese oder jene
Würze immer nach seinem Temperamente. Eine leichte Beute
ist stolzen Naturen etwas Verächtliches, sie empfinden
ein Wohlgefühl erst beim Anblick ungebrochener Menschen,
welche ihnen Feind werden könnten, und ebenso beim
Anblick aller schwer zugänglichen Besitzthümer; gegen
den Leidenden sind sie oft hart, denn er ist ihres
Strebens und Stolzes nicht werth, — aber um so
verbindlicher zeigen sie sich gegen die Gleichen , mit denen ein
Kampf und Ringen jedenfalls ehrenvoll wäre, wenn sich einmal eine
Gelegenheit dazu finden sollte. Unter dem Wohlgefühle
dieser Perspective
haben sich die Menschen der ritterlichen Kaste gegen
einander an eine ausgesuchte Höflichkeit gewöhnt. —
Mitleid ist das angenehmste Gefühl bei Solchen, welche
wenig stolz sind und keine Aussicht auf grosse
Eroberungen haben: für sie ist die leichte Beute — und
das ist jeder Leidende — etwas Entzückendes. Man rühmt
das Mitleid als die Tugend der Freudenmädchen.
[13]
Over de leer van het machtsgevoel. Door weldoen en
weedoen oefent men zijn macht uit over anderen — en daarmee
is alles gezegd! Middels
weedoen [oefent men
z'n
macht uit] over hen, die onze macht nog moeten leren voelen;
pijn is daartoe een veel sensitiever middel dan lust: pijn
vraagt immers altijd naar de oorzaak, terwijl lust geneigd
is aan zichzelf genoeg te hebben, en niet om te kijken.
Middels
weldoen en welwillendheid [oefent men z'n
macht uit] over hen die in zekere zin al van ons afhankelijk
zijn (dat wil zeggen: die gewend zijn ons als oorzaak van
hun leven te beschouwen); wij willen hun macht vergroten
omdat wij daarmee de onze vergroten, of wij willen hen laten
zien hoe voordelig het voor hen is om in onze macht te zijn
— zo zullen ze tevredener zijn met hun situatie, en tegelijk
vijandiger en strijdbaarder tegenover de vijanden van
onze
macht. [...]
[14]
Was Alles Liebe genannt wird. —
Habsucht und Liebe: wie verschieden empfinden wir
bei jedem dieser Worte! — und doch könnte es der selbe
Trieb sein, zweimal benannt, das eine Mal verunglimpft
vom Standpuncte der bereits Habenden aus, in denen der
Trieb etwas zur Ruhe gekommen ist und die nun für ihre
„Habe“ fürchten; das andere Mal vom Standpuncte der
Unbefriedigten, Durstigen aus, und daher verherrlicht
als „gut“. Unsere Nächstenliebe — ist sie nicht ein
Drang nach neuem
Eigenthum ? Und ebenso unsere Liebe zum
Wissen, zur Wahrheit und überhaupt all jener Drang nach
Neuigkeiten? Wir werden des Alten, sicher Besessenen
allmählich überdrüssig und strecken die Hände wieder
aus; selbst die schönste Landschaft, in der wir drei
Monate leben, ist unserer Liebe nicht mehr gewiss, und
irgend eine fernere Küste reizt unsere Habsucht an: der
Besitz wird durch das Besitzen zumeist geringer. Unsere
Lust an uns selber will sich so aufrecht erhalten, dass
sie immer wieder etwas Neues in uns selber
verwandelt, — das eben heisst Besitzen. Eines Besitzes
überdrüssig werden, das ist: unserer selber überdrüssig
werden. (Man kann auch am Zuviel leiden, — auch die
Begierde, wegzuwerfen, auszutheilen, kann sich den
Ehrennamen „Liebe“ zulegen.) Wenn wir Jemanden leiden
sehen, so benutzen wir gerne die jetzt gebotene
Gelegenheit, Besitz von ihm zu ergreifen; diess thut zum
Beispiel der Wohlthätige und Mitleidige, auch er nennt
die in ihm erweckte Begierde nach neuem Besitz „Liebe“,
und hat seine Lust dabei wie bei einer neuen ihm
winkenden Eroberung. Am deutlichsten aber verräth sich
die Liebe der Geschlechter als Drang nach Eigenthum: der
Liebende will den unbedingten Alleinbesitz der von ihm
ersehnten Person, er will eine ebenso unbedingte Macht
über ihre Seele wie ihren Leib, er will allein geliebt
sein und als das Höchste und Begehrenswertheste in der
andern Seele wohnen und herrschen. Erwägt man, dass
diess nichts Anderes heisst, als alle Welt von einem
kostbaren Gute, Glücke und Genusse ausschliessen : erwägt
man, dass der Liebende auf die Verarmung und Entbehrung
aller anderen Mitbewerber ausgeht und zum Drachen seines
goldenen Hortes werden möchte, als der rücksichtsloseste
und selbstsüchtigste aller „Eroberer“ und Ausbeuter:
erwägt man endlich, dass dem Liebenden selber die ganze
andere Welt gleichgültig, blass, werthlos erscheint und
er jedes Opfer zu bringen, jede Ordnung zu stören, jedes
Interesse hintennach zu setzen bereit ist: so wundert
man sich in der That, dass diese wilde Habsucht und
Ungerechtigkeit der Geschlechtsliebe dermaassen
verherrlicht und vergöttlicht worden ist, wie zu allen
Zeiten geschehen, ja, dass man aus dieser Liebe den
Begriff Liebe als den Gegensatz des Egoismus hergenommen
hat, während sie vielleicht gerade der unbefangenste
Ausdruck des Egoismus ist. Hier haben offenbar die
Nichtbesitzenden und Begehrenden den Sprachgebrauch
gemacht, — es gab wohl ihrer immer zu viele. Solche,
welchen auf diesem Bereiche viel Besitz und Sättigung
gegönnt war, haben wohl hier und da ein Wort vom
„wüthenden Dämon“ fallen lassen, wie jener
liebenswürdigste und geliebteste aller Athener,
Sophokles: aber Eros lachte jederzeit über solche
Lästerer, — es waren immer gerade seine grössten
Lieblinge. — Es giebt wohl hier und da auf Erden eine
Art Fortsetzung der Liebe, bei der jenes habsüchtige
Verlangen zweier Personen nach einander einer neuen
Begierde und Habsucht, einem gemeinsamen höheren
Durste nach einem über ihnen stehenden Ideale gewichen
ist: aber wer kennt diese Liebe? Wer hat sie erlebt? Ihr
rechter Name ist
Freundschaft .
[15]
Aus der Ferne. —
Dieser Berg macht die ganze Gegend, die er beherrscht,
auf alle Weise reizend und bedeutungsvoll: nachdem wir
diess uns zum hundertsten Male gesagt haben, sind wir so
unvernünftig und so dankbar gegen ihn gestimmt, dass wir
glauben, er, der Geber dieses Reizes, müsse selber das
Reizvollste der Gegend sein — und so steigen wir auf ihn
hinauf und sind enttäuscht. Plötzlich ist er selber, und
die ganze Landschaft um uns, unter uns wie entzaubert;
wir hatten vergessen, dass manche Grösse, wie manche
Güte, nur auf eine gewisse Distanz hin gesehen werden
will, und durchaus von unten, nicht von oben, — so
allein wirkt sie
. Vielleicht kennst du Menschen in deiner Nähe, die
sich selber nur aus einer gewissen Ferne ansehen dürfen,
um sich überhaupt erträglich oder anziehend und
kraftgebend zu finden; die Selbsterkenntnis ist ihnen zu
widerrathen.
[16]
Ueber den Steg. —
Im Verkehre mit Personen, welche gegen ihre Gefühle
schamhaft sind, muss man sich verstellen können; sie
empfinden einen plötzlichen Hass gegen Den, welcher sie
auf einem zärtlichen oder schwärmerischen und
hochgehenden Gefühle ertappt, wie als ob er ihre
Heimlichkeiten gesehen habe. Will man ihnen in solchen
Augenblicken wohl thun, so mache man sie lachen oder
sage irgend eine kalte scherzhafte Bosheit: — ihr Gefühl
erfriert dabei, und sie sind ihrer wieder mächtig. Doch
ich gebe die Moral vor der Geschichte. — Wir sind uns
Einmal im Leben so nahe gewesen, dass Nichts unsere
Freund- und Bruderschaft mehr zu hemmen schien und nur
noch ein kleiner Steg zwischen uns war. Indem du ihn
eben betreten wolltest, fragte ich dich: „willst du zu
mir über den Steg?“ — Aber da wolltest du nicht mehr;
und als ich nochmals bat, schwiegst du. Seitdem sind
Berge und reissende Ströme, und was nur trennt und fremd
macht, zwischen uns geworfen, und wenn wir auch zu
einander wollten, wir könnten es nicht mehr! Gedenkst du
aber jetzt jenes kleinen Steges, so hast du nicht Worte
mehr, — nur noch Schluchzen und Verwunderung.
[17]
Seine Armuth motiviren. —
Wir können freilich durch kein Kunststück aus einer
armen Tugend eine reiche, reichfliessende machen, aber
wohl können wir ihre Armuth schön in die Nothwendigkeit
umdeuten, sodass ihr Anblick uns nicht mehr wehe thut,
und wir ihrethalben dem Fatum keine vorwurfsvollen
Gesichter machen. So thut der weise Gärtner, der das
arme Wässerchen seines Gartens einer Quellnymphe in den
Arm legt und also die Armuth motivirt: — und wer hätte
nicht gleich ihm die Nymphen nöthig!
[18]
Antiker Stolz. —
Die antike Färbung der Vornehmheit fehlt uns, weil
unserem Gefühle der antike Sclave fehlt. Ein Grieche
edler Abkunft fand zwischen seiner Höhe und jener
letzten Niedrigkeit solche ungeheure Zwischen-Stufen und
eine solche Ferne, dass er den Sclaven kaum noch
deutlich sehen konnte: selbst Plato hat ihn nicht ganz
mehr gesehen. Anders wir, gewöhnt wie wir sind an die
Lehre von der
Gleichheit der Menschen, wenn auch nicht an die
Gleichheit selber. Ein Wesen, das nicht über sich selber
verfügen kann und dem die Musse fehlt, — das gilt
unserem Auge noch keineswegs als etwas Verächtliches; es
ist von derlei Sclavenhaftem vielleicht zu viel an Jedem
von uns, nach den Bedingungen unserer gesellschaftlichen
Ordnung und Thätigkeit, welche grundverschieden von
denen der Alten sind. — Der griechische Philosoph gieng
durch das Leben mit dem geheimen Gefühle, dass es viel
mehr Sclaven gebe, als man vermeine — nämlich, dass
Jedermann Sclave sei, der nicht Philosoph sei; sein
Stolz schwoll über, wenn er erwog, dass auch die
Mächtigsten der Erde unter diesen seinen Sclaven seien.
Auch dieser Stolz ist uns fremd und unmöglich; nicht
einmal im Gleichniss hat das Wort „Sclave“ für uns seine
volle Kraft.
[19]
Das Böse. —
Prüfet das Leben der besten und fruchtbarsten Menschen
und Völker und fragt euch, ob ein Baum, der stolz in die
Höhe wachsen soll, des schlechten Wetters und der Stürme
entbehren könne: ob Ungunst und Widerstand von aussen,
ob irgend welche Arten von Hass, Eifersucht, Eigensinn,
Misstrauen, Härte, Habgier und Gewaltsamkeit nicht zu
den begünstigenden
Umständen gehören, ohne welche ein grosses
Wachsthum selbst in der Tugend kaum möglich ist? Das
Gift, an dem die schwächere Natur zu Grunde geht, ist
für den Starken Stärkung — und er nennt es auch nicht
Gift.
[19]
Het kwade. — Onderzoek het leven van de beste
en vruchtbaarste mensen en volkeren, en stel u de vraag:
Kan een boom die trots omhoog moet groeien het stellen
zonder slecht weer en storm? Zouden onwelwillendheid,
tegenwerking van buitenaf, allerlei vormen van haat,
naijver, eigenzinnigheid, wantrouwen, hardheid, hebzucht
en gewelddadigheid dan niet tot de gunstige omstandigheden
gerekend moeten worden? Zonder hen is een forse groei,
zelfs in de deugd, nauwelijks mogelijk. Het gif, waaraan
de zwakkere natuur te gronde gaat, is voor de sterke een
versterkend middel. Hij noemt het dan ook geen gif.
[20]
Würde der Thorheit. —
Einige Jahrtausende weiter auf der Bahn des letzten
Jahrhunderts! — und in Allem, was der Mensch thut, wird
die höchste Klugheit sichtbar sein: aber eben damit wird
die Klugheit alle ihre Würde verloren haben. Es ist dann
zwar nothwendig, klug zu sein, aber auch so gewöhnlich
und so gemein, dass ein eklerer Geschmack diese
Nothwendigkeit als eine
Gemeinheit empfinden wird. Und ebenso
wie eine Tyrannei der Wahrheit und Wissenschaft im
Stande wäre, die Lüge hoch im Preise steigen zu machen,
so könnte eine Tyrannei der Klugheit eine neue Gattung
von Edelsinn hervortreiben. Edel sein — dass hiesse dann
vielleicht: Thorheiten im Kopfe haben.
[21]
An die Lehrer der Selbstlosigkeit.
— Man nennt die Tugenden eines Menschen
gut , nicht
in Hinsicht auf die Wirkungen, welche sie für ihn selber
haben, sondern in Hinsicht auf die Wirkungen, welche wir
von ihnen für uns und die Gesellschaft voraussetzen: —
man ist von jeher im Lobe der Tugenden sehr wenig
„selbstlos“, sehr wenig „unegoistisch“ gewesen! Sonst
nämlich hätte man sehen müssen, dass die Tugenden (wie
Fleiss, Gehorsam, Keuschheit, Pietät, Gerechtigkeit)
ihren Inhabern meistens
schädlich sind, als Triebe, welche
allzu heftig und begehrlich in ihnen walten und von der
Vernunft sich durchaus nicht im Gleichgewicht zu den
andern Trieben halten lassen wollen. Wenn du eine Tugend
hast, eine wirkliche, ganze Tugend (und nicht nur ein
Triebchen nach einer Tugend!) — so bist du ihr
Opfer ! Aber der
Nachbar lobt eben desshalb deine Tugend! Man lobt den
Fleissigen, ob er gleich die Sehkraft seiner Augen oder
die Ursprünglichkeit und Frische seines Geistes mit
diesem Fleisse schädigt; man ehrt und bedauert den
Jüngling, welcher sich „zu Schanden gearbeitet hat“,
weil man urtheilt: „Für das ganze Grosse der
Gesellschaft ist auch der Verlust des besten Einzelnen
nur ein kleines Opfer! Schlimm, dass das Opfer Noth
thut! Viel schlimmer freilich, wenn der Einzelne anders
denken und seine Erhaltung und Entwickelung wichtiger
nehmen sollte, als seine Arbeit im Dienste der
Gesellschaft!“ Und so bedauert man diesen Jüngling,
nicht um seiner selber willen, sondern weil ein
ergebenes und gegen sich rücksichtsloses Werkzeug — ein
sogenannter „braver Mensch“ — durch diesen Tod der
Gesellschaft verloren gegangen ist. Vielleicht erwägt
man noch, ob es im Interesse der Gesellschaft nützlicher
gewesen sein würde, wenn er minder rücksichtslos gegen
sich gearbeitet und sich länger erhalten hätte, — ja man
gesteht sich wohl einen Vortheil davon zu, schlägt aber
jenen anderen Vortheil, dass ein Opfer gebracht und die
Gesinnung des Opferthiers sich wieder einmal augenscheinlich
bestätigt hat, für höher und nachhaltiger an. Es ist
also einmal die Werkzeug-Natur in den Tugenden, die
eigentlich gelobt wird, wenn die Tugenden gelobt werden,
und sodann der blinde in jeder Tugend waltende Trieb,
welcher durch den Gesammt-Vortheil des Individuums sich
nicht in Schranken halten lässt, kurz: die Unvernunft in
der Tugend, vermöge deren das Einzelwesen sich zur
Function des Ganzen umwandeln lässt. Das Lob der
Tugenden ist das Lob von etwas Privat-Schädlichem, — das
Lob von Trieben, welche dem Menschen seine edelste
Selbstsucht und die Kraft zur höchsten Obhut über sich
selber nehmen. — Freilich: zur Erziehung und zur
Einverleibung tugendhafter Gewohnheiten kehrt man eine
Reihe von Wirkungen der Tugend heraus, welche Tugend und
Privat-Vortheil als verschwistert erscheinen lassen, —
und es giebt in der That eine solche Geschwisterschaft!
Der blindwüthende Fleiss zum Beispiel, diese typische
Tugend eines Werkzeuges, wird dargestellt als der Weg zu
Reichthum und Ehre und als das heilsamste Gift gegen die
Langeweile und die Leidenschaften: aber man verschweigt
seine Gefahr, seine höchste Gefährlichkeit. Die
Erziehung verfährt durchweg so: sie sucht den Einzelnen
durch eine Reihe von Reizen und Vortheilen zu einer
Denk- und Handlungsweise zu bestimmen, welche, wenn sie
Gewohnheit, Trieb und Leidenschaft geworden ist,
wider seinen letzten Vortheil
, aber „zum allgemeinen Besten“ in ihm und über ihn
herrscht. Wie oft sehe ich es, dass der blindwüthende
Fleiss zwar Reichthümer und Ehre schafft, aber zugleich
den Organen die Feinheit nimmt, vermöge deren es einen
Genuss an Reichthum und Ehren geben könnte, ebenso, dass
jenes Hauptmittel gegen die Langeweile und die
Leidenschaften zugleich die Sinne stumpf und den Geist
widerspänstig gegen neue Reize macht. (Das fleissigste
aller Zeitalter — unser Zeitalter — weiss aus seinem
vielen Fleisse und Gelde Nichts zu machen, als immer
wieder mehr Geld und immer wieder mehr Fleiss: es gehört
eben mehr Genie dazu, auszugeben, als zu erwerben! —
Nun, wir werden unsere „Enkel“ haben!) Gelingt die
Erziehung, so ist jede Tugend des Einzelnen eine
öffentliche Nützlichkeit und ein privater Nachtheil im
Sinne des höchsten privaten Zieles, — wahrscheinlich
irgend eine geistig-sinnliche Verkümmerung oder gar der
frühzeitige Untergang: man erwäge der Reihe nach von
diesem Gesichtspuncte aus die Tugend des Gehorsams, der
Keuschheit, der Pietät, der Gerechtigkeit. Das Lob des
Selbstlosen, Aufopfernden, Tugendhaften — also
Desjenigen, der nicht seine ganze Kraft und Vernunft auf
seine
Erhaltung, Entwickelung, Erhebung, Förderung,
Macht-Erweiterung verwendet, sondern in Bezug auf sich
bescheiden und gedankenlos, vielleicht sogar
gleichgültig oder ironisch lebt, — dieses Lob ist
jedenfalls nicht aus dem Geiste der Selbstlosigkeit
entsprungen! Der „Nächste“ lobt die Selbstlosigkeit,
weil er durch sie
Vortheile hat ! Dächte der Nächste
selber „selbstlos“, so würde er jenen Abbruch an Kraft,
jene Schädigung zu seinen
Gunsten abweisen, der Entstehung solcher
Neigungen entgegenarbeiten und vor Allem seine
Selbstlosigkeit eben dadurch bekunden, dass er dieselbe
nicht gut
nennte! — Hiermit ist der Grundwiderspruch jener Moral
angedeutet, welche gerade jetzt sehr in Ehren steht: die
Motive zu
dieser Moral stehen im Gegensatz zu ihrem Principe ! Das, womit
sich diese Moral beweisen will, widerlegt sie aus ihrem
Kriterium des Moralischen! Der Satz „du sollst dir
selber entsagen und dich zum Opfer bringen“ dürfte, um
seiner eigenen Moral nicht zuwiderzugehen, nur von einem
Wesen decretirt werden, welches damit selber seinem
Vortheil entsagte und vielleicht in der verlangten
Aufopferung der Einzelnen seinen eigenen Untergang
herbeiführte. Sobald aber der Nächste (oder die
Gesellschaft) den Altruismus um des Nutzens willen
anempfiehlt, wird der gerade entgegengesetzte Satz „du
sollst den Vortheil auch auf Unkosten alles Anderen
suchen“ zur Anwendung gebracht, also in Einem Athem ein
„Du sollst“ und „Du sollst nicht“ gepredigt!
[22]
L’ordre du jour pour le roi. —
Der Tag beginnt: beginnen wir für diesen Tag die
Geschäfte und Feste unseres allergnädigsten Herrn zu
ordnen, der jetzt noch zu ruhen geruht. Seine Majestät
hat heute schlechtes Wetter: wir werden uns hüten, es
schlecht zu nennen; man wird nicht vom Wetter reden, —
aber wir werden die Geschäfte heute etwas feierlicher
und die Feste etwas festlicher nehmen, als sonst nöthig
wäre. Seine Majestät wird vielleicht sogar krank sein:
wir werden zum Frühstück die letzte gute Neuigkeit vom
Abend präsentiren, die Ankunft des Herrn von Montaigne,
der so angenehm über seine Krankheit zu scherzen weiss,
— er leidet am Stein. Wir werden einige Personen
empfangen (Personen! — was würde jener alte aufgeblasene
Frosch, der unter ihnen sein wird, sagen, wenn er diess
Wort hörte! „Ich bin keine Person, würde er sagen,
sondern immer die Sache selber“.) — und der Empfang wird
länger dauern, als irgend Jemandem angenehm ist: Grund
genug, von jenem Dichter zu erzählen, der auf seine
Thüre schrieb: „wer hier eintritt, wird mir eine Ehre
erweisen; wer es nicht thut — ein Vergnügen.“ — Diess
heisst fürwahr eine Unhöflichkeit auf höfliche Manier
sagen! Und vielleicht hat dieser Dichter für seinen
Theil ganz Recht, unhöflich zu sein: man sagt, dass
seine Verse besser seien, als der Verse-Schmied. Nun, so
mag er noch viele machen und sich selber möglichst der
Welt entziehen: und das ist ja der Sinn seiner artigen
Unart! Umgekehrt ist ein Fürst immer mehr werth, als
sein „Vers“, selbst wenn — doch was machen wir? Wir
plaudern, und der ganze Hof meint, wir arbeiteten schon
und zerbrächen uns die Köpfe: man sieht kein Licht
früher, als das in unserem Fenster brennen. — Horch! War
das nicht die Glocke? Zum Teufel! Der Tag und der Tanz
beginnt, und wir wissen seine Touren nicht! So müssen
wir improvisiren, — alle Welt improvisirt ihren Tag.
Machen wir es heute einmal wie alle Welt! — Und damit
verschwand mein wunderlicher Morgentraum, wahrscheinlich
vor den harten Schlägen der Thurmuhr, die eben mit all
der Wichtigkeit, die ihr eigen ist, die fünfte Stunde
verkündete. Es scheint mir, dass diessmal der Gott der
Träume sich über meine Gewohnheiten lustig machen
wollte, — es ist meine Gewohnheit, den Tag so zu
beginnen, dass ich ihn
für mich zurecht lege und erträglich
mache, und es mag sein, dass ich diess öfters zu
förmlich und zu prinzenhaft gethan habe.
[23]
Die Anzeichen der Corruption. —
Man beachte an jenen von Zeit zu Zeit nothwendigen
Zuständen der Gesellschaft, welche mit dem Wort
„Corruption“ bezeichnet werden, folgende Anzeichen.
Sobald irgend wo die Corruption eintritt, nimmt ein
bunter Aberglaube
überhand und der bisherige Gesammtglaube eines
Volkes wird blass und ohnmächtig dagegen: der Aberglaube
ist nämlich die Freigeisterei zweiten Ranges, — wer sich
ihm ergiebt, wählt gewisse ihm zusagende Formen und
Formeln aus und erlaubt sich ein Recht der Wahl. Der
Abergläubische ist, im Vergleich mit dem Religiösen,
immer viel mehr „Person“, als dieser, und eine
abergläubische Gesellschaft wird eine solche sein, in
der es schon viele Individuen und Lust am Individuellen
giebt. Von diesem Standpuncte aus gesehen, erscheint der
Aberglaube immer als ein
Fortschritt gegen den Glauben und als
Zeichen dafür, dass der Intellect unabhängiger wird und
sein Recht haben will. Ueber Corruption klagen dann die
Verehrer der alten Religion und Religiosität, — sie
haben bisher auch den Sprachgebrauch bestimmt und dem
Aberglauben eine üble Nachrede selbst bei den freiesten
Geistern gemacht. Lernen wir, dass er ein Symptom der
Aufklärung ist. —
Zweitens beschuldigt man eine Gesellschaft, in der die
Corruption Platz greift, der Erschlaffung : und
ersichtlich nimmt in ihr die Schätzung des Krieges und
die Lust am Kriege ab, und die Bequemlichkeiten des
Lebens werden jetzt eben so heiss erstrebt, wie ehedem
die kriegerischen und gymnastischen Ehren. Aber man
pflegt zu übersehen, dass jene alte Volks-Energie und
Volks-Leidenschaft, welche durch den Krieg und die
Kampfspiele eine prachtvolle Sichtbarkeit bekam, jetzt
sich in unzählige Privat-Leidenschaften umgesetzt hat
und nur weniger sichtbar geworden ist; ja,
wahrscheinlich ist in Zuständen der „Corruption“ die
Macht und Gewalt der jetzt verbrauchten Energie eines
Volkes grösser, als je, und das Individuum giebt so
verschwenderisch davon aus, wie es ehedem nicht konnte,
— es war damals noch nicht reich genug dazu! Und so sind
es gerade die Zeiten der „Erschlaffung“, wo die Tragödie
durch die Häuser und Gassen läuft, wo die grosse Liebe
und der grosse Hass geboren werden, und die Flamme der
Erkenntniss lichterloh zum Himmel aufschlägt. — Drittens
pflegt man, gleichsam zur Entschädigung für den Tadel
des Aberglaubens und der Erschlaffung, solchen Zeiten
der Corruption nachzusagen, dass sie milder seien und
dass jetzt die Grausamkeit, gegen die ältere gläubigere
und stärkere Zeit gerechnet, sehr in Abnahme komme. Aber
auch dem Lobe kann ich nicht beipflichten, ebensowenig
als jenem Tadel: nur so viel gebe ich zu, dass jetzt die
Grausamkeit sich verfeinert, und dass ihre älteren
Formen von nun an wider den Geschmack gehen; aber die
Verwundung und Folterung durch Wort und Blick erreicht
in Zeiten der Corruption ihre höchste Ausbildung, —
jetzt erst wird die
Bosheit geschaffen und die Lust an der
Bosheit. Die Menschen der Corruption sind witzig und
verläumderisch; sie wissen, dass es noch andere Arten
des Mordes giebt, als durch Dolch und Ueberfall, — sie
wissen auch, dass alles
Gutgesagte geglaubt wird. — Viertens:
wenn „die Sitten verfallen“, so tauchen zuerst jene
Wesen auf, welche man Tyrannen nennt: es sind die
Vorläufer und gleichsam die frühreifen Erstlinge der Individuen
. Noch eine kleine Weile: und diese Frucht der Früchte
hängt reif und gelb am Baume eines Volkes, — und nur um
dieser Früchte willen gab es diesen Baum! Ist der
Verfall auf seine Höhe gekommen und der Kampf aller Art
Tyrannen ebenfalls, so kommt dann immer der Cäsar, der
Schluss-Tyrann, der dem ermüdeten Ringen um
Alleinherrschaft ein Ende macht, indem er die Müdigkeit
für sich arbeiten lässt. Zu seiner Zeit ist gewöhnlich
das Individuum am reifsten und folglich die „Cultur“ am
höchsten und fruchtbarsten, aber nicht um seinetwillen
und nicht durch ihn: obwohl die höchsten Cultur-Menschen
ihrem Cäsar damit zu schmeicheln lieben, dass sie sich
als sein
Werk ausgeben. Die Wahrheit aber ist, dass sie Ruhe von
Aussen nöthig haben, weil sie ihre Unruhe und Arbeit in
sich haben. In diesen Zeiten ist die Bestechlichkeit und
der Verrath am grössten: denn die Liebe zu dem eben erst
entdeckten ego ist jetzt viel mächtiger, als die Liebe
zum alten, verbrauchten, todtgeredeten „Vaterlande“; und
das Bedürfniss, sich irgendwie gegen die furchtbaren
Schwankungen des Glückes sicherzustellen, öffnet auch
edlere Hände, sobald ein Mächtiger und Reicher sich
bereit zeigt, Gold in sie zu schütten. Es giebt jetzt so
wenig sichere Zukunft: da lebt man für heute: ein
Zustand der Seele, bei dem alle Verführer ein leichtes
Spiel spielen, — man lässt sich nämlich auch nur „für
heute“ verführen und bestechen und behält sich die
Zukunft und die Tugend vor! Die Individuen, diese wahren
An- und Für-sich’s, sorgen, wie bekannt, mehr für den
Augenblick, als ihre Gegensätze, die Heerden-Menschen,
weil sie sich selber für ebenso unberechenbar halten wie
die Zukunft; ebenso knüpfen sie sich gerne an
Gewaltmenschen an, weil sie sich Handlungen und
Auskünfte zutrauen, die bei der Menge weder auf
Verständniss noch auf Gnade rechnen können, — aber der
Tyrann oder Cäsar versteht das Recht des Individuums
auch in seiner Ausschreitung und hat ein Interesse
daran, einer kühneren Privatmoral das Wort zu reden und
selbst die Hand zu bieten. Denn er denkt von sich und
will über sich gedacht haben, was Napoleon einmal in
seiner classischen Art und Weise ausgesprochen hat: „ich
habe das Recht, auf Alles, worüber man gegen mich Klage
führt, durch ein ewiges „Das-bin-ich“ zu antworten. Ich
bin abseits von aller Welt, ich nehme von Niemandem
Bedingungen an. Ich will, dass man sich auch meinen
Phantasieen unterwerfe und es ganz einfach finde, wenn
ich mich diesen oder jenen Zerstreuungen hingebe.“ So
sprach Napoleon einmal zu seiner Gemahlin, als diese
Gründe hatte, die eheliche Treue ihres Gatten in Frage
zu ziehen. — Die Zeiten der Corruption sind die, in
welchen die Aepfel vom Baume fallen: ich meine die
Individuen, die Samenträger der Zukunft, die Urheber der
geistigen Colonisation und Neubildung von Staats- und
Gesellschaftsverbänden. Corruption ist nur ein
Schimpfwort für die
Herbstzeiten eines Volkes.
[24]
Verschiedene Unzufriedenheit. —
Die schwachen und gleichsam weiblichen
Unzufriedenen sind die Erfindsamen für die Verschönerung
und Vertiefung des Lebens; die starken Unzufriedenen —
die Mannspersonen unter ihnen, im Bilde zu bleiben — für
Verbesserung und Sicherung des Lebens. Die Ersteren
zeigen darin ihre Schwäche und Weiberart, dass sie sich
gerne zeitweilig täuschen lassen und wohl schon mit ein
Wenig Rausch und Schwärmerei einmal fürlieb nehmen, aber
im Ganzen nie zu befriedigen sind und an der
Unheilbarkeit ihrer Unzufriedenheit leiden; überdiess
sind sie die Förderer aller Derer, welche opiatische und
narkotische Tröstungen zu schaffen wissen, und eben
darum Jenen gram, die den Arzt höher als den Priester
schätzen, — dadurch unterhalten sie die Fortdauer der wirklichen
Nothstände! Hätte es nicht seit den Zeiten des
Mittelalters eine Ueberzahl von Unzufriedenen dieser Art
in Europa gegeben, so würde vielleicht die berühmte
europäische Fähigkeit zur beständigen Verwandelung gar nicht
entstanden sein: denn die Ansprüche der starken
Unzufriedenen sind zu grob und im Grunde zu
anspruchslos, um nicht endlich einmal zur Ruhe gebracht
werden zu können. China ist das Beispiel eines Landes,
wo die Unzufriedenheit im Grossen und die Fähigkeit der
Verwandelung seit vielen Jahrhunderten ausgestorben ist;
und die Socialisten und Staats-Götzendiener Europa’s
könnten es mit ihren Maassregeln zur Verbesserung und
Sicherung des Lebens auch in Europa leicht zu
chinesischen Zuständen und einem chinesischen „Glücke“
bringen, vorausgesetzt, dass sie hier zuerst jene
kränklichere, zartere, weiblichere, einstweilen noch
überreichlich vorhandene Unzufriedenheit und Romantik
ausrotten könnten. Europa ist ein Kranker, der seiner
Unheilbarkeit und ewigen Verwandelung seines Leidens den
höchsten Dank schuldig ist; diese beständigen neuen
Lagen, diese ebenso beständigen neuen Gefahren,
Schmerzen und Auskunftsmittel haben zuletzt eine
intellectuale Reizbarkeit erzeugt, welche beinahe so
viel, als Genie, und jedenfalls die Mutter alles Genie’s
ist.
[25]
Nicht zur Erkenntniss
vorausbestimmt. — Es giebt eine gar
nicht seltene blöde Demüthigkeit, mit der behaftet man
ein für alle Mal nicht zum Jünger der Erkenntniss taugt.
Nämlich: in dem Augenblick, wo ein Mensch dieser Art
etwas Auffälliges wahrnimmt, dreht er sich gleichsam auf
dem Fusse um und sagt sich: „Du hast dich getäuscht! Wo
hast du deine Sinne gehabt! Diess darf nicht die
Wahrheit sein!“ — und nun, statt noch einmal schärfer
hinzusehen und hinzuhören, läuft er wie eingeschüchtert
dem auffälligen Dinge aus dem Wege und sucht es sich so
schnell wie möglich aus dem Kopfe zu schlagen. Sein
innerlicher Kanon nämlich lautet: „Ich will Nichts
sehen, was der üblichen Meinung über die Dinge
widerspricht! Bin ich
dazu gemacht, neue Wahrheiten zu entdecken? Es
giebt schon der alten zu viele.“
[25]
Niet tot kennis (inzicht) voorbestemd. — Er
bestaat een bepaald niet zeldzame domme deemoedigheid. Wie
daarmee behept is, is eens en voorgoed ongeschikt een
leerling van de Kennis te worden. Immers: Op het ogenblik
zelf dat dit soort mensen iets opvallends waarneemt, maakt
hij op slag rechtsomkeert en zegt tot zichzelf : “Je hebt
je vergist! Waar zat je met je gedachten! (Sinne
is meerduidig) Dit kan gewoon niet waar zijn!” — en dan,
in plaats van nog eens scherper toe te zien en beter te
luisteren, gaat hij, als geïntimideerd, wat hem opgevallen
was uit de weg, en probeert het zo snel mogelijk uit zijn
hoofd te zetten. Zijn innerlijke canon luidt immers: “Ik
wil niets zien dat de gangbare opvatting over de dingen
tegenspreekt! Sinds wanneer ben Ik ervoor in
de wieg gelegd om nieuwe waarheden te ontdekken? Van de
oude zijn er toch al meer dan genoeg.”
[26]
Was heisst Leben? —
Leben — das heisst: fortwährend Etwas von sich
abstossen, das sterben will; Leben — das heisst: grausam
und unerbittlich gegen Alles sein, was schwach und alt
an uns, und nicht nur an uns, wird. Leben — das heisst
also: ohne Pietät gegen Sterbende, Elende und Greise
sein? Immerfort Mörder sein? — Und doch hat der alte
Moses gesagt: „Du sollst nicht tödten!“
[26]
Wat is leven? — Leven — dat is:
voortdurend iets van zich afstoten, dat sterven wil; Leven
— dat is: wreed en onverbiddelijk zijn tegen alles, dat
zwak en oud aan ons wordt, en niet enkel aan ons. Leven —
dat is dus: Piëteitsloos zijn jegens stervende, ellendige
en grijze mensen? Aldoor moordenaar zijn? — En toch heeft
de oude Mozes gezegd: "Gij zult niet doodslaan".
[27]
Der Entsagende. —
Was thut der Entsagende? Er strebt nach einer höheren
Welt, er will weiter und ferner und höher fliegen, als
alle Menschen der Bejahung, — er wirft Vieles weg ,
was seinen Flug beschweren würde, und Manches darunter,
was ihm nicht unwerth, nicht unliebsam ist: er opfert es
seiner Begierde zur Höhe. Dieses Opfern, dieses
Wegwerfen ist nun gerade Das, was allein sichtbar an ihm
wird: darnach giebt man ihm den Namen des Entsagenden,
und als dieser steht er vor uns, eingehüllt in seine
Kapuze und wie die Seele eines härenen Hemdes. Mit
diesem Effecte, den er auf uns macht, ist er aber wohl
zufrieden: er will vor uns seine Begierde, seinen Stolz,
seine Absicht, über
uns hinauszufliegen, verborgen halten. — Ja! Er ist
klüger, als wir dachten, und so höflich gegen uns —
dieser Bejahende! Denn das ist er gleich uns, auch indem
er entsagt.
[28]
Mit seinem Besten schaden. —
Unsere Stärken treiben uns mitunter so weit vor,
dass wir unsere Schwächen nicht mehr aushalten können
und an ihnen zu Grunde gehen: wir sehen auch wohl diesen
Ausgang voraus und wollen es trotzdem nicht anders. Da
werden wir hart gegen Das an uns, was geschont sein
will, und unsere Grösse ist auch unsere
Unbarmherzigkeit. — Ein solches Erlebniss, das wir
zuletzt mit dem Leben bezahlen müssen, ist ein
Gleichniss für das gesammte Wirken grosser Menschen auf
Andere und auf ihre Zeit: — gerade mit ihrem Besten, mit
dem, was nur sie können, richten sie viele Schwache,
Unsichere, Werdende, Wollende zu Grunde, und sind
hierdurch schädlich. Ja es kann der Fall vorkommen, dass
sie, im Ganzen gerechnet, nur schaden, weil ihr Bestes
allein von Solchen angenommen und gleichsam aufgetrunken
wird, welche an ihm, wie an einem zu starken Getränke,
ihren Verstand und ihre Selbstsucht verlieren: sie
werden so berauscht, dass sie ihre Glieder auf allen den
Irrwegen brechen müssen, wohin sie der Rausch treibt.
[29]
Die Hinzu-Lügner. —
Als man in Frankreich die Einheiten des Aristoteles zu
bekämpfen und folglich auch zu vertheidigen anfieng, da
war es wieder einmal zu sehen, was so oft zu sehen ist,
aber so ungern gesehen wird: — man log sich Gründe vor
, um derenthalben jene Gesetze bestehen sollten, blos um
sich nicht einzugestehen, dass man sich an die
Herrschaft dieser Gesetze
gewöhnt habe und es nicht mehr anders
haben wolle. Und so macht man es innerhalb jeder
herrschenden Moral und Religion und hat es von jeher
gemacht: die Gründe und die Absichten hinter der
Gewohnheit werden immer zu ihr erst hinzugelogen, wenn
Einige anfangen, die Gewohnheit zu bestreiten und nach
Gründen und Absichten zu
fragen . Hier steckt die grosse
Unehrlichkeit der Conservativen aller Zeiten: — es sind
die Hinzu-Lügner.
[29]
De erbij-leugenaars. — Toen men in
Frankrijk Aristoteles principes van eenheid* begon te
bestrijden en derhalve ook te verdedigen, was weer eens te
zien, wat zo vaak te zien is, maar zo ongaarne gezien wordt:
men loog zich zelf redenen voor, om wille
waarvan die wetten wel moesten bestaan, louter om niet te
hoeven toegeven, dat men zich aan de heerschappij van deze
wetten
gewend had en het niet anders meer
wilde. Zo doet men dat binnen iedere heersende moraal en
religie, en zo heeft men dat altijd al gedaan: de redenen en
de bedoelingen achter de gewoonte worden er altijd pas
erbij-gelogen, als enkelen de gewoonte beginnen te
bestrijden en naar redenen en bedoelingen vragen. Hier zit
de grote oneerlijkheid van de conservatieven van alle
tijden: het zijn aan-toe-leugenaars.
*'eenheid van tijd, plaats,
handeling' als een theatraal vereiste, lange tijd (ten
onrechte) toegeschreven aan Aristoteles.
[30]
Komödienspiel der Berühmten. —
Berühmte Männer, welche ihren Ruhm nöthig haben , wie zum
Beispiel alle Politiker, wählen ihre Verbündeten und
Freunde nie mehr ohne Hintergedanken: von diesem wollen
sie ein Stück Glanz und Abglanz seiner Tugend, von jenem
das Furchteinflössende gewisser bedenklicher
Eigenschaften, die Jedermann an ihm kennt, einem andern
stehlen sie den Ruf seines Müssigganges, seines
In-der-Sonne-liegens, weil es ihren eigenen Zwecken
frommt, zeitweilig für unachtsam und träge zu gelten: —
es verdeckt, dass sie auf der Lauer liegen; bald
brauchen sie den Phantasten, bald den Kenner, bald den
Grübler, bald den Pedanten in ihrer Nähe und gleichsam
als ihr gegenwärtiges Selbst, aber eben so bald brauchen
sie dieselben nicht mehr! Und so sterben fortwährend
ihre Umgebungen und Aussenseiten ab, während Alles sich
in diese Umgebung zu drängen scheint und zu ihrem
„Charakter“ werden will: darin gleichen sie den grossen
Städten. Ihr Ruf ist fortwährend im Wandel wie ihr
Charakter, denn ihre wechselnden Mittel verlangen diesen
Wechsel, und schieben bald diese, bald jene wirkliche
oder erdichtete Eigenschaft hervor und auf die Bühne
hinaus : ihre
Freunde und Verbündeten gehören, wie gesagt, zu diesen
Bühnen-Eigenschaften. Dagegen muss Das, was sie wollen,
um so mehr fest und ehern und weithin glänzend stehen
bleiben, — und auch diess hat bisweilen seine Komödie
und sein Bühnenspiel nöthig.
[31]
Handel und Adel. —
Kaufen und verkaufen gilt jetzt als gemein, wie die
Kunst des Lesens und Schreibens; Jeder ist jetzt darin
eingeübt, selbst wenn er kein Handelsmann ist, und übt
sich noch an jedem Tage in dieser Technik: ganz wie
ehemals, im Zeitalter der wilderen Menschheit, Jedermann
Jäger war und sich Tag für Tag in der Technik der Jagd
übte. Damals war die Jagd gemein: aber wie diese endlich
ein Privilegium der Mächtigen und Vornehmen wurde und
damit den Charakter der Alltäglichkeit und Gemeinheit
verlor — dadurch, dass sie aufhörte nothwendig zu sein
und eine Sache der Laune und des Luxus wurde: — so
könnte es irgendwann einmal mit dem Kaufen und Verkaufen
werden. Es sind Zustände der Gesellschaft denkbar, wo
nicht verkauft und gekauft wird und wo die
Nothwendigkeit dieser Technik allmählich ganz verloren
geht: vielleicht, dass dann Einzelne, welche dem Gesetze
des allgemeinen Zustandes weniger unterworfen sind, sich
dann das Kaufen und Verkaufen wie einen Luxus der Empfindung
erlauben. Dann erst bekäme der Handel Vornehmheit, und
die Adeligen würden sich dann vielleicht ebenso gern mit
dem Handel abgeben, wie bisher mit dem Kriege und der
Politik: während umgekehrt die Schätzung der Politik
sich dann völlig geändert haben könnte. Schon jetzt hört
sie auf, das Handwerk des Edelmannes zu sein: und es
wäre möglich, dass man sie eines Tages so gemein fände,
um sie, gleich aller Partei- und Tageslitteratur, unter
die Rubrik „Prostitution des Geistes“ zu bringen.
[32]
Unerwünschte Jünger. —
Was soll ich mit diesen beiden Jünglingen machen! rief
mit Unmuth ein Philosoph, welcher die Jugend „verdarb“,
wie Sokrates sie einst verdorben hat, — es sind mir
unwillkommene Schüler. Der da kann nicht Nein sagen und
Jener sagt zu Allem: „Halb und halb.“ Gesetzt, sie
ergriffen meine Lehre, so würde der Erstere zu viel
leiden , denn meine
Denkweise erfordert eine kriegerische Seele, ein
Wehethun-Wollen, eine Lust am Neinsagen, eine harte
Haut, — er würde an offenen und inneren Wunden dahin
siechen. Und der Andere wird sich aus jeder Sache, die
er vertritt, eine Mittelmässigkeit zurecht machen und
sie dergestalt zur Mittelmässigkeit machen, — einen
solchen Jünger wünsche ich meinem Feinde.
[33]
Ausserhalb des Hörsaales. —
„Um Ihnen zu beweisen, dass der Mensch im Grunde zu
den gutartigen Thieren gehört, würde ich Sie daran
erinnern, wie leichtgläubig er so lange gewesen ist.
Jetzt erst ist er, ganz spät und nach ungeheurer
Selbstüberwindung, ein
misstrauisches Thier geworden, — ja!
der Mensch ist jetzt böser als je.“ — Ich verstehe diess
nicht: warum sollte der Mensch jetzt misstrauischer und
böser sein? — „Weil er jetzt eine Wissenschaft hat, —
nöthig hat!“ —
[34]
Historia abscondita. —
Jeder grosse Mensch hat eine rückwirkende Kraft: alle
Geschichte wird um seinetwillen wieder auf die Wage
gestellt, und tausend Geheimnisse der Vergangenheit
kriechen aus ihren Schlupfwinkeln — hinein in seine Sonne. Es ist gar
nicht abzusehen, was Alles einmal noch Geschichte sein
wird. Die Vergangenheit ist vielleicht immer noch
wesentlich unentdeckt! Es bedarf noch so vieler
rückwirkender Kräfte!
[35]
Ketzerei und Hexerei. —
Anders denken, als Sitte ist — das ist lange nicht so
sehr die Wirkung eines besseren Intellectes, als die
Wirkung starker, böser Neigungen, loslösender,
isolirender, trotziger, schadenfroher, hämischer
Neigungen. Die Ketzerei ist das Seitenstück zur Hexerei
und gewiss ebensowenig, als diese, etwas Harmloses oder
gar an sich selber Verehrungswürdiges. Die Ketzer und
die Hexen sind zwei Gattungen böser Menschen: gemeinsam
ist ihnen, dass sie sich auch als böse fühlen, dass aber
ihre unbezwingliche Lust ist, an dem, was herrscht
(Menschen oder Meinungen), sich schädigend auszulassen.
Die Reformation, eine Art Verdoppelung des
mittelalterlichen Geistes, zu einer Zeit, als er bereits
das gute Gewissen nicht mehr bei sich hatte, brachte sie
beide in grösster Fülle hervor.
[36]
Letzte Worte. —
Man wird sich erinnern, dass der Kaiser Augustus, jener
fürchterliche Mensch, der sich ebenso in der Gewalt
hatte und der ebenso schweigen konnte wie irgend ein
weiser Sokrates, mit seinem letzten Worte indiscret
gegen sich selber wurde: er liess zum ersten Male seine
Maske fallen, als er zu verstehen gab, dass er eine
Maske getragen und eine Komödie gespielt habe, — er
hatte den Vater des Vaterlandes und die Weisheit auf dem
Throne gespielt, gut bis zur Illusion! Plaudite amici,
comoedia finita est! — Der Gedanke des sterbenden Nero:
qualis artifex pereo! war auch der Gedanke des
sterbenden Augustus: Histrionen-Eitelkeit!
Histrionen-Schwatzhaftigkeit! Und recht das Gegenstück
zum sterbenden Sokrates! — Aber Tiberius starb
schweigsam, dieser gequälteste aller Selbstquäler, —
der war ächt und
kein Schauspieler! Was mag dem wohl zuletzt durch den
Kopf gegangen sein! Vielleicht diess: „Das Leben — das
ist ein langer Tod. Ich Narr, der ich so Vielen das
Leben verkürzte! War ich
dazu gemacht, ein Wohltäter zu sein? Ich
hätte ihnen das ewige Leben geben sollen: so hätte ich
sie ewig sterben sehen
können. Dafür
hatte ich ja so gute Augen: qualis spectator
pereo!“ Als er nach einem langen Todeskampfe doch wieder
zu Kräften zu kommen schien, hielt man es für rathsam,
ihn mit Bettkissen zu ersticken, — er starb eines
doppelten Todes.
[37]
Aus drei Irrthümern. —
Man hat in den letzten Jahrhunderten die Wissenschaft
gefördert, theils weil man mit ihr und durch sie Gottes
Güte und Weisheit am besten zu verstehen hoffte — das
Hauptmotiv in der Seele der grossen Engländer (wie
Newton) —, theils weil man an die absolute Nützlichkeit
der Erkenntniss glaubte, namentlich an den innersten
Verband von Moral, Wissen und Glück — das Hauptmotiv in
der Seele der grossen Franzosen (wie Voltaire) —, theils
weil man in der Wissenschaft etwas Selbstloses,
Harmloses, Sich-selber-Genügendes, wahrhaft Unschuldiges
zu haben und zu lieben meinte, an dem die bösen Triebe
des Menschen überhaupt nicht betheiligt seien — das
Hauptmotiv in der Seele Spinoza’s, der sich als
Erkennender göttlich fühlte: also aus drei Irrthümern.
[37]
Vanuit drie misvattingen . — In de
afgelopen eeuwen heeft men de wetenschap vooruitgeholpen,
deels omdat men hoopte met en door haar Gods goedheid en
wijsheid beter te kunnen begrijpen — de belangrijkste
drijfveer in de ziel van de grote Engelsen (zoals Newton)
—, deels omdat men geloofde in het absolute nut van
kennis, met name in het innerlijke verband tussen moraal,
kennis en geluk — de belangrijkste drijfveer in de ziel
van de grote Fransen (zoals Voltaire) —, deels omdat men
dacht in de wetenschap iets onbaatzuchtigs, onschuldigs,
zichzelf-geheel-genoegzaams, echt onschuldigs te hebben en
te beminnen, (iets) waaraan de slechte aandriften van de
mens helemaal geen deel hadden — de belangrijkste
drijfveer in de ziel van Spinoza, die zich als
kenniszoeker (Erkennende) goddelijk voelde: —
ergo: vanuit drie misvattingen.
[38]
Die Explosiven. —
Erwägt man, wie explosionsbedürftig die Kraft junger
Männer daliegt, so wundert man sich nicht, sie so unfein
und so wenig wählerisch sich für diese oder jene Sache
entscheiden zu sehen: Das, was sie reizt, ist der
Anblick des Eifers, der um eine Sache ist, und gleichsam
der Anblick der brennenden Lunte, — nicht die Sache
selber. Die feineren Verführer verstehen sich desshalb
darauf, ihnen die Explosion in Aussicht zu stellen und
von der Begründung ihrer Sache abzusehen: mit Gründen
gewinnt man diese Pulverfässer nicht!
[39]
Veränderter Geschmack. —
Die Veränderung des allgemeinen Geschmackes ist
wichtiger, als die der Meinungen; Meinungen mit allen
Beweisen, Widerlegungen und der ganzen intellectuellen
Maskerade sind nur Symptome des veränderten Geschmacks
und ganz gewiss gerade Das
nicht , wofür man sie noch so häufig
anspricht, dessen Ursachen. Wie verändert sich der
allgemeine Geschmack? Dadurch, dass Einzelne, Mächtige,
Einflussreiche ohne Schamgefühl ihr hoc est ridiculum,
hoc est absurdum, also das Urtheil ihres Geschmacks und
Ekels, aussprechen und tyrannisch durchsetzen: — sie
legen damit Vielen einen Zwang auf, aus dem allmählich
eine Gewöhnung noch Mehrerer und zuletzt ein Bedürfniss Aller wird.
Dass diese Einzelnen aber anders empfinden und
„schmecken“, das hat gewöhnlich seinen Grund in einer
Absonderlichkeit ihrer Lebensweise, Ernährung,
Verdauung, vielleicht in einem Mehr oder Weniger der
anorganischen Salze in ihrem Blute und Gehirn, kurz in
der Physis: sie haben aber den Muth, sich zu ihrer
Physis zu bekennen und deren Forderungen noch in ihren
feinsten Tönen Gehör zu schenken: ihre ästhetischen und
moralischen Urtheile sind solche „feinste Töne“ der
Physis.
[39]
Veranderde smaak . —
De verandering van de algemene smaak is belangrijker dan
die van de meningen; meningen met alle bijbehorende
bewijzen, weerleggingen en de hele intellectuele maskerade
zijn slechts symptomen van de veranderde smaak en heel
beslist niet dat, waarvoor men ze maar
al te vaak nog houdt: de oorzaken ervan. Hoe verandert de
algemene smaak? Hierdoor, dat invloedrijke en machtige
enkelingen hun hoc est ridiculum , hoc est
absurdum , d.w.z. het oordeel van hun smaak en
walging, uitspreken en tiranniek doordrukken: —
daardoor leggen zij velen een dwang op, die geleidelijk
een gewenning van velen, en tenslotte een behoefte
van allen , wordt.[...]
[40]
Vom Mangel der vornehmen Form. —
Soldaten und Führer haben immer noch ein viel
höheres Verhalten zu einander, als Arbeiter und
Arbeitgeber. Einstweilen wenigstens steht alle
militärisch begründete Cultur noch hoch über aller
sogenannten industriellen Cultur: letztere in ihrer
jetzigen Gestalt ist überhaupt die gemeinste
Daseinsform, die es bisher gegeben hat. Hier wirkt
einfach das Gesetz der Noth: man will leben und muss
sich verkaufen, aber man verachtet Den, der diese Noth
ausnützt und sich den Arbeiter kauft . Es ist seltsam,
dass die Unterwerfung unter mächtige, furchterregende,
ja schreckliche Personen, unter Tyrannen und Heerführer,
bei Weitem nicht so peinlich empfunden wird, als diese
Unterwerfung unter unbekannte und uninteressante
Personen, wie es alle Grössen der Industrie sind: in dem
Arbeitgeber sieht der Arbeiter gewöhnlich nur einen
listigen, aussaugenden, auf alle Noth speculirenden Hund
von Menschen, dessen Name, Gestalt, Sitte und Ruf ihm
ganz gleichgültig sind. Den Fabricanten und
Gross-Unternehmern des Handels fehlten bisher
wahrscheinlich allzusehr alle jene Formen und Abzeichen
der höheren Rasse
, welche erst die
Personen interessant werden lassen;
hätten sie die Vornehmheit des Geburts-Adels im Blick
und in der Gebärde, so gäbe es vielleicht keinen
Socialismus der Massen. Denn diese sind im Grunde bereit
zur Sclaverei
jeder Art, vorausgesetzt, dass der Höhere über ihnen
sich beständig als höher, als zum Befehlen geboren legitimirt —
durch die vornehme Form! Der gemeinste Mann fühlt, dass
die Vornehmheit nicht zu improvisiren ist und dass er in
ihr die Frucht langer Zeiten zu ehren hat, — aber die
Abwesenheit der höheren Form und die berüchtigte
Fabricanten-Vulgarität mit rothen, feisten Händen,
bringen ihn auf den Gedanken, dass nur Zufall und Glück
hier den Einen über den Andern erhoben habe: wohlan, so
schliesst er bei sich, versuchen wir einmal den Zufall
und das Glück! Werfen wir einmal die Würfel! — und der
Socialismus beginnt.
[41]
Gegen die Reue. —
Der Denker sieht in seinen eigenen Handlungen Versuche
und Fragen, irgend worüber Aufschluss zu erhalten:
Erfolg und Misserfolg sind ihm zu allererst Antworten . Sich aber
darüber, dass Etwas missräth, ärgern oder gar Reue
empfinden — das überlässt er Denen, welche handeln, weil
es ihnen befohlen wird, und welche Prügel zu erwarten
haben, wenn der gnädige Herr mit dem Erfolg nicht
zufrieden ist.
[41]
Tegen de spijt . — De denker ziet in zijn
eigen handelingen pogingen en vragen om ergens uitsluitsel
over te krijgen: succes en mislukking zijn voor hem
allereerst antwoorden . Zich ergeren aan het
feit dat iets misgaat, of zelfs spijt hebben — dat laat
hij over aan degenen die handelen omdat het hun bevolen
wordt, en die een pak slaag te wacht staat als 'de
genadige heer' niet tevreden is met het resultaat.
[42]
Arbeit und Langeweile. —
Sich Arbeit suchen um des Lohnes willen — darin
sind sich in den Ländern der Civilisation jetzt fast
alle Menschen gleich; ihnen allen ist Arbeit ein Mittel,
und nicht selber das Ziel; wesshalb sie in der Wahl der
Arbeit wenig fein sind, vorausgesetzt, dass sie einen
reichlichen Gewinn abwirft. Nun giebt es seltenere
Menschen, welche lieber zu Grunde gehen wollen, als ohne
Lust an der
Arbeit arbeiten: jene Wählerischen, schwer zu
Befriedigenden, denen mit einem reichlichen Gewinn nicht
gedient wird, wenn die Arbeit nicht selber der Gewinn
aller Gewinne ist. Zu dieser seltenen Gattung von
Menschen gehören die Künstler und Contemplativen aller
Art, aber auch schon jene Müssiggänger, die ihr Leben
auf der Jagd, auf Reisen oder in Liebeshändeln und
Abenteuern zubringen. Alle diese wollen Arbeit und Noth,
sofern sie mit Lust verbunden ist, und die schwerste,
härteste Arbeit, wenn es sein muss. Sonst aber sind sie
von einer entschlossenen Trägheit, sei es selbst, dass
Verarmung, Unehre, Gefahr der Gesundheit und des Lebens
an diese Trägheit geknüpft sein sollte. Sie fürchten die
Langeweile nicht so sehr, als die Arbeit ohne Lust: ja,
sie haben viel Langeweile nöthig, wenn ihnen ihre Arbeit gelingen
soll. Für den Denker und für alle erfindsamen Geister
ist Langeweile jene unangenehme „Windstille“ der Seele,
welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden
vorangeht; er muss sie ertragen, muss ihre Wirkung bei
sich abwarten
: — das gerade ist es, was die geringeren Naturen
durchaus nicht von sich erlangen können! Langeweile auf
jede Weise von sich scheuchen ist gemein: wie arbeiten
ohne Lust gemein ist. Es zeichnet vielleicht die Asiaten
vor den Europäern aus, dass sie einer längeren, tieferen
Ruhe fähig sind, als diese; selbst ihre Narcotica wirken
langsam und verlangen Geduld, im Gegensatz zu der
widrigen Plötzlichkeit des europäischen Giftes, des
Alkohols.
[43]
Was die Gesetze verrathen. —
Man vergreift sich sehr, wenn man die Strafgesetze
eines Volkes studirt, als ob sie ein Ausdruck seines
Charakters wären; die Gesetze verrathen nicht Das, was
ein Volk ist, sondern Das, was ihm fremd, seltsam,
ungeheuerlich, ausländisch erscheint. Die Gesetze
beziehen sich auf die Ausnahmen der Sittlichkeit der
Sitte; und die härtesten Strafen treffen Das, was der
Sitte des Nachbarvolkes gemäss ist. So giebt es bei den
Wahabiten nur zwei Todsünden: einen anderen Gott haben
als den Wahabiten-Gott und — rauchen (es wird bei ihnen
bezeichnet als „die schmachvolle Art des Trinkens“).
„Und wie steht es mit Mord und Ehebruch?“ — fragte
erstaunt der Engländer, der diese Dinge erfuhr. „Nun,
Gott ist gnädig und barmherzig!“ — sagte der alte
Häuptling. — So gab es bei den alten Römern die
Vorstellung, dass ein Weib sich nur auf zweierlei Art
tödtlich versündigen könne: einmal durch Ehebruch,
sodann — durch Weintrinken. Der alte Cato meinte, man
habe das Küssen unter Verwandten nur desshalb zur Sitte
gemacht, um die Weiber in diesem Puncte unter Controle
zu halten; ein Kuss bedeute: riecht sie nach Wein? Man
hat wirklich Frauen, die beim Weine ertappt wurden, mit
dem Tode gestraft: und gewiss nicht nur, weil die Weiber
mitunter unter der Einwirkung des Weines alles
Nein-Sagen verlernen; die Römer fürchteten vor Allem das
orgiastische und dionysische Wesen, von dem die Weiber
des europäischen Südens damals, als der Wein noch neu in
Europa war, von Zeit zu Zeit heimgesucht wurden, als
eine ungeheuerliche Ausländerei, welche den Grund der
römischen Empfindung umwarf; es war ihnen wie ein
Verrath an Rom, wie die Einverleibung des Auslandes.
[44]
Die geglaubten Motive. —
So wichtig es sein mag, die Motive zu wissen, nach
denen wirklich die Menschheit bisher gehandelt hat:
vielleicht ist der Glaube
an diese oder jene Motive, also Das, was
die Menschheit sich selber als die eigentlichen Hebel
ihres Thuns bisher untergeschoben und eingebildet hat,
etwas noch Wesentlicheres für den Erkennenden. Das
innere Glück und Elend der Menschen ist ihnen nämlich je
nach ihrem Glauben an diese oder jene Motive zu Theil
geworden, — nicht
aber durch Das, was wirklich Motiv war! Alles diess
Letztere hat ein Interesse zweiten Ranges.
[45]
Epikur. — Ja, ich
bin stolz darauf, den Charakter Epikur’s anders zu
empfinden, als irgend Jemand vielleicht, und bei Allem,
was ich von ihm höre und lese, das Glück des Nachmittags
des Alterthums zu geniessen: — ich sehe sein Auge auf
ein weites weissliches Meer blicken, über Uferfelsen
hin, auf denen die Sonne liegt, während grosses und
kleines Gethier in ihrem Lichte spielt, sicher und ruhig
wie diess Licht und jenes Auge selber. Solch ein Glück
hat nur ein fortwährend Leidender erfinden können, das
Glück eines Auges, vor dem das Meer des Daseins stille
geworden ist, und das nun an seiner Oberfläche und an
dieser bunten, zarten, schaudernden Meeres-Haut sich
nicht mehr satt sehen kann: es gab nie zuvor eine solche
Bescheidenheit der Wollust.
[46]
Unser Erstaunen. —
Es liegt ein tiefes und gründliches Glück darin, dass
die Wissenschaft Dinge ermittelt, die Stand halten und die
immer wieder den Grund zu neuen Ermittelungen abgeben: —
es könnte ja anders sein! Ja, wir sind so sehr von all
der Unsicherheit und Phantasterei unserer Urtheile und
von dem ewigen Wandel aller menschlichen Gesetze und
Begriffe überzeugt, dass es uns eigentlich ein Erstaunen
macht, wie sehr
die Ergebnisse der Wissenschaft Stand halten!
Früher wusste man Nichts von dieser Wandelbarkeit alles
Menschlichen, die Sitte der Sittlichkeit hielt den
Glauben aufrecht, dass das ganze innere Leben des
Menschen mit ewigen Klammern an die eherne
Nothwendigkeit geheftet sei: vielleicht empfand man
damals eine ähnliche Wollust des Erstaunens, wenn man
sich Märchen und Feengeschichten erzählen liess. Das
Wunderbare that jenen Menschen so wohl, die der Regel
und der Ewigkeit mitunter wohl müde werden mochten.
Einmal den Boden verlieren! Schweben! Irren! Toll sein!
— das gehörte zum Paradies und zur Schwelgerei früherer
Zeiten: während unsere Glückseligkeit der des
Schiffbrüchigen gleicht, der an’s Land gestiegen ist und
mit beiden Füssen sich auf die alte feste Erde stellt —
staunend, dass sie nicht schwankt.
[47]
Von der Unterdrückung der
Leidenschaften. — Wenn man sich
anhaltend den Ausdruck der Leidenschaften verbietet, wie
als etwas den „Gemeinen“, den gröberen, bürgerlichen,
bäuerlichen Naturen zu Ueberlassendes, — also nicht die
Leidenschaften selber unterdrücken will, sondern nur
ihre Sprache und Gebärde: so erreicht man
nichtsdestoweniger eben Das mit , was man nicht
will: die Unterdrückung der Leidenschaften selber,
mindestens ihre Schwächung und Veränderung: — wie diess
zum belehrendsten Beispiele der Hof Ludwig’s des
Vierzehnten und Alles, was von ihm abhängig war, erlebt
hat. Das Zeitalter darauf
, erzogen in der Unterdrückung des
Ausdrucks, hatte die Leidenschaften selber nicht mehr
und ein anmuthiges, flaches, spielendes Wesen an ihrer
Stelle, — ein Zeitalter, das mit der Unfähigkeit
behaftet war, unartig zu sein: sodass selbst eine
Beleidigung nicht anders als mit verbindlichen Worten
angenommen und zurückgegeben wurde. Vielleicht giebt
unsere Gegenwart das merkwürdigste Gegenstück dazu ab:
ich sehe überall, im Leben und auf dem Theater, und
nicht am wenigsten in Allem, was geschrieben wird, das
Wohlbehagen an allen
gröberen Ausbrüchen und Gebärden der
Leidenschaft: es wird jetzt eine gewisse Convention der
Leidenschaftlichkeit verlangt, — nur nicht die
Leidenschaft selber! Trotzdem wird man sie damit zuletzt
erreichen, und unsere Nachkommen werden eine ächte Wildheit haben und
nicht nur eine Wildheit und Ungebärdigkeit der Formen.
[48]
Kenntniss der Noth. —
Vielleicht werden die Menschen und Zeiten durch Nichts
so sehr von einander geschieden, als durch den
verschiedenen Grad von Kenntniss der Noth, den sie
haben: Noth der Seele wie des Leibes. In Bezug auf
letztere sind wir Jetzigen vielleicht allesammt, trotz
unserer Gebrechen und Gebrechlichkeiten, aus Mangel an
reicher Selbst-Erfahrung Stümper und Phantasten
zugleich: im Vergleich zu einem Zeitalter der Furcht —
dem längsten aller Zeitalter —, wo der Einzelne sich
selber gegen Gewalt zu schützen hatte und um dieses
Zieles willen selber Gewaltmensch sein musste. Damals
machte ein Mann seine reiche Schule körperlicher Qualen
und Entbehrungen durch und begriff selbst in einer
gewissen Grausamkeit gegen sich, in einer freiwilligen
Uebung des Schmerzes, ein ihm nothwendiges Mittel seiner
Erhaltung; damals erzog man seine Umgebung zum Ertragen
des Schmerzes, damals fügte man gern Schmerz zu und sah
das Furchtbarste dieser Art über Andere ergehen, ohne
ein anderes Gefühl, als das der eigenen Sicherheit. Was
die Noth der Seele aber betrifft, so sehe ich mir jetzt
jeden Menschen darauf an, ob er sie aus Erfahrung oder
Beschreibung kennt; ob er diese Kenntniss zu heucheln
doch noch für nöthig hält, etwa als ein Zeichen der
feineren Bildung, oder ob er überhaupt an grosse
Seelenschmerzen im Grunde seiner Seele nicht glaubt und
es ihm bei Nennung derselben ähnlich ergeht, wie bei
Nennung grosser körperlicher Erduldungen: wobei ihm
seine Zahn- und Magenschmerzen einfallen. So aber
scheint es mir bei den Meisten jetzt zu stehen. Aus der
allgemeinen Ungeübtheit im Schmerz beiderlei Gestalt und
einer gewissen Seltenheit des Anblicks eines Leidenden
ergiebt sich nun eine wichtige Folge: man hasst jetzt
den Schmerz viel mehr, als frühere Menschen, und redet
ihm viel übler nach als je, ja, man findet schon das
Vorhandensein des Schmerzes als eines Gedankens kaum
erträglich und macht dem gesammten Dasein eine
Gewissenssache und einen Vorwurf daraus. Das Auftauchen
pessimistischer Philosophien ist durchaus nicht das
Merkmal grosser, furchtbarer Nothstände; sondern diese
Fragezeichen am Werthe alles Lebens werden in Zeiten
gemacht, wo die Verfeinerung und Erleichterung des
Daseins bereits die unvermeidlichen Mückenstiche der
Seele und des Leibes als gar zu blutig und bösartig
befindet und in der Armuth an wirklichen
Schmerz-Erfahrungen am liebsten schon quälende allgemeine Vorstellungen
als das Leid höchster Gattung erscheinen lassen
möchte. — Es gäbe schon ein Recept gegen pessimistische
Philosophien und die übergrosse Empfindlichkeit, welche
mir die eigentliche „Noth der Gegenwart“ zu sein
scheint: — aber vielleicht klingt diess Recept schon zu
grausam und würde selber unter die Anzeichen gerechnet
werden, auf Grund deren hin man jetzt urtheilt: „Das
Dasein ist etwas Böses“. Nun! Das Recept gegen „die
Noth“ lautet: Noth
.
[49]
Grossmuth und Verwandtes. —
Jene paradoxen Erscheinungen, wie die plötzliche
Kälte im Benehmen des Gemüthsmenschen, wie der Humor des
Melancholikers, wie vor Allem die Grossmuth , als eine
plötzliche Verzichtleistung auf Rache oder Befriedigung
des Neides — treten an Menschen auf, in denen eine
mächtige innere Schleuderkraft ist, an Menschen der
plötzlichen Sättigung und des plötzlichen Ekels. Ihre
Befriedigungen sind so schnell und so stark, dass diesen
sofort Ueberdruss und Widerwille und eine Flucht in den
entgegengesetzten Geschmack auf dem Fusse folgt: in
diesem Gegensatze löst sich der Krampf der Empfindung
aus, bei Diesem durch plötzliche Kälte, bei Jenem durch
Gelächter, bei einem Dritten durch Thränen und
Selbstaufopferung. Mir erscheint der Grossmüthige —
wenigstens jene Art des Grossmüthigen, die immer am
meisten Eindruck gemacht hat — als ein Mensch des
äussersten Rachedurstes, dem eine Befriedigung sich in
der Nähe zeigt und der sie so reichlich, gründlich und
bis zum letzten Tropfen
schon in der Vorstellung austrinkt,
dass ein ungeheurer schneller Ekel dieser schnellen
Ausschweifung folgt, — er erhebt sich nunmehr „über
sich“, wie man sagt, und verzeiht seinem Feinde, ja
segnet und ehrt ihn. Mit dieser Vergewaltigung seiner
selber, mit dieser Verhöhnung seines eben noch so
mächtigen Rachetriebes giebt er aber nur dem neuen
Triebe nach, der eben jetzt in ihm mächtig geworden ist
(dem Ekel), und thut diess ebenso ungeduldig und
ausschweifend wie er kurz vorher die Freude an der Rache
mit der Phantasie
vorwegnahm und gleichsam ausschöpfte.
Es ist in der Grossmuth der selbe Grad von Egoismus wie
in der Rache, aber eine andere Qualität des Egoismus.
[50]
Das Argument der Vereinsamung. —
Der Vorwurf des Gewissens ist auch beim
Gewissenhaftesten schwach gegen das Gefühl: „Diess und
Jenes ist wider die gute Sitte deiner Gesellschaft.“
Ein kalter Blick, ein verzogener Mund von Seiten Derer,
unter denen und für die man erzogen ist, wird auch vom
Stärksten noch gefürchtet
. Was wird da eigentlich gefürchtet? Die
Vereinsamung! als das Argument, welches auch die besten
Argumente für eine Person oder Sache niederschlägt! — So
redet der Heerden-Instinct aus uns.
[51]
Wahrheitssinn. —
Ich lobe mir eine jede Skepsis, auf welche mir erlaubt
ist zu antworten: „Versuchen wir’s!“ Aber ich mag von
allen Dingen und allen Fragen, welche das Experiment
nicht zulassen, Nichts mehr hören. Diess ist die Grenze
meines „Wahrheitssinnes“: denn dort hat die Tapferkeit
ihr Recht verloren.
[52]
Was Andere von uns wissen. —
Das, was wir von uns selber wissen und im
Gedächtniss haben, ist für das Glück unseres Lebens
nicht so entscheidend, wie man glaubt. Eines Tages
stürzt Das, was Andere
von uns wissen (oder zu wissen meinen) über uns her
— und jetzt erkennen wir, dass es das Mächtigere ist.
Man wird mit seinem schlechten Gewissen leichter fertig,
als mit seinem schlechten Rufe.
[52]
Wat anderen van ons weten . — Dat, wat we over
ons zelf weten en in ons geheugen bewaren, is voor ons
levensgeluk lang niet zo doorslaggevend als men denkt. Op
een dag overvalt ons wat Anderen over
ons weten (of menen te weten) — en dan beseffen we, dat
dat meer macht heeft over ons leven. Men maakt makkelijker
komaf met z'n slechte geweten, dan met een slechte naam.
[53]
Wo das Gute beginnt. —
Wo die geringe Sehkraft des Auges den bösen Trieb wegen
seiner Verfeinerung nicht mehr als solchen zu sehen
vermag, da setzt der Mensch das Reich des Guten an, und
die Empfindung, nunmehr in’s Reich des Guten
übergetreten zu sein, bringt alle die Triebe in
Miterregung, welche durch die bösen Triebe bedroht und
eingeschränkt waren, wie das Gefühl der Sicherheit, des
Behagens, des Wohlwollens. Also: je stumpfer das Auge,
desto weiter reicht das Gute! Daher die ewige Heiterkeit
des Volkes und der Kinder! Daher die Düsterkeit und der
dem schlechten Gewissen verwandte Gram der grossen
Denker!
[54]
Das Bewusstsein vom Scheine. —
Wie wundervoll und neu und zugleich wie schauerlich
und ironisch fühle ich mich mit meiner Erkenntniss zum
gesammten Dasein gestellt! Ich habe für mich entdeckt , dass die alte
Mensch- und Thierheit, ja die gesammte Urzeit und
Vergangenheit alles empfindenden Seins in mir
fortdichtet, fortliebt, forthasst, fortschliesst, — ich
bin plötzlich mitten in diesem Traume erwacht, aber nur
zum Bewusstsein, dass ich eben träume und dass ich
weiterträumen muss
, um nicht zu Grunde zu gehen: wie der Nachtwandler
weiterträumen muss, um nicht hinabzustürzen. Was ist mir
jetzt „Schein“! Wahrlich nicht der Gegensatz irgend
eines Wesens, — was weiss ich von irgend welchem Wesen
auszusagen, als eben nur die Prädicate seines Scheines!
Wahrlich nicht eine todte Maske, die man einem
unbekannten X aufsetzen und auch wohl abnehmen könnte!
Schein ist für mich das Wirkende und Lebende selber, das
soweit in seiner Selbstverspottung geht, mich fühlen zu
lassen, dass hier Schein und Irrlicht und Geistertanz
und nichts Mehr ist, — dass unter allen diesen
Träumenden auch ich, der „Erkennende“, meinen Tanz
tanze, dass der Erkennende ein Mittel ist, den irdischen
Tanz in die Länge zu ziehen und insofern zu den
Festordnern des Daseins gehört, und dass die erhabene
Consequenz und Verbundenheit aller Erkenntnisse
vielleicht das höchste Mittel ist und sein wird, die
Allgemeinheit der Träumerei und die Allverständlichkeit
aller dieser Träumenden unter einander und eben damit
die Dauer des Traumes aufrecht zu
erhalten .
[55]
Der letzte Edelsinn. —
Was macht denn „edel“? Gewiss nicht, dass man Opfer
bringt; auch der rasend Wolllüstige bringt Opfer. Gewiss
nicht, dass man überhaupt einer Leidenschaft folgt; es
giebt verächtliche Leidenschaften. Gewiss nicht, dass
man für Andere Etwas thut und ohne Selbstsucht:
vielleicht ist die Consequenz der Selbstsucht gerade bei
dem Edelsten am grössten. — Sondern dass die
Leidenschaft, die den Edeln befällt, eine Sonderheit
ist, ohne dass er um diese Sonderheit weiss: der
Gebrauch eines seltenen und singulären Maassstabes und
beinahe eine Verrücktheit: das Gefühl der Hitze in
Dingen, welche sich für alle Anderen kalt anfühlen: ein
Errathen von Werthen, für die die Wage noch nicht
erfunden ist: ein Opferbringen auf Altären, die einem
unbekannten Gotte geweiht sind: eine Tapferkeit ohne den
Willen zur Ehre: eine Selbstgenügsamkeit, welche
Ueberfluss hat und an Menschen und Dinge mittheilt.
Bisher war es also das Seltene und die Unwissenheit um
diess Seltensein, was edel machte. Dabei erwäge man
aber, dass durch diese Richtschnur alles Gewöhnte,
Nächste und Unentbehrliche, kurz, das am meisten
Arterhaltende, und überhaupt die Regel in der bisherigen
Menschheit, unbillig beurtheilt und im Ganzen verleumdet
worden ist, zu Gunsten der Ausnahmen. Der Anwalt der
Regel werden — das könnte vielleicht die letzte Form und
Feinheit sein, in welcher der Edelsinn auf Erden sich
offenbart.
[56]
Die Begierde nach Leiden. —
Denke ich an die Begierde, Etwas zu thun, wie sie
die Millionen junger Europäer fortwährend kitzelt und
stachelt, welche alle die Langeweile und sich selber
nicht ertragen können, — so begreife ich, dass in ihnen
eine Begierde, Etwas zu leiden, sein muss, um aus ihrem
Leiden einen probablen Grund zum Thun, zur That
herzunehmen. Noth ist nöthig! Daher das Geschrei der
Politiker, daher die vielen falschen, erdichteten,
übertriebenen „Nothstände“ aller möglichen Classen und
die blinde Bereitwilligkeit, an sie zu glauben. Diese
junge Welt verlangt, von
Aussen her solle — nicht etwa das Glück
— sondern das Unglück kommen oder sichtbar werden; und
ihre Phantasie ist schon voraus geschäftig, ein
Ungeheuer daraus zu formen, damit sie nachher mit einem
Ungeheuer kämpfen könne. Fühlten diese Nothsüchtigen in
sich die Kraft, von Innen her sich selber wohlzuthun,
sich selber Etwas anzuthun, so würden sie auch
verstehen, von Innen her sich eine eigene, selbsteigene
Noth zu schaffen. Ihre Erfindungen könnten dann feiner
sein und ihre Befriedigungen könnten wie gute Musik
klingen: während sie jetzt die Welt mit ihrem
Nothgeschrei und folglich gar zu oft erst mit dem
Nothgefühle
anfüllen! Sie verstehen mit sich Nichts anzufangen — und
so malen sie das Unglück Anderer an die Wand: sie haben
immer Andere nöthig! Und immer wieder andere Andere! —
Verzeihung, meine Freunde, ich habe gewagt, mein
Glück an die Wand zu
malen.
[57]
An die Realisten. —
Ihr nüchternen Menschen, die ihr euch gegen Leidenschaft
und Phantasterei gewappnet fühlt und gerne einen Stolz
und einen Zierath aus eurer Leere machen möchtet, ihr
nennt euch Realisten und deutet an, so wie euch die Welt
erscheine, so sei sie wirklich beschaffen: vor euch
allein stehe die Wirklichkeit entschleiert, und ihr
selber wäret vielleicht der beste Theil davon, — oh ihr
geliebten Bilder von Sais! Aber seid nicht auch ihr in
eurem entschleiertsten Zustande noch höchst
leidenschaftliche und dunkle Wesen, verglichen mit den
Fischen, und immer noch einem verliebten Künstler allzu
ähnlich? — und was ist für einen verliebten Künstler
„Wirklichkeit“! Immer noch tragt ihr die Schätzungen der
Dinge mit euch herum, welche in den Leidenschaften und
Verliebtheiten früherer Jahrhunderte ihren Ursprung
haben! Immer noch ist eurer Nüchternheit eine geheime
und unvertilgbare Trunkenheit einverleibt! Eure Liebe
zur „Wirklichkeit“ zum Beispiel — oh das ist eine alte
uralte „Liebe“! In jeder Empfindung, in jedem
Sinneseindruck ist ein Stück dieser alten Liebe: und
ebenso hat irgend eine Phantasterei, ein Vorurtheil,
eine Unvernunft, eine Unwissenheit, eine Furcht und was
sonst noch Alles! daran gearbeitet und gewebt. Da jener
Berg! Da jene Wolke! Was ist denn daran „wirklich“?
Zieht einmal das Phantasma und die ganze menschliche
Zuthat davon ab, ihr
Nüchternen! Ja, wenn ihr
das könntet! Wenn ihr eure Herkunft,
Vergangenheit, Vorschule vergessen könntet, — eure
gesammte Menschheit und Thierheit! Es giebt für uns
keine „Wirklichkeit“ — und auch für euch nicht, ihr
Nüchternen —, wir sind einander lange nicht so fremd,
als ihr meint, und vielleicht ist unser guter Wille,
über die Trunkenheit hinauszukommen, ebenso achtbar als
euer Glaube, der Trunkenheit überhaupt unfähig zu sein.
[58]
Nur als Schaffende! —
Diess hat mir die grösste Mühe gemacht und macht mir
noch immerfort die grösste Mühe: einzusehen, dass
unsäglich mehr daran liegt, wie die Dinge heissen ,
als was sie sind. Der Ruf, Name und Anschein, die
Geltung, das übliche Maass und Gewicht eines Dinges — im
Ursprunge zuallermeist ein Irrthum und eine
Willkürlichkeit, den Dingen übergeworfen wie ein Kleid
und seinem Wesen und selbst seiner Haut ganz fremd — ist
durch den Glauben daran und sein Fortwachsen von
Geschlecht zu Geschlecht dem Dinge allmählich gleichsam
an- und eingewachsen und zu seinem Leibe selber
geworden: der Schein von Anbeginn wird zuletzt fast
immer zum Wesen und wirkt
als Wesen! Was wäre das für ein Narr, der
da meinte, es genüge, auf diesen Ursprung und diese
Nebelhülle des Wahnes hinzuweisen, um die als wesenhaft
geltende Welt, die sogenannte „ Wirklichkeit “,
zu vernichten ! Nur
als Schaffende können wir vernichten! — Aber vergessen
wir auch diess nicht: es genügt, neue Namen und
Schätzungen und Wahrscheinlichkeiten zu schaffen, um auf
die Länge hin neue „Dinge“ zu schaffen.
[58]
Enkel door te scheppen ! — Dit heeft mij de
grootste moeite gekost en kost mij nog altijd opnieuw de
grootste moeite: In te zien dat er onnoemelijk veel meer
afhangt van hoe de dingen heten dan van wat ze
zijn. De naam, faam en schijn, de geldigheid, de
gebruikelijke maat en het gebruikelijke gewicht van een
ding — aanvankelijk meestal een dwaling en willekeurig,
als een kleed erover geworpen, vreemd aan hun wezen,
vreemd zelfs aan hun huid — zijn doordat men erin geloofde
en het van geslacht op geslacht liet voortwoekeren
langzamerhand als het ware daaraan vast- en ingegroeid, en
zijn zijn lichaam zelf geworden: de aanvankelijke schijn
wordt uiteindelijk bijna altijd het wezen, en gaat ook
als het wezen functioneren! Wat een dwaas zou dat zijn,
die denkt dat het volstaat om op deze oorsprong en deze
bedrieglijke nevelsluier te wijzen om de als wezenlijk
geldende wereld, de zogenaamde ‘werkelijkheid’, te
vernietigen ! Enkel door te scheppen kunnen wij
vernietigen! — Maar laat ons ook niet vergeten: het
volstaat nieuwe namen en waarderingen en
waarschijnlijkheden te scheppen, om op den duur nieuwe
‘dingen’ te scheppen.
[59]
Wir Künstler! —
Wenn wir ein Weib lieben, so haben wir leicht einen Hass
auf die Natur, aller der widerlichen Natürlichkeiten
gedenkend, denen jedes Weib ausgesetzt ist; gerne denken
wir überhaupt daran vorbei, aber wenn einmal unsere
Seele diese Dinge streift, so zuckt sie ungeduldig und
blickt, wie gesagt, verächtlich nach der Natur hin: —
wir sind beleidigt, die Natur scheint in unsern Besitz
einzugreifen und mit den ungeweihtesten Händen. Da macht
man die Ohren zu gegen alle Physiologie und decretirt
für sich insgeheim „ich will davon, dass der Mensch noch
etwas Anderes ist, ausser
Seele und Form , Nichts hören!“ „Der
Mensch unter der Haut“ ist allen Liebenden ein Greuel
und Ungedanke, eine Gottes- und Liebeslästerung. — Nun,
so wie jetzt noch der Liebende empfindet, in Hinsicht
der Natur und Natürlichkeit, so empfand ehedem jeder
Verehrer Gottes und seiner „heiligen Allmacht“: bei
Allem, was von der Natur gesagt wurde, durch Astronomen,
Geologen, Physiologen, Aerzte, sah er einen Eingriff in
seinen köstlichsten Besitz und folglich einen Angriff, —
und noch dazu eine Schamlosigkeit des Angreifenden! Das
„Naturgesetz “ klang ihm schon wie eine Verleumdung
Gottes; im Grunde hätte er gar zu gerne alle Mechanik
auf moralische Willens- und Willküracte zurückgeführt
gesehn: — aber weil ihm Niemand diesen Dienst erweisen
konnte, so verhehlte
er sich die Natur und Mechanik, so gut er konnte
und lebte im Traum. Oh diese Menschen von ehedem haben
verstanden zu träumen
und hatten nicht erst nöthig, einzuschlafen! — und
auch wir Menschen von heute verstehen es noch viel zu
gut, mit allem unseren guten Willen zum Wachsein und zum
Tage! Es genügt, zu lieben, zu hassen, zu begehren,
überhaupt zu empfinden, —
sofort kommt der Geist und die Kraft
des Traumes über uns, und wir steigen offenen Auges und
kalt gegen alle Gefahr auf den gefährlichsten Wegen
empor, hinauf auf die Dächer und Thürme der
Phantasterei, und ohne allen Schwindel, wie geboren zum
Klettern — wir Nachtwandler des Tages! Wir Künstler! Wir
Verhehler der Natürlichkeit! Wir Mond- und
Gottsüchtigen! Wir todtenstillen unermüdlichen Wanderer,
auf Höhen, die wir nicht als Höhen sehen, sondern als
unsere Ebenen, als unsere Sicherheiten!
[60]
Die Frauen und ihre Wirkung in die
Ferne. — Habe ich noch Ohren? Bin ich
nur noch Ohr und Nichts weiter mehr? Hier stehe ich
inmitten des Brandes der Brandung, deren weisse Flammen
bis zu meinem Fusse heraufzüngeln: — von allen Seiten
heult, droht, schreit, schrillt es auf mich zu, während
in der tiefsten Tiefe der alte Erderschütterer seine
Arie singt, dumpf wie ein brüllender Stier: er stampft
sich dazu einen solchen Erderschütterer-Tact, dass
selbst diesen verwetterten Felsunholden hier das Herz
darüber im Leibe zittert. Da, plötzlich, wie aus dem
Nichts geboren, erscheint vor dem Thore dieses
höllischen Labyrinthes, nur wenige Klafter weit
entfernt, — ein grosses Segelschiff, schweigsam wie ein
Gespenst dahergleitend. Oh diese gespenstische
Schönheit! Mit welchem Zauber fasst sie mich an! Wie?
Hat alle Ruhe und Schweigsamkeit der Welt sich hier
eingeschifft? Sitzt mein Glück selber an diesem stillen
Platze, mein glücklicheres Ich, mein zweites verewigtes
Selbst? Nicht todt sein und doch auch nicht mehr lebend?
Als ein geisterhaftes, stilles, schauendes, gleitendes,
schwebendes Mittelwesen? Dem Schiffe gleichend, welches
mit seinen weissen Segeln wie ein ungeheurer
Schmetterling über das dunkle Meer hinläuft! Ja!
Ueber das Dasein
hinlaufen! Das ist es! Das wäre es! — — Es scheint, der
Lärm hier hat mich zum Phantasten gemacht? Aller grosse
Lärm macht, dass wir das Glück in die Stille und Ferne
setzen. Wenn ein Mann inmitten seines Lärmes steht,
inmitten seiner Brandung von Würfen und Entwürfen: da
sieht er auch wohl stille zauberhafte Wesen an sich
vorübergleiten, nach deren Glück und Zurückgezogenheit
er sich sehnt, — es sind
die Frauen . Fast meint er, dort bei
den Frauen wohne sein besseres Selbst: an diesen stillen
Plätzen werde auch die lauteste Brandung zur
Todtenstille und das Leben selber zum Traume über das
Leben. Jedoch! Jedoch! Mein edler Schwärmer, es giebt
auch auf dem schönsten Segelschiffe so viel Geräusch und
Lärm und leider so viel kleinen erbärmlichen Lärm! Der
Zauber und die mächtigste Wirkung der Frauen ist, um die
Sprache der Philosophen zu reden, eine Wirkung in die
Ferne, eine actio in distans: dazu gehört aber, zuerst
und vor Allem — Distanz
!
[61]
Zu Ehren der Freundschaft. —
Dass das Gefühl der Freundschaft dem Alterthum als
das höchste Gefühl galt, höher selbst als der
gerühmteste Stolz des Selbstgenügsamen und Weisen, ja
gleichsam als dessen einzige und noch heiligere
Geschwisterschaft: diess drückt sehr gut die Geschichte
von jenem macedonischen Könige aus, der einem
weltverachtenden Philosophen Athen’s ein Talent zum
Geschenk machte und es von ihm zurückerhielt. „Wie?
sagte der König, hat er denn keinen Freund?“ Damit
wollte er sagen: „ich ehre diesen Stolz des Weisen und
Unabhängigen, aber ich würde seine Menschlichkeit noch
höher ehren, wenn der Freund in ihm den Sieg über seinen
Stolz davongetragen hätte. Vor mir hat sich der
Philosoph herabgesetzt, indem er zeigte, dass er eines
der beiden höchsten Gefühle nicht kennt, — und zwar das
höhere nicht!“
[62]
Liebe. — Die
Liebe vergiebt dem Geliebten sogar die Begierde.
[63]
Das Weib in der Musik. —
Wie kommt es, dass warme und regnerische Winde auch
die musikalische Stimmung und die erfinderische Lust der
Melodie mit sich führen? Sind es nicht die selben Winde,
welche die Kirchen füllen und den Frauen verliebte
Gedanken geben?
[63]
De vrouw in de muziek . — Hoe komt het dat warme
en regenachtige winden ook de muzikale stemming en de lust
om melodieën te verzinnen met zich meebrengen? Zouden het
dezelfde winden zijn die ook de kerken vullen en de vrouwen
verliefde gedachten inblazen?
[64]
Skeptiker. — Ich
fürchte, dass altgewordene Frauen im geheimsten
Verstecke ihres Herzens skeptischer sind, als alle
Männer: sie glauben an die Oberflächlichkeit des Daseins
als an sein Wesen, und alle Tugend und Tiefe ist ihnen
nur Verhüllung dieser „Wahrheit“, die sehr
wünschenswerthe Verhüllung eines pudendum —, also eine
Sache des Anstandes und der Scham, und nicht mehr!
[65]
Hingebung. — Es
giebt edle Frauen mit einer gewissen Armuth des Geistes,
welche, um ihre tiefste Hingebung auszudrücken , sich
nicht anders zu helfen wissen, als so, dass sie ihre
Tugend und Scham anbieten: es ist ihnen ihr Höchstes.
Und oft wird diess Geschenk angenommen, ohne so tief zu
verpflichten, als die Geberinnen voraussetzen, — eine
sehr schwermüthige Geschichte!
[66]
Die Stärke der Schwachen. —
Alle Frauen sind fein darin, ihre Schwäche zu
übertreiben, ja sie sind erfinderisch in Schwächen, um
ganz und gar als zerbrechliche Zierathen zu erscheinen,
denen selbst ein Stäubchen wehe thut: ihr Dasein soll
dem Manne seine Plumpheit zu Gemüthe führen und in’s
Gewissen schieben. So wehren sie sich gegen die Starken
und alles „Faustrecht“.
[67]
Sich selber heucheln. —
Sie liebt ihn nun und blickt seitdem mit so ruhigem
Vertrauen vor sich hin wie eine Kuh: aber wehe! Gerade
diess war seine Bezauberung, dass sie durchaus
veränderlich und unfassbar schien! Er hatte eben schon
zu viel beständiges Wetter an sich selber! Sollte sie
nicht gut thun, ihren alten Charakter zu heucheln?
Lieblosigkeit zu heucheln? Räth ihr also nicht — die
Liebe? Vivat comoedia!
[68]
Wille und Willigkeit. —
Man brachte einen Jüngling zu einem weisen Manne und
sagte: „Siehe, das ist Einer, der durch die Weiber
verdorben wird!“ Der weise Mann schüttelte den Kopf und
lächelte. „Die Männer sind es, rief er, welche die
Weiber verderben: und Alles, was die Weiber fehlen, soll
an den Männern gebüsst und gebessert werden, — denn der
Mann macht sich das Bild des Weibes, und das Weib bildet
sich nach diesem Bilde.“ — „Du bist zu mildherzig gegen
die Weiber, sagte einer der Umstehenden, du kennst sie
nicht!“ Der weise Mann antwortete: „Des Mannes Art ist
Wille, des Weibes Art Willigkeit, — so ist es das Gesetz
der Geschlechter, wahrlich! ein hartes Gesetz für das
Weib! Alle Menschen sind unschuldig für ihr Dasein, die
Weiber aber sind unschuldig im zweiten Grade: wer könnte
für sie des Oels und der Milde genug haben.“ — Was Oel!
Was Milde! rief ein Anderer aus der Menge; man muss die
Weiber besser erziehen! — „Man muss die Männer besser
erziehen,“ sagte der weise Mann und winkte dem
Jünglinge, dass er ihm folge. — Der Jüngling aber folgte
ihm nicht.
[68]
Willen en gewilligheid. — Men bracht een
jongeling naar een wijze man en zei: “Kijk, hier heb je
iemand die door de vrouwen wordt bedorven!” De wijze man
schudde zijn hoofd en glimlachte. “Het zijn de mannen,”
riep hij uit, “die de vrouwen bederven: en alles wat de
vrouwen ontbreekt, moet op de mannen verhaald en verbeterd
worden, — want de man vormt zich een beeld van de vrouw,
en de vrouw vormt zich naar dit beeld.” — “Je bent te mild
voor de vrouwen,” zei een van de omstanders, “je kent ze
niet!” De wijze man antwoordde: “De aard van de man is te
willen, de aard van de vrouw is gewilligheid, zo is de wet
van de seksen; voorwaar een harde wet voor de vrouw! Alle
mensen zijn onschuldig aan hun bestaan, maar de vrouwen
zijn onschuldig in de tweede graad: wie zou voor hen
genoeg balsem en mildheid kunnen hebben.” “Wat, balsem!
Wat, mildheid!” riep een ander uit de menigte; men moet de
vrouwen beter opvoeden! — “Men moet de mannen beter
opvoeden,” zei de wijze man en wenkte de jongeling om hem
te volgen. Maar de jongeling volgde hem niet.
[69]
Fähigkeit zur Rache. —
Dass Einer sich nicht vertheidigen kann und folglich
auch nicht will, gereicht ihm in unsern Augen noch nicht
zur Schande: aber wir schätzen Den gering, der zur Rache
weder das Vermögen noch den guten Willen hat, —
gleichgültig ob Mann oder Weib. Würde uns ein Weib
festhalten (oder wie man sagt „fesseln“) können, dem wir
nicht zutrauten, dass es unter Umständen den Dolch
(irgend eine Art von Dolch) gegen uns gut zu
handhaben wüsste? Oder gegen sich: was in einem
bestimmten Falle die empfindlichere Rache wäre (die
chinesische Rache).
[70]
Die Herrinnen der Herren. —
Eine tiefe mächtige Altstimme, wie man sie
bisweilen im Theater hört, zieht uns plötzlich den
Vorhang vor Möglichkeiten auf, an die wir für gewöhnlich
nicht glauben: wir glauben mit Einem Male daran, dass es
irgendwo in der Welt Frauen mit hohen, heldenhaften,
königlichen Seelen geben könne, fähig und bereit zu
grandiosen Entgegnungen, Entschliessungen und
Aufopferungen, fähig und bereit zur Herrschaft über
Männer, weil in ihnen das Beste vom Manne, über das
Geschlecht hinaus, zum leibhaften Ideale geworden ist.
Zwar sollen solche Stimmen nach der Absicht des Theaters
gerade nicht
diesen Begriff vom Weibe geben: gewöhnlich sollen sie
den idealen männlichen Liebhaber, zum Beispiel einen
Romeo, darstellen; aber nach meiner Erfahrung zu
urtheilen, verrechnet sich dabei das Theater und der
Musiker, der von einer solchen Stimme solche Wirkungen
erwartet, ganz regelmässig. Man glaubt nicht an
diese Liebhaber:
diese Stimmen enthalten immer noch eine Farbe des
Mütterlichen und Hausfrauenhaften, und gerade dann am
meisten, wenn Liebe in ihrem Klange ist.
[71]
Von der weiblichen Keuschheit. —
Es ist etwas ganz Erstaunliches und Ungeheures in
der Erziehung der vornehmen Frauen, ja vielleicht giebt
es nichts Paradoxeres. Alle Welt ist darüber
einverstanden, sie in eroticis so unwissend wie möglich
zu erziehen und ihnen eine tiefe Scham vor dergleichen
und die äusserste Ungeduld und Flucht beim Andeuten
dieser Dinge in die Seele zu geben. Alle „Ehre“ des
Weibes steht im Grunde nur hier auf dem Spiele: was
verziehe man ihnen sonst nicht! Aber hierin sollen sie
unwissend bis in’s Herz hinein bleiben: — sie sollen
weder Augen, noch Ohren, noch Worte, noch Gedanken für
diess ihr „Böses“ haben: ja das Wissen ist hier schon
das Böse. Und nun! Wie mit einem grausigen Blitzschlage
in die Wirklichkeit und das Wissen geschleudert werden,
mit der Ehe — und zwar durch Den, welchen sie am meisten
lieben und hochhalten: Liebe und Scham im Widerspruch
ertappen, ja Entzücken, Preisgebung, Pflicht, Mitleid
und Schrecken über die unerwartete Nachbarschaft von
Gott und Thier und was Alles sonst noch! in Einem
empfinden müssen! — Da hat man in der That sich einen
Seelen-Knoten geknüpft, der seines Gleichen sucht!
Selbst die mitleidige Neugier des weisesten
Menschenkenners reicht nicht aus, zu errathen, wie sich
dieses und jenes Weib in diese Lösung des Räthsels und
in diess Räthsel von Lösung zu finden weiss, und was für
schauerliche, weithin greifende Verdachte sich dabei in
der armen aus den Fugen gerathenen Seele regen müssen,
ja wie die letzte Philosophie und Skepsis des Weibes an
diesem Puncte ihre Anker wirft! — Hinterher das selbe
tiefe Schweigen wie vorher: und oft ein Schweigen vor
sich selber, ein Augen-Zuschliessen vor sich selber. —
Die jungen Frauen bemühen sich sehr darum, oberflächlich
und gedankenlos zu erscheinen; die feinsten unter ihnen
erheucheln eine Art Frechheit. — Die Frauen empfinden
leicht ihre Männer als ein Fragezeichen ihrer Ehre und
ihre Kinder als eine Apologie oder Busse, — sie bedürfen
der Kinder und wünschen sie sich, in einem ganz anderen
Sinne als ein Mann sich Kinder wünscht. — Kurz, man kann
nicht mild genug gegen die Frauen sein!
[72]
Die Mütter. — Die
Thiere denken anders über die Weiber, als die Menschen;
ihnen gilt das Weibchen als das productive Wesen.
Vaterliebe giebt es bei ihnen nicht, aber so Etwas wie
Liebe zu den Kindern einer Geliebten und Gewöhnung an
sie. Die Weibchen haben an den Kindern Befriedigung
ihrer Herrschsucht, ein Eigenthum, eine Beschäftigung,
etwas ihnen ganz Verständliches, mit dem man schwätzen
kann: diess Alles zusammen ist Mutterliebe, — sie ist
mit der Liebe des Künstlers zu seinem Werke zu
vergleichen. Die Schwangerschaft hat die Weiber milder,
abwartender, furchtsamer, unterwerfungslustiger gemacht;
und ebenso erzeugt die geistige Schwangerschaft den
Charakter der Contemplativen, welcher dem weiblichen
Charakter verwandt ist: — es sind die männlichen Mütter.
— Bei den Thieren gilt das männliche Geschlecht als das
schöne.
[73]
Heilige Grausamkeit. —
Zu einem Heiligen trat ein Mann, der ein eben geborenes
Kind in den Händen hielt. „Was soll ich mit dem Kinde
machen? fragte er, es ist elend, missgestaltet und hat
nicht genug Leben, um zu sterben.“ „Tödte es, rief der
Heilige mit schrecklicher Stimme, tödte es und halte es
dann drei Tage und drei Nächte lang in deinen Armen, auf
dass du dir ein Gedächtniss machest: — so wirst du nie
wieder ein Kind zeugen, wenn es nicht an der Zeit für
dich ist, zu zeugen.“ — Als der Mann diess gehört hatte,
gieng er enttäuscht davon; und Viele tadelten den
Heiligen, weil er zu einer Grausamkeit gerathen hatte,
denn er hatte gerathen, das Kind zu tödten. „Aber ist es
nicht grausamer, es leben zu lassen?“ sagte der Heilige.
[74]
Die Erfolglosen. —
Jenen armen Frauen fehlt es immer an Erfolg, welche in
Gegenwart Dessen, den sie lieben, unruhig und unsicher
werden und zu viel reden: denn die Männer werden am
sichersten durch eine gewisse heimliche und
phlegmatische Zärtlichkeit verführt.
[75]
Das dritte Geschlecht. —
„Ein kleiner Mann ist eine Paradoxie, aber doch ein
Mann, — aber die kleinen Weibchen scheinen mir, im
Vergleich mit hochwüchsigen Frauen, von einem anderen
Geschlechte zu sein“ — sagte ein alter Tanzmeister. Ein
kleines Weib ist niemals schön — sagte der alte
Aristoteles.
[76]
Die grösste Gefahr. —
Hätte es nicht allezeit eine Ueberzahl von Menschen
gegeben, welche die Zucht ihres Kopfes — ihre
„Vernünftigkeit“ — als ihren Stolz, ihre Verpflichtung,
ihre Tugend fühlten, welche durch alles Phantasiren und
Ausschweifen des Denkens beleidigt oder beschämt wurden,
als die Freunde „des gesunden Menschenverstandes“: so
wäre die Menschheit längst zu Grunde gegangen! Ueber ihr
schwebte und schwebt fortwährend als ihre grösste Gefahr
der ausbrechende Irrsinn
— das heisst eben das Ausbrechen des
Beliebens im Empfinden, Sehen und Hören, der Genuss in
der Zuchtlosigkeit des Kopfes, die Freude am
Menschen-Unverstande. Nicht die Wahrheit und Gewissheit
ist der Gegensatz der Welt des Irrsinnigen, sondern die
Allgemeinheit und Allverbindlichkeit eines Glaubens,
kurz das Nicht-Beliebige im Urtheilen. Und die grösste
Arbeit der Menschen bisher war die, über sehr viele
Dinge mit einander übereinzustimmen und sich ein
Gesetz der Uebereinstimmung
aufzulegen — gleichgültig, ob diese Dinge wahr oder
falsch sind. Diess ist die Zucht des Kopfes, welche die
Menschheit erhalten hat; — aber die Gegentriebe sind
immer noch so mächtig, dass man im Grunde von der
Zukunft der Menschheit mit wenig Vertrauen reden darf.
Fortwährend schiebt und verschiebt sich noch das Bild
der Dinge, und vielleicht von jetzt ab mehr und
schneller als je; fortwährend sträuben sich gerade die
ausgesuchtesten Geister gegen jene Allverbindlichkeit —
die Erforscher der
Wahrheit voran! Fortwährend erzeugt
jener Glaube als Allerweltsglaube einen Ekel und eine
neue Lüsternheit bei feineren Köpfen: und schon das
langsame Tempo, welches er für alle geistigen Processe
verlangt, jene Nachahmung der Schildkröte, welche hier
als die Norm anerkannt wird, macht Künstler und Dichter
zu Ueberläufern: — diese ungeduldigen Geister sind es,
in denen eine förmliche Lust am Irrsinn ausbricht, weil
der Irrsinn ein so fröhliches Tempo hat! Es bedarf also
der tugendhaften Intellecte, — ach! ich will das
unzweideutigste Wort gebrauchen — es bedarf der
tugendhaften Dummheit
, es bedarf unerschütterlicher Tactschläger des
langsamen Geistes,
damit die Gläubigen des grossen Gesammtglaubens bei
einander bleiben und ihren Tanz weitertanzen: es ist
eine Nothdurft ersten Ranges, welche hier gebietet und
fordert. Wir Andern sind
die Ausnahme und die Gefahr , — wir
bedürfen ewig der Vertheidigung! — Nun, es lässt sich
wirklich etwas zu Gunsten der Ausnahme sagen, vorausgesetzt, dass sie nie Regel werden
will .
[77]
Das Thier mit gutem Gewissen. —
Das Gemeine in Alledem, was im Süden Europa’s
gefällt — sei diess nun die italiänische Oper (zum
Beispiel Rossini’s und Bellini’s) oder der spanische
Abenteuer-Roman (uns in der französischen Verkleidung
des Gil Blas am besten zugänglich) — bleibt mir nicht
verborgen, aber es beleidigt mich nicht, ebensowenig als
die Gemeinheit, der man bei einer Wanderung durch
Pompeji und im Grunde selbst beim Lesen jedes antiken
Buches begegnet: woher kommt diess? Ist es, dass hier
die Scham fehlt und dass alles Gemeine so sicher und
seiner gewiss auftritt, wie irgend etwas Edles,
Liebliches und Leidenschaftliches in der selben Art
Musik oder Roman? „Das Thier hat sein Recht wie der
Mensch: so mag es frei herumlaufen, und du, mein lieber
Mitmensch, bist auch diess Thier noch, trotz Alledem!“ —
das scheint mir die Moral der Sache und die Eigenheit
der südländischen Humanität zu sein. Der schlechte
Geschmack hat sein Recht wie der gute, und sogar ein
Vorrecht vor ihm, falls er das grosse Bedürfniss, die
sichere Befriedigung und gleichsam eine allgemeine
Sprache, eine unbedingt verständliche Larve und Gebärde
ist: der gute, gewählte Geschmack hat dagegen immer
etwas Suchendes, Versuchtes, seines Verständnisses nicht
völlig Gewisses, — er ist und war niemals volksthümlich!
Volksthümlich ist und bleibt die Maske ! So mag denn
alles diess Maskenhafte in den Melodien und Cadenzen, in
den Sprüngen und Lustigkeiten des Rhythmus dieser Opern
dahinlaufen! Gar das antike Leben! Was versteht man von
dem, wenn man die Lust an der Maske, das gute Gewissen
alles Maskenhaften nicht versteht! Hier ist das Bad und
die Erholung des antiken Geistes: — und vielleicht war
diess Bad den seltenen und erhabenen Naturen der alten
Welt noch nöthiger, als den gemeinen. — Dagegen
beleidigt mich eine gemeine Wendung in nordischen
Werken, zum Beispiel in deutscher Musik, unsäglich. Hier
ist Scham
dabei, der Künstler ist vor sich selber hinabgestiegen
und konnte es nicht einmal verhüten, dabei zu erröthen:
wir schämen uns mit ihm und sind so beleidigt, weil wir
ahnen, dass er unseretwegen glaubte hinabsteigen zu
müssen.
[78]
Wofür wir dankbar sein sollen. —
Erst die Künstler, und namentlich die des Theaters,
haben den Menschen Augen und Ohren eingesetzt, um Das
mit einigem Vergnügen zu hören und zu sehen, was Jeder
selber ist, selber erlebt, selber will; erst sie haben
uns die Schätzung des Helden, der in jedem von allen
diesen Alltagsmenschen verborgen ist, und die Kunst
gelehrt, wie man sich selber als Held, aus der Ferne und
gleichsam vereinfacht und verklärt ansehen könne, — die
Kunst, sich vor sich selber „in Scene zu setzen“. So
allein kommen wir über einige niedrige Details an uns
hinweg! Ohne jene Kunst würden wir Nichts als
Vordergrund sein und ganz und gar im Banne jener Optik
leben, welche das Nächste und Gemeinste als ungeheuer
gross und als die Wirklichkeit an sich erscheinen lässt.
— Vielleicht giebt es ein Verdienst ähnlicher Art an
jener Religion, welche die Sündhaftigkeit jedes
einzelnen Menschen mit dem Vergrösserungsglase ansehen
hiess und aus dem Sünder einen grossen, unsterblichen
Verbrecher machte: indem sie ewige Perspectiven um ihn
beschrieb, lehrte sie den Menschen, sich aus der Ferne
und als etwas Vergangenes, Ganzes sehen.
[78]
Waarvoor we dankbaar moeten zijn. — Pas de
kunstenaars, en wel met name die van het theater, hebben
mensen ogen en oren gegeven, om met enig geneogen dàt te
horen en te zien, wat elke mens zelf is, zelf beleeft,
zelf wil; Zij hebben ons geleerd de held te waarderen die
in al die alledaagse mensen verborgen zit, en ook de kunst
om onszelf als held te zien, door ons van een afstand en
als het ware vereenvoudigd en verheerlijkt waar te nemen —
de kunst om ons voor onszelf ‘in scène te zetten’. Alleen
zo kunnen we enkele banale details die ons aankleven,
overstijgen! Zonder die kunst zouden we niets anders zijn
dan voorgrond, en zouden we volledig in de ban leven van
die optische illusie, dat het meest nabije en gewone
ontzettend groot, ja de werkelijkheid zelf, is. —
Misschien heeft ook die religie, die de zondigheid
van elke individuele mens onder het vergrootglas legde, en
de zondaar zo tot een grote, onsterfelijke misdadiger
maakte, wel een soortgelijk verdienste: door eeuwige
perspectieven om hem heen te schetsen, leerde zij de mens
zichzelf van een afstand te bekijken, d.w.z. als iets dat
voorbij gaant, als een afgerond geheel.
[79]
Reiz der Unvollkommenheit. —
Ich sehe hier einen Dichter, der, wie so mancher
Mensch, durch seine Unvollkommenheiten einen höheren
Reiz ausübt, als durch alles Das, was sich unter seiner
Hand rundet und vollkommen gestaltet, — ja er hat den
Vortheil und den Ruhm vielmehr von seinem letzten
Unvermögen, als von seiner reichen Kraft. Sein Werk
spricht es niemals ganz aus, was er eigentlich
aussprechen möchte, was er
gesehen haben möchte : es scheint, dass
er den Vorgeschmack einer Vision gehabt hat, und niemals
sie selber: — aber eine ungeheure Lüsternheit nach
dieser Vision ist in seiner Seele zurückgeblieben, und
aus ihr nimmt er seine ebenso ungeheure Beredtsamkeit
des Verlangens und Heisshungers. Mit ihr hebt er Den,
welcher ihm zuhört, über sein Werk und alle „Werke“
hinaus und giebt ihm Flügel, um so hoch zu steigen, wie
Zuhörer nie sonst steigen: und so, selber zu Dichtern
und Sehern geworden, zollen sie dem Urheber ihres
Glückes eine Bewunderung, wie als ob er sie unmittelbar
zum Schauen seines Heiligsten und Letzten geführt hätte,
wie als ob er sein Ziel erreicht und seine Vision
wirklich gesehen
und mitgetheilt hätte. Es kommt seinem Ruhme zu
Gute, nicht eigentlich an’s Ziel gekommen zu sein.
[80]
Kunst und Natur. —
Die Griechen (oder wenigstens die Athener) hörten gerne
gut reden: ja sie hatten einen gierigen Hang darnach,
der sie mehr als alles Andere von den Nicht-Griechen
unterscheidet. Und so verlangten sie selbst von der
Leidenschaft auf der Bühne, dass sie gut rede, und
liessen die Unnatürlichkeit des dramatischen Verses mit
Wonne über sich ergehen: — in der Natur ist ja die
Leidenschaft so wortkarg! so stumm und verlegen! Oder
wenn sie Worte findet, so verwirrt und unvernünftig und
sich selber zur Scham! Nun haben wir uns Alle, Dank den
Griechen, an diese Unnatur auf der Bühne gewöhnt, wie
wir jene andere Unnatur, die singende Leidenschaft
ertragen und gerne ertragen, Dank den Italiänern. — Es
ist uns ein Bedürfniss geworden, welches wir aus der
Wirklichkeit nicht befriedigen können: Menschen in den
schwersten Lagen gut und ausführlich reden zu hören: es
entzückt uns jetzt, wenn der tragische Held da noch
Worte, Gründe, beredte Gebärden und im Ganzen eine helle
Geistigkeit findet, wo das Leben sich den Abgründen
nähert, und der wirkliche Mensch meistens den Kopf und
gewiss die schöne Sprache verliert. Diese Art Abweichung von der Natur
ist vielleicht die angenehmste Mahlzeit für den Stolz
des Menschen; ihretwegen überhaupt liebt er die Kunst,
als den Ausdruck einer hohen, heldenhaften
Unnatürlichkeit und Convention. Man macht mit Recht dem
dramatischen Dichter einen Vorwurf daraus, wenn er nicht
Alles in Vernunft und Wort verwandelt, sondern immer
einen Rest Schweigen
in der Hand zurückbehält: — so wie man mit dem
Musiker der Oper unzufrieden ist, der für den höchsten
Affect nicht eine Melodie, sondern nur ein affectvolles
„natürliches“ Stammeln und Schreien zu finden weiss.
Hier soll
eben der Natur widersprochen werden! Hier soll eben der gemeine
Reiz der Illusion einem höheren Reize weichen! Die
Griechen gehen auf diesem Wege weit, weit — zum
Erschrecken weit! Wie sie die Bühne so schmal wie
möglich bilden und alle Wirkung durch tiefe Hintergründe
sich verbieten, wie sie dem Schauspieler das Mienenspiel
und die leichte Bewegung unmöglich machen und ihn in
einen feierlichen, steifen, maskenhaften Popanz
verwandeln, so haben sie auch der Leidenschaft selber
den tiefen Hintergrund genommen und ihr ein Gesetz der
schönen Rede dictirt, ja sie haben überhaupt Alles
gethan, um der elementaren Wirkung furcht- und
mitleiderweckender Bilder entgegenzuwirken: sie wollten eben nicht Furcht und Mitleid
, — Aristoteles in Ehren und höchsten
Ehren! aber er traf sicherlich nicht den Nagel,
geschweige den Kopf des Nagels, als er vom letzten Zweck
der griechischen Tragödie sprach! Man sehe sich doch die
griechischen Dichter der Tragödie darauf hin an,
was am Meisten ihren
Fleiss, ihre Erfindsamkeit, ihren Wetteifer erregt hat,
— gewiss nicht die Absicht auf Ueberwältigung der
Zuschauer durch Affecte! Der Athener gieng in’s Theater,
um schöne Reden zu hören
! Und um schöne Reden war es dem Sophokles zu thun!
— man vergebe mir diese Ketzerei! — Sehr verschieden
steht es mit der ernsten
Oper : alle ihre Meister lassen es sich
angelegen sein, zu verhüten, dass man ihre Personen
verstehe. Ein gelegentlich aufgerafftes Wort mag dem
unaufmerksamen Zuhörer zu Hülfe kommen: im Ganzen muss
die Situation sich selber erklären, — es liegt Nichts an
den Reden! — so denken sie Alle und so haben sie Alle
mit den Worten ihre Possen getrieben. Vielleicht hat es
ihnen nur an Muth gefehlt, um ihre letzte
Geringschätzung des Wortes ganz auszudrücken: ein wenig
Frechheit mehr bei Rossini und er hätte durchweg
la-la-la-la singen lassen — und es wäre Vernunft dabei
gewesen! Es soll den Personen der Oper eben nicht „auf’s
Wort“ geglaubt werden, sondern auf den Ton! Das ist der
Unterschied, das ist die schöne Unnatürlichkeit ,
derentwegen man in die Oper geht! Selbst das recitativo
secco will nicht eigentlich als Wort und Text angehört
sein: diese Art von Halbmusik soll vielmehr dem
musicalischen Ohre zunächst eine kleine Ruhe geben (die
Ruhe von der Melodie
, als dem sublimsten und desshalb auch
anstrengendsten Genusse dieser Kunst) —, aber sehr bald
etwas Anderes: nämlich eine wachsende Ungeduld, ein
wachsendes Widerstreben, eine neue Begierde nach
ganzer Musik, nach
Melodie. — Wie verhält es sich, von diesem
Gesichtspuncte aus gesehen, mit der Kunst Richard
Wagner’s? Vielleicht anders? Oft wollte es mir scheinen,
als ob man Wort und
Musik seiner Schöpfungen vor der Aufführung
auswendig gelernt haben müßte: denn ohne diess — so
schien es mir — höre
man weder die Worte noch selber die Musik.
[81]
Griechischer Geschmack. —
„Was ist Schönes daran? — sagte jener Feldmesser
nach einer Aufführung der Iphigenie — es wird Nichts
darin bewiesen!“ Sollten die Griechen so fern von diesem
Geschmacke gewesen sein? Bei Sophokles wenigstens wird
„Alles bewiesen“.
[82]
Der esprit ungriechisch. —
Die Griechen sind in allem ihrem Denken
unbeschreiblich logisch und schlicht; sie sind dessen,
wenigstens für ihre lange gute Zeit, nicht überdrüssig
geworden, wie die Franzosen es so häufig werden: welche
gar zu gerne einen kleinen Sprung in’s Gegentheil machen
und den Geist der Logik eigentlich nur vertragen, wenn
er durch eine Menge solcher kleiner Sprünge in’s
Gegentheil seine
gesellige Artigkeit, seine gesellige
Selbstverleugnung verräth. Logik erscheint ihnen als
nothwendig, wie Brod und Wasser, aber auch gleich diesen
als eine Art Gefangenenkost, sobald sie rein und allein
genossen werden sollen. In der guten Gesellschaft muss
man niemals vollständig und allein Recht haben wollen,
wie es alle reine Logik will: daher die kleine Dosis
Unvernunft in allem französischen esprit. — Der
gesellige Sinn der Griechen war bei Weitem weniger
entwickelt, als der der Franzosen es ist und war: daher
so wenig esprit bei ihren geistreichsten Männern, daher
so wenig Witz selbst bei ihren Witzbolden, daher — ach!
Man wird mir schon diese meine Sätze nicht glauben, und
wie viele der Art habe ich noch auf der Seele! — Est res
magna tacere — sagt Martial mit allen Geschwätzigen.
[83]
Uebersetzungen. —
Man kann den Grad des historischen Sinnes, welchen eine
Zeit besitzt, daran abschätzen, wie diese Zeit
Uebersetzungen macht
und vergangene Zeiten und Bücher sich einzuverleiben
sucht. Die Franzosen Corneille’s, und auch noch die der
Revolution, bemächtigten sich des römischen Alterthums
in einer Weise, zu der wir nicht den Muth mehr hätten —
Dank unserem höheren historischen Sinne. Und das
römische Alterthum selbst: wie gewaltsam und naiv
zugleich legte es seine Hand auf alles Gute und Hohe des
griechischen älteren Alterthums! Wie übersetzten sie in
die römische Gegenwart hinein! Wie verwischten sie
absichtlich und unbekümmert den Flügelstaub des
Schmetterlings Augenblick! So übersetzte Horaz hier und
da den Alcäus oder den Archilochus, so Properz den
Callimachus und Philetas (Dichter gleichen Ranges mit
Theokrit, wenn wir urtheilen dürfen ): was lag ihnen
daran, dass der eigentliche Schöpfer Diess und Jenes
erlebt und die Zeichen davon in sein Gedicht
hineingeschrieben hatte! — als Dichter waren sie dem
antiquarischen Spürgeiste, der dem historischen Sinne
voranläuft, abhold, als Dichter liessen sie diese ganz
persönlichen Dinge und Namen und Alles, was einer Stadt,
einer Küste, einem Jahrhundert als seine Tracht und
Maske zu eigen war, nicht gelten, sondern stellten flugs
das Gegenwärtige und das Römische an seine Stelle. Sie
scheinen uns zu fragen: „Sollen wir das Alte nicht für
uns neu machen und uns
in ihm zurechtlegen? Sollen wir nicht unsere Seele
diesem todten Leibe einblasen dürfen? denn todt ist er
nun einmal: wie hässlich ist alles Todte!“ — Sie kannten
den Genuss des historischen Sinnes nicht; das Vergangene
und Fremde war ihnen peinlich, und als Römern ein Anreiz
zu einer römischen Eroberung. In der That, man eroberte
damals, wenn man übersetzte, — nicht nur so, dass man
das Historische wegliess: nein, man fügte die Anspielung
auf das Gegenwärtige hinzu, man strich vor Allem den
Namen des Dichters hinweg und setzte den eigenen an
seine Stelle — nicht im Gefühl des Diebstahls, sondern
mit dem allerbesten Gewissen des imperium Romanum.
[83]
Vertalingen. Men kan de mate van historisch
besef dat een bepaalde tijd bezit, aflezen aan de wijze
waarop een tijd vertalingen maakt en
daarmee andere tijden en boeken uit het verleden probeert
in te lijven. De Fransen uit de tijd van Corneille, en ook
nog die van de Revolutie, maakten zich meester van de
Romeinse Oudheid op een manier waartoe wij niet langer de
moed zouden hebben — dankzij ons grotere historisch besef.
En de Romeinse Oudheid zelf: hoe gewelddadig en naïef
tegelijk legde zij hun hand op al het goede en hoogstaande
van de Griekse, oudere Oudheid! Hoe vertaalden ze naar het
Romeinse heden toe! Opzettelijk en naïef wisten ze
plompverloren het vlindervleugelstof af waarmee het
ogenblik was bekleed. Zo vertaalde Horatius stukken uit
Alcaeus of Archilochus, zo vertaalde Propertius
Callimachus en Philetas (een dichter van gelijke rang als
Theocritus, als u me dit oordeel veroorloofd ):
wat deerde het hen, dat de eigenlijke schepper dit of dat
beleefd had en de tekens daarvan in zijn gedicht had
neergeschreven!— Als dichters waren zij afkerig van de
antiquarische speurzin, die aan het historisch besef
voorafgaat; als dichters lieten zij al die heel
persoonlijke dingen en namen en alles, wat een stad, een
kust, een eeuw als kleding of masker zo eigen is en
herkenbaar maakt, weg, en stelden fluks het tegenwoordige
en Romeinse ervoor in de plaats. Zij schijnen ons te
vragen: 'Moeten wij het oude niet voor ons nieuw maken, en
ons zelf erin onderbrengen? Moeten wij niet onze ziel dit
dode lichaam inblazen? Want dood is het nu eenmaal: en hoe
lelijk is al wat dood is!' [...]
Opm. vlindervleugelstof
verwijst naar de kwetsbare fluweelachtige schubben waaruit
een vlindervleugel bestaat.
[84]
Vom Ursprunge der Poesie. —
Die Liebhaber des Phantastischen am Menschen,
welche zugleich die Lehre von der instinctiven Moralität
vertreten, schliessen so: „gesetzt, man habe zu allen
Zeiten den Nutzen als die höchste Gottheit verehrt,
woher dann in aller Welt ist die Poesie gekommen? —
diese Rhythmisirung der Rede, welche der Deutlichkeit
der Mittheilung eher entgegenwirkt, als förderlich ist,
und die trotzdem wie ein Hohn auf alle nützliche
Zweckmässigkeit überall auf Erden aufgeschossen ist und
noch aufschiesst! Die wildschöne Unvernünftigkeit der
Poesie widerlegt euch, ihr Utilitarier! Gerade vom
Nutzen einmal loskommen
wollen — das hat den Menschen erhoben, das hat ihn
zur Moralität und Kunst inspirirt!“ Nun ich muss hierin
einmal den Utilitariern zu Gefallen reden, — sie haben
ja so selten Recht, dass es zum Erbarmen ist! Man hatte
in jenen alten Zeiten, welche die Poesie in’s Dasein
riefen, doch die Nützlichkeit dabei im Auge und eine
sehr grosse Nützlichkeit — damals als man den Rhythmus
in die Rede dringen liess, jene Gewalt die alle Atome
des Satzes neu ordnet, die Worte wählen heisst und den
Gedanken neu färbt und dunkler, fremder, ferner macht:
freilich eine
abergläubische Nützlichkeit ! Es sollte
vermöge des Rhythmus den Göttern ein menschliches
Anliegen tiefer eingeprägt werden, nachdem man bemerkt
hatte, dass der Mensch einen Vers besser im Gedächtniss
behält, als eine ungebundene Rede; ebenfalls meinte man
durch das rhythmische Tiktak über grössere Fernen hin
sich hörbar zu machen; das rhythmisirte Gebet schien den
Göttern näher an’s Ohr zu kommen. Vor Allem aber wollte
man den Nutzen von jener elementaren Ueberwältigung
haben, welche der Mensch an sich beim Hören der Musik
erfährt: der Rhythmus ist ein Zwang; er erzeugt eine
unüberwindliche Lust, nachzugeben, mit einzustimmen;
nicht nur der Schritt der Füsse, auch die Seele selber
geht dem Tacte nach, — wahrscheinlich, so schloss man,
auch die Seele der Götter! Man versuchte sie also durch
den Rhythmus zu zwingen
und eine Gewalt über sie auszuüben: man warf ihnen
die Poesie wie eine magische Schlinge um. Es gab noch
eine wunderlichere Vorstellung: und diese gerade hat
vielleicht am mächtigsten zur Entstehung der Poesie
gewirkt. Bei den Phythagoreern erscheint sie als
philosophische Lehre und als Kunstgriff der Erziehung:
aber längst bevor es Philosophen gab, gestand man der
Musik die Kraft zu, die Affecte zu entladen, die Seele
zu reinigen, die ferocia animi zu mildern — und zwar
gerade durch das Rhythmische in der Musik. Wenn die
richtige Spannung und Harmonie der Seele verloren
gegangen war, musste man
tanzen , in dem Tacte des Sängers, —
das war das Recept dieser Heilkunst. Mit ihr stillte
Terpander einen Aufruhr, besänftigte Empedokles einen
Rasenden, reinigte Damon einen liebessiechen Jüngling;
mit ihr nahm man auch die wildgewordenen rachsüchtigen
Götter in Cur. Zuerst dadurch, dass man den Taumel und
die Ausgelassenheit ihrer Affecte auf’s Höchste trieb,
also den Rasenden toll, den Rachsüchtigen rachetrunken
machte: — alle orgiastischen Culte wollen die ferocia
einer Gottheit auf Ein Mal entladen und zur Orgie
machen, damit sie hinterher sich freier und ruhiger
fühle und den Menschen in Ruhe lasse. Melos bedeutet
seiner Wurzel nach ein Besänftigungsmittel, nicht weil
es selber sanft ist, sondern weil seine Nachwirkung
sanft macht. — Und nicht nur im Cultusliede, auch bei
dem weltlichen Liede der ältesten Zeiten ist die
Voraussetzung, dass das Rhythmische eine magische Kraft
übe, zum Beispiel beim Wasserschöpfen oder Rudern, das
Lied ist eine Bezauberung der hierbei thätig gedachten
Dämonen, es macht sie willfährig, unfrei und zum
Werkzeug des Menschen. Und so oft man handelt, hat man
einen Anlass zu singen, —
jede Handlung ist an die Beihülfe von
Geistern geknüpft: Zauberlied und Besprechung scheinen
die Urgestalt der Poesie zu sein. Wenn der Vers auch
beim Orakel verwendet wurde — die Griechen sagten, der
Hexameter sei in Delphi erfunden —, so sollte der
Rhythmus auch hier einen Zwang ausüben. Sich prophezeien
lassen — das bedeutet ursprünglich (nach der mir
wahrscheinlichen Ableitung des griechischen Wortes):
sich Etwas bestimmen lassen; man glaubt die Zukunft
erzwingen zu können dadurch, dass man Apollo für sich
gewinnt: er, der nach der ältesten Vorstellung viel
mehr, als ein vorhersehender Gott ist. So wie die Formel
ausgesprochen wird, buchstäblich und rhythmisch genau,
so bindet sie die Zukunft: die Formel aber ist die
Erfindung Apollo’s, welcher als Gott der Rhythmen auch
die Göttinnen des Schicksals binden kann. — Im Ganzen
gesehen und gefragt: gab es für die alte abergläubische
Art des Menschen überhaupt etwas Nützlicheres , als den
Rhythmus? Mit ihm konnte man Alles: eine Arbeit magisch
fördern; einen Gott nöthigen, zu erscheinen, nahe zu
sein, zuzuhören; die Zukunft sich nach seinem Willen
zurecht machen; die eigene Seele von irgend einem
Uebermaasse (der Angst, der Manie, des Mitleids, der
Rachsucht) entladen, und nicht nur die eigene Seele,
sondern die des bösesten Dämons, — ohne den Vers war man
Nichts, durch den Vers wurde man beinahe ein Gott. Ein
solches Grundgefühl lässt sich nicht mehr völlig
ausrotten, — und noch jetzt, nach Jahrtausende langer
Arbeit in der Bekämpfung solchen Aberglaubens, wird auch
der Weiseste von uns gelegentlich zum Narren des
Rhythmus, sei es auch nur darin, dass er einen Gedanken
als wahrer empfindet
, wenn er eine metrische Form hat und mit einem
göttlichen Hopsasa daher kommt. Ist es nicht eine sehr
lustige Sache, dass immer noch die ernstesten
Philosophen, so streng sie es sonst mit aller Gewissheit
nehmen, sich auf
Dichtersprüche berufen, um ihren
Gedanken Kraft und Glaubwürdigkeit zu geben? — und doch
ist es für eine Wahrheit gefährlicher, wenn der Dichter
ihr zustimmt, als wenn er ihr widerspricht! Denn wie
Homer sagt: „Viel ja lügen die Sänger!“ —
[85]
Das Gute und das Schöne. —
Die Künstler
verherrlichen fortwährend — sie thun
nichts Anderes —: und zwar alle jene Zustände und Dinge,
welche in dem Rufe stehen, dass bei ihnen und in ihnen
der Mensch sich einmal gut oder gross, oder trunken,
oder lustig, oder wohl und weise fühlen kann. Diese
ausgelesenen Dinge
und Zustände, deren Werth für das menschliche Glück als sicher und
abgeschätzt gilt, sind die Objecte der Künstler: sie
liegen immer auf der Lauer, dergleichen zu entdecken und
in’s Gebiet der Kunst hinüberzuziehen. Ich will sagen:
sie sind nicht selber die Taxatoren des Glückes und des
Glücklichen, aber sie drängen sich immer in die Nähe
dieser Taxatoren, mit der grössten Neugierde und Lust,
sich ihre Schätzungen sofort zu Nutze zu machen. So
werden sie, weil sie ausser ihrer Ungeduld auch die
grossen Lungen der Herolde und die Füsse der Läufer
haben, immer auch unter den Ersten sein, die das
neue Gute
verherrlichen, und oft als Die erscheinen , welche es
zuerst gut nennen und als gut taxiren. Diess aber ist,
wie gesagt, ein Irrthum: sie sind nur geschwinder und
lauter, als die wirklichen Taxatoren. — Und wer sind
denn diese? — Es sind die Reichen und die Müssigen.
[86]
Vom Theater. —
Dieser Tag gab mir wieder starke und hohe Gefühle, und
wenn ich an seinem Abende Musik und Kunst haben könnte,
so weiss ich wohl, welche Musik und Kunst ich nicht haben möchte,
nämlich alle jene nicht, welche ihre Zuhörer berauschen
und zu einem Augenblicke starken und hohen Gefühls
emportreiben möchte,
— jene Menschen des Alltags der Seele, die am Abende
nicht Siegern auf Triumphwägen gleichen, sondern müden
Maulthieren, an denen das Leben die Peitsche etwas zu
oft geübt hat. Was würden jene Menschen überhaupt von
„höheren Stimmungen“ wissen, wenn es nicht
rauscherzeugende Mittel und idealische Peitschenschläge
gäbe! — und so haben sie ihre Begeisterer, wie sie ihre
Weine haben. Aber was ist
mir ihr Getränk und ihre Trunkenheit!
Was braucht der Begeisterte den Wein! Vielmehr blickt er
mit einer Art von Ekel auf die Mittel und Mittler hin,
welche hier eine Wirkung ohne zureichenden Grund
erzeugen sollen, — eine Nachäffung der hohen
Seelenfluth! — Wie? Man schenkt dem Maulwurf Flügel und
stolze Einbildungen, — vor Schlafengehen, bevor er in
seine Höhle kriecht? Man schickt ihn in’s Theater und
setzt ihm grosse Gläser vor seine blinden und müden
Augen? Menschen, deren Leben keine „Handlung“, sondern
ein Geschäft ist, sitzen vor der Bühne und schauen
fremdartigen Wesen zu, denen das Leben mehr ist, als ein
Geschäft? „So ist es anständig“, sagt ihr, „so ist es
unterhaltend, so will es die Bildung!“ — Nun denn! So
fehlt mir allzuoft die Bildung: denn dieser Anblick ist
mir allzuoft ekelhaft. Wer an sich der Tragödie und
Komödie genug hat, bleibt wohl am Liebsten fern vom
Theater; oder, zur Ausnahme, der ganze Vorgang — Theater
und Publicum und Dichter eingerechnet — wird ihm zum
eigentlichen tragischen und komischen Schauspiel, sodass
das aufgeführte Stück dagegen ihm nur wenig bedeutet.
Wer Etwas wie Faust und Manfred ist, was liegt dem an
den Fausten und Manfreden des Theaters! — während es ihm
gewiss noch zu denken giebt, dass man überhaupt
dergleichen Figuren auf’s Theater bringt. Die stärksten Gedanken und
Leidenschaften vor Denen, welche des Denkens und der
Leidenschaft nicht fähig sind — aber des Rausches ! Und
jene als ein Mittel
zu diesem! Und Theater und Musik das Haschisch-Rauchen
und Betel-Kauen der Europäer! Oh wer erzählt uns die
ganze Geschichte der Narcotica! — Es ist beinahe die
Geschichte der „Bildung“, der sogenannten höheren
Bildung!
[87]
Von der Eitelkeit der Künstler. —
Ich glaube, dass die Künstler oft nicht
wissen, was sie am besten können, weil sie zu eitel sind
und ihren Sinn auf etwas Stolzeres gerichtet haben, als
diese kleinen Pflanzen zu sein scheinen, welche neu,
seltsam und schön, in wirklicher Vollkommenheit auf
ihrem Boden zu wachsen vermögen. Das letzthin Gute ihres
eigenen Gartens und Weinbergs wird von ihnen obenhin
abgeschätzt, und ihre Liebe und ihre Einsicht sind nicht
gleichen Ranges. Da ist ein Musiker, der mehr als irgend
ein Musiker darin seine Meisterschaft hat, die Töne aus
dem Reiche leidender, gedrückter, gemarterter Seelen zu
finden und auch noch den stummen Thieren Sprache zu
geben. Niemand kommt ihm gleich in den Farben des späten
Herbstes, dem unbeschreiblich rührenden Glücke eines
letzten, allerletzten, allerkürzesten Geniessens, er
kennt einen Klang für jene heimlich-unheimlichen
Mitternächte der Seele, wo Ursache und Wirkung aus den
Fugen gekommen zu sein scheinen und jeden Augenblick
Etwas „aus dem Nichts“ entstehen kann; er schöpft am
glücklichsten von Allen aus dem unteren Grunde des
menschlichen Glückes und gleichsam aus dessen
ausgetrunkenem Becher, wo die herbsten und widrigsten
Tropfen zu guter- und böserletzt mit den süssesten
zusammengelaufen sind; er kennt jenes müde Sich-schieben
der Seele, die nicht mehr springen und fliegen, ja nicht
mehr gehen kann; er hat den scheuen Blick des verhehlten
Schmerzes, des Verstehens ohne Trost, des
Abschiednehmens ohne Geständniss; ja, als der Orpheus
alles heimlichen Elendes ist er grösser, als irgend
Einer, und Manches ist durch ihn überhaupt der Kunst
hinzugefügt worden, was bisher unausdrückbar und selbst
der Kunst unwürdig erschien, und mit Worten namentlich
nur zu verscheuchen, nicht zu fassen war, — manches ganz
Kleine und Mikroskopische der Seele: ja, es ist der
Meister des ganz Kleinen. Aber er will es nicht sein! Sein
Charakter
liebt vielmehr die grossen Wände und die verwegene
Wandmalerei! Es entgeht ihm, dass sein Geist einen anderen
Geschmack und Hang hat und am liebsten still in den
Winkeln zusammengestürzter Häuser sitzt: — da,
verborgen, sich selber verborgen, malt er seine
eigentlichen Meisterstücke, welche alle sehr kurz sind,
oft nur Einen Tact lang, — da erst wird er ganz gut,
gross und vollkommen, da vielleicht allein. — Aber er
weiss es nicht! Er ist zu eitel dazu, es zu wissen.
[88]
Der Ernst um die Wahrheit. —
Ernst um die Wahrheit! Wie Verschiedenes verstehen
die Menschen bei diesen Worten! Eben die selben
Ansichten und Arten von Beweis und Prüfung, welche ein
Denker an sich wie eine Leichtfertigkeit empfindet, der
er zu seiner Scham in dieser oder jener Stunde
unterlegen ist, — eben die selben Ansichten können einem
Künstler, der auf sie stösst und mit ihnen zeitweilig
lebt, das Bewusstsein geben, jetzt habe ihn der tiefste
Ernst um die Wahrheit erfasst, und es sei
bewunderungswürdig, dass er, obschon Künstler, doch
zugleich die ernsthafteste Begierde nach dem Gegensatze
des Scheinenden zeige. So ist es möglich, dass Einer
gerade mit seinem Pathos von Ernsthaftigkeit verräth,
wie oberflächlich und genügsam sein Geist bisher im
Reiche der Erkenntniss gespielt hat. — Und ist nicht
Alles, was wir wichtig
nehmen, unser Verräther? Es zeigt, wo unsere
Gewichte liegen und wofür wir keine Gewichte besitzen.
[89]
Jetzt und ehedem. —
Was liegt an aller unsrer Kunst der Kunstwerke, wenn
jene höhere Kunst, die Kunst der Feste, uns abhanden
kommt! Ehemals waren alle Kunstwerke an der grossen
Feststrasse der Menschheit aufgestellt, als
Erinnerungszeichen und Denkmäler hoher und seliger
Momente. Jetzt will man mit den Kunstwerken die armen
Erschöpften und Kranken von der grossen Leidensstrasse
der Menschheit bei Seite locken, für ein lüsternes
Augenblickchen; man bietet ihnen einen kleinen Rausch
und Wahnsinn an.
[90]
Lichter und Schatten. —
Die Bücher und Niederschriften sind bei verschiedenen
Denkern Verschiedenes: der Eine hat im Buche die Lichter
zusammengebracht, die er geschwind aus den Strahlen
einer ihm aufleuchtenden Erkenntniss wegzustehlen und
heimzutragen wusste; ein Anderer giebt nur die Schatten,
die Nachbilder in Grau und Schwarz von dem wieder, was
Tags zuvor in seiner Seele sich aufbaute.
[91]
Vorsicht. —
Alfieri hat, wie bekannt, sehr viel gelogen, als er den
erstaunten Zeitgenossen seine Lebensgeschichte erzählte.
Er log aus jenem Despotismus gegen sich selber, den er
zum Beispiel in der Art bewies, wie er sich seine eigene
Sprache schuf und sich zum Dichter tyrannisirte: — er
hatte endlich eine strenge Form von Erhabenheit
gefunden, in welche er sein Leben und sein Gedächtniss
hineinpresste : es
wird viel Qual dabei gewesen sein. — Ich würde auch
einer Lebensgeschichte Platon’s, von ihm selber
geschrieben, keinen Glauben schenken: so wenig, als der
Rousseau’s, oder der vita nuova Dante’s.
[92]
Prosa und Poesie. —
Man beachte doch, dass die grossen Meister der Prosa
fast immer auch Dichter gewesen sind, sei es öffentlich,
oder auch nur im Geheimen und für das „Kämmerlein“; und
fürwahr, man schreibt nur
im Angesichte der Poesie gute Prosa!
Denn diese ist ein ununterbrochener artiger Krieg mit
der Poesie: alle ihre Reize bestehen darin, dass
beständig der Poesie ausgewichen und widersprochen wird;
jedes Abstractum will als Schalkheit gegen diese und wie
mit spöttischer Stimme vorgetragen sein; jede
Trockenheit und Kühle soll die liebliche Göttin in eine
liebliche Verzweifelung bringen; oft giebt es
Annäherungen, Versöhnungen des Augenblickes und dann ein
plötzliches Zurückspringen und Auslachen; oft wird der
Vorhang aufgezogen und grelles Licht hereingelassen,
während gerade die Göttin ihre Dämmerungen und dumpfen
Farben geniesst; oft wird ihr das Wort aus dem Munde
genommen und nach einer Melodie abgesungen, bei der sie
die feinen Hände vor die feinen Oehrchen hält — und so
giebt es tausend Vergnügungen des Krieges, die
Niederlagen mitgezählt, von denen die Unpoetischen, die
sogenannten Prosa-Menschen, gar Nichts wissen: — diese
schreiben und sprechen denn auch nur schlechte Prosa!
Der Krieg ist der Vater aller guten
Dinge , der Krieg ist auch der Vater
der guten Prosa! — Vier sehr seltsame und wahrhaft
dichterische Menschen waren es in diesem Jahrhundert,
welche an die Meisterschaft der Prosa gereicht haben,
für die sonst diess Jahrhundert nicht gemacht ist — aus
Mangel an Poesie, wie angedeutet. Um von Goethe
abzusehen, welchen billigerweise das Jahrhundert in
Anspruch nimmt, das ihn hervorbrachte: so sehe ich nur
Giacomo Leopardi, Prosper Mérimée, Ralph Waldo Emerson
und Walter Savage Landor, den Verfasser der Imaginary
Conversations, als würdig an, Meister der Prosa zu
heissen.
[93]
Aber warum schreibst denn du? —
A.: Ich gehöre nicht zu Denen, welche mit der
nassen Feder in der Hand
denken ; und noch weniger zu Jenen, die
sich gar vor dem offenen Tintenfasse ihren
Leidenschaften überlassen, auf ihrem Stuhle sitzend und
auf’s Papier starrend. Ich ärgere oder schäme mich alles
Schreibens; Schreiben ist für mich eine Nothdurft, —
selbst im Gleichniss davon zu reden, ist mir widerlich.
B.: Aber warum schreibst du dann? A.: Ja, mein Lieber,
im Vertrauen gesagt: ich habe bisher noch kein anderes
Mittel gefunden, meine Gedanken los zu werden. B.: Und
warum willst du sie los werden? A.: Warum ich will? Will
ich denn? Ich muss. — B.: Genug! Genug!
[94]
Wachsthum nach dem Tode. —
Jene kleinen verwegenen Worte über moralische
Dinge, welche Fontenelle in seinen unsterblichen
Todtengesprächen hinwarf, galten seiner Zeit als
Paradoxien und Spiele eines nicht unbedenklichen Witzes;
selbst die höchsten Richter des Geschmackes und des
Geistes sahen nicht mehr darin, — ja, vielleicht
Fontenelle selber nicht. Nun ereignet sich etwas
Unglaubliches: diese Gedanken werden Wahrheiten! Die
Wissenschaft beweist sie! Das Spiel wird zum Ernst! Und
wir lesen jene Dialoge mit einer anderen Empfindung, als
Voltaire und Helvetius sie lasen, und heben
unwillkürlich ihren Urheber in eine andere und
viel höhere
Rangclasse der Geister, als Jene thaten, — mit Recht?
Mit Unrecht?
[95]
Chamfort. — Dass
ein solcher Kenner der Menschen und der Menge, wie
Chamfort, eben der Menge beisprang und nicht in
philosophischer Entsagung und Abwehr seitwärts stehen
blieb, das weiss ich mir nicht anders zu erklären, als
so: Ein Instinct war in ihm stärker, als seine Weisheit,
und war nie befriedigt worden, der Hass gegen alle
Noblesse des Geblüts: vielleicht der alte nur zu
erklärliche Hass seiner Mutter, welcher durch die Liebe
zur Mutter in ihm heilig gesprochen war, — ein Instinct
der Rache von seinen Knabenjahren her, der die Stunde
erwartete, die Mutter zu rächen. Und nun hatte ihn das
Leben und sein Genie, und ach! am meisten wohl das
väterliche Blut in seinen Adern dazu verführt, eben
dieser Noblesse sich einzureihen und gleichzustellen —
viele viele Jahre lang! Endlich ertrug er aber seinen
eigenen Anblick, den Anblick des „alten Menschen“ unter
dem alten Regime nicht mehr; er gerieth in eine heftige
Leidenschaft der Busse, und in dieser zog er das
Gewand des Pöbels an, als
seine Art von härener Kutte! Sein böses
Gewissen war die Versäumniss der Rache. — Gesetzt,
Chamfort wäre damals um einen Grad mehr Philosoph
geblieben, so hätte die Revolution ihren tragischen Witz
und ihren schärfsten Stachel nicht bekommen: sie würde
als ein viel dümmeres Ereigniss gelten und keine solche
Verführung der Geister sein. Aber der Hass und die Rache
Chamfort’s erzogen ein ganzes Geschlecht: und die
erlauchtesten Menschen machten diese Schule durch. Man
erwäge doch, dass Mirabeau zu Chamfort wie zu seinem
höheren und älteren Selbst aufsah, von dem er Antriebe,
Warnungen und Richtersprüche erwartete und ertrug, —
Mirabeau, der als Mensch zu einem ganz anderen Range der
Grösse gehört, als selbst die Ersten unter den
staatsmännischen Grössen von gestern und heute. —
Seltsam, dass trotz einem solchen Freunde und
Fürsprecher — man hat ja die Briefe Mirabeau’s an
Chamfort — dieser witzigste aller Moralisten den
Franzosen fremd geblieben ist, nicht anders, als
Stendhal, der vielleicht unter allen Franzosen
dieses Jahrhunderts
die gedankenreichsten Augen und Ohren gehabt hat. Ist
es, dass Letzterer im Grunde zu viel von einem Deutschen
und Engländer an sich hatte, um den Parisern noch
erträglich zu sein? — während Chamfort, ein Mensch,
reich an Tiefen und Hintergründen der Seele, düster,
leidend, glühend, — ein Denker, der das Lachen als das
Heilmittel gegen das Leben nöthig fand, und der sich
beinahe verloren gab, an jedem Tage, wo er nicht gelacht
hatte, — vielmehr wie ein Italiäner und Blutsverwandter
Dante’s und Leopardi’s erscheint, als wie ein Franzose!
Man kennt die letzten Worte Chamfort’s: „Ah! mon ami,
sagte er zu Sieyès, je m’en vais enfin de ce monde, où
il faut que le coeur se brise ou se bronze —“. Das sind
sicherlich nicht Worte eines sterbenden Franzosen.
[96]
Zwei Redner. —
Von diesen beiden Rednern erreicht der eine die ganze
Vernunft seiner Sache nur dann, wenn er sich der
Leidenschaft überlässt: erst diese pumpt genug Blut und
Hitze ihm in’s Gehirn, um seine hohe Geistigkeit zur
Offenbarung zu zwingen. Der Andere versucht wohl hier
und da das Selbe: mit Hülfe der Leidenschaft seine Sache
volltönend, heftig und hinreissend vorzubringen, — aber
gewöhnlich mit einem schlechten Erfolge. Er redet dann
sehr bald dunkel und verwirrt, er übertreibt, macht
Auslassungen und erregt gegen die Vernunft seiner Sache
Misstrauen: ja, er selber empfindet dabei diess
Misstrauen, und daraus erklären sich plötzliche Sprünge
in die kältesten und abstossendsten Töne, welche in dem
Zuhörer einen Zweifel erregen, ob seine ganze
Leidenschaftlichkeit ächt gewesen sei. Bei ihm
überfluthet jedes Mal die Leidenschaft den Geist;
vielleicht, weil sie stärker ist, als bei dem Ersten.
Aber er ist auf der Höhe seiner Kraft, wenn er dem
andringenden Sturme seiner Empfindung widersteht und ihn
gleichsam verhöhnt: da erst tritt sein Geist ganz aus
seinem Versteck heraus, ein logischer, spöttischer,
spielender, und doch furchtbarer Geist.
[97]
Von der Geschwätzigkeit der
Schriftsteller. — Es giebt eine
Geschwätzigkeit des Zornes, — häufig bei Luther, auch
bei Schopenhauer. Eine Geschwätzigkeit aus einem zu
grossen Vorrathe von Begriffsformeln wie bei Kant. Eine
Geschwätzigkeit aus Lust an immer neuen Wendungen der
selben Sache: man findet sie bei Montaigne. Eine
Geschwätzigkeit hämischer Naturen: wer Schriften dieser
Zeit liest, wird sich hierbei zweier Schriftsteller
erinnern. Eine Geschwätzigkeit aus Lust an guten Worten
und Sprachformen: nicht selten in der Prosa Goethe’s.
Eine Geschwätzigkeit aus innerem Wohlgefallen an Lärm
und Wirrwarr der Empfindungen: zum Beispiel bei Carlyle.
[98]
Zum Ruhme Shakespeare’s. —
Das Schönste, was ich zum Ruhme Shakespeare’s,
des Menschen , zu
sagen wüsste, ist diess: er hat an Brutus geglaubt und
kein Stäubchen Misstrauens auf diese Art Tugend
geworfen! Ihm hat er seine beste Tragödie geweiht — sie
wird jetzt immer noch mit einem falschen Namen genannt
—, ihm und dem furchtbarsten Inbegriff hoher Moral.
Unabhängigkeit der Seele! — das gilt es hier! Kein Opfer
kann da zu gross sein: seinen liebsten Freund selbst
muss man ihr opfern können, und sei er noch dazu der
herrlichste Mensch, die Zierde der Welt, das Genie ohne
Gleichen, — wenn man nämlich die Freiheit als die
Freiheit grosser Seelen liebt, und durch ihn dieser Freiheit Gefahr
droht: — derart muss Shakespeare gefühlt haben! Die
Höhe, in welche er Cäsar stellt, ist die feinste Ehre,
die er Brutus erweisen konnte: so erst erhebt er dessen
inneres Problem in’s Ungeheure und ebenso die seelische
Kraft, welche diesen
Knoten zu zerhauen vermochte! — Und war
es wirklich die politische Freiheit, welche diesen
Dichter zum Mitgefühl mit Brutus trieb, — zum
Mitschuldigen des Brutus machte? Oder war die politische
Freiheit nur eine Symbolik für irgend etwas
Unaussprechbares? Stehen wir vielleicht vor irgend einem
unbekannt gebliebenen dunklen Ereignisse und Abenteuer
aus des Dichters eigener Seele, von dem er nur durch
Zeichen reden mochte? Was ist alle Hamlet-Melancholie
gegen die Melancholie des Brutus! — und vielleicht kennt
Shakespeare auch diese, wie er jene kannte, aus
Erfahrung! Vielleicht hatte auch er seine finstere
Stunde und seinen bösen Engel, gleich Brutus! — Was es
aber auch derart von Aehnlichkeiten und geheimen Bezügen
gegeben haben mag: vor der ganzen Gestalt und Tugend des
Brutus warf Shakespeare sich auf den Boden und fühlte
sich unwürdig und ferne: — das Zeugniss dafür hat er in
seine Tragödie hineingeschrieben. Zweimal hat er in ihr
einen Poeten vorgeführt und zweimal eine solche
ungeduldige und allerletzte Verachtung über ihn
geschüttet, dass es wie ein Schrei klingt, — wie der
Schrei der Selbstverachtung. Brutus, selbst Brutus
verliert die Geduld, als der Poet auftritt, eingebildet,
pathetisch, zudringlich, wie Poeten zu sein pflegen, als
ein Wesen, welches von Möglichkeiten der Grösse, auch
der sittlichen Grösse, zu strotzen scheint und es doch
in der Philosophie der That und des Lebens selten selbst
bis zur gemeinen Rechtschaffenheit bringt. „Kennt er die
Zeit, so kenn’ ich seine
Launen , — fort mit dem
Schellen-Hanswurst!“ — ruft Brutus. Man übersetze sich
diess zurück in die Seele des Poeten, der es dichtete.
[99]
Die Anhänger Schopenhauer’s. —
Was man bei der Berührung von Cultur-Völkern und
Barbaren zu sehen bekommt: dass regelmässig die
niedrigere Cultur von der höheren zuerst deren Laster,
Schwächen und Ausschweifungen annimmt, von da aus einen
Reiz auf sich ausgeübt fühlt und endlich vermittelst der
angeeigneten Laster und Schwächen Etwas von der
werthhaltigen Kraft der höheren Cultur mit auf sich
überströmen lässt: — das kann man auch in der Nähe und
ohne Reisen zu Barbaren-Völkern mit ansehen, freilich
etwas verfeinert und vergeistigt und nicht so leicht mit
Händen zu greifen. Was pflegen doch die Anhänger
Schopenhauer’s in
Deutschland von ihrem Meister zuerst anzunehmen? — als
welche, im Vergleich zu dessen überlegener Cultur, sich
barbarenhaft genug vorkommen müssen, um auch durch ihn
zuerst barbarenhaft fascinirt und verführt zu werden.
Ist es sein harter Thatsachen-Sinn, sein guter Wille zu
Helligkeit und Vernunft, der ihn oft so englisch und so
wenig deutsch erscheinen lässt? Oder die Stärke seines
intellectuellen Gewissens, das einen lebenslangen
Widerspruch zwischen Sein und Wollen aushielt und ihn dazu
zwang, sich auch in seinen Schriften beständig und fast
in jedem Puncte zu widersprechen? Oder seine
Reinlichkeit in Dingen der Kirche und des christlichen
Gottes? — denn hierin war er reinlich wie kein deutscher
Philosoph bisher, so dass er „als Voltairianer“ lebte
und starb. Oder seine unsterblichen Lehren von der
Intellectualität der Anschauung, von der Apriorität des
Causalitätsgesetzes, von der Werkzeug-Natur des
Intellects und der Unfreiheit des Willens? Nein, diess
Alles bezaubert nicht und wird nicht als bezaubernd
gefühlt: aber die mystischen Verlegenheiten und
Ausflüchte Schopenhauer’s, an jenen Stellen, wo der
Thatsachen-Denker sich vom eitlen Triebe, der
Enträthseler der Welt zu sein, verführen und verderben
liess, die unbeweisbare Lehre von Einem Willen („alle
Ursachen sind nur Gelegenheitsursachen der Erscheinung
des Willens zu dieser Zeit, an diesem Orte“, „der Wille
zum Leben ist in jedem Wesen, auch dem geringsten, ganz
und ungetheilt vorhanden, so vollständig, wie in Allen,
die je waren, sind und sein werden, zusammengenommen“),
die Leugnung des
Individuums („alle Löwen sind im Grunde
nur Ein Löwe“, „die Vielheit der Individuen ist ein
Schein“; sowie auch die
Entwicklung nur ein Schein ist: — er
nennt den Gedanken de Lamarck’s „einen genialen,
absurden Irrthum“), die Schwärmerei vom Genie („in der
ästhetischen Anschauung ist das Individuum nicht mehr
Individuum, sondern reines, willenloses, schmerzloses,
zeitloses Subject der Erkenntniss“; „das Subject, indem
es in dem angeschauten Gegenstande ganz aufgeht, ist
dieser Gegenstand selbst geworden“), der Unsinn vom
Mitleide und der in
ihm ermöglichten Durchbrechung des principii
individuationis als der Quelle aller Moralität,
hinzugerechnet solche Behauptungen „das Sterben ist
eigentlich der Zweck des Daseins“, „es lässt sich a
priori nicht geradezu die Möglichkeit ableugnen, dass
eine magische Wirkung nicht auch sollte von einem
bereits Gestorbenen ausgehen können“: diese und ähnliche
Ausschweifungen
und Laster des Philosophen werden immer am ersten
angenommen und zur Sache des Glaubens gemacht: — Laster
und Ausschweifungen sind nämlich immer am leichtesten
nachzuahmen und wollen keine lange Vorübung. Doch reden
wir von dem berühmtesten der lebenden Schopenhauerianer,
von Richard Wagner. — Ihm ist es ergangen, wie es schon
manchem Künstler ergangen ist: er vergriff sich in der
Deutung der Gestalten, die er schuf, und verkannte die
unausgesprochene Philosophie seiner eigensten Kunst.
Richard Wagner hat sich bis in die Mitte seines Lebens
durch Hegel irreführen lassen; er that das Selbe noch
einmal, als er später Schopenhauer’s Lehre aus seinen
Gestalten herauslas und mit „Wille“, „Genie“ und
„Mitleid“ sich selber zu formuliren begann. Trotzdem
wird es wahr bleiben: Nichts geht gerade so sehr wider
den Geist Schopenhauer’s, als das eigentlich Wagnerische
an den Helden Wagner’s: ich meine die Unschuld der
höchsten Selbstsucht, der Glaube an die grosse
Leidenschaft als an das Gute an sich, mit Einem Worte,
das Siegfriedhafte im Antlitze seiner Helden. „Das Alles
riecht eher noch nach Spinoza als nach mir“ — würde
vielleicht Schopenhauer sagen. So gute Gründe also
Wagner hätte, sich gerade nach anderen Philosophen
umzusehen als nach Schopenhauer: die Bezauberung, der er
in Betreff dieses Denkers unterlegen ist, hat ihn nicht
nur gegen alle anderen Philosophen, sondern sogar gegen
die Wissenschaft selber blind gemacht; immer mehr will
seine ganze Kunst sich als Seitenstück und Ergänzung der
Schopenhauerschen Philosophie geben und immer
ausdrücklicher verzichtet sie auf den höheren Ehrgeiz,
Seitenstück und Ergänzung der menschlichen Erkenntniss
und Wissenschaft zu werden. Und nicht nur reizt ihn dazu
der ganze geheimnissvolle Prunk dieser Philosophie,
welche auch einen Cagliostro gereizt haben würde: auch
die einzelnen Gebärden und die Affecte der Philosophen
waren stets Verführer! Schopenhauerisch ist zum Beispiel
Wagner’s Ereiferung über die Verderbniss der deutschen
Sprache; und wenn man hierin die Nachahmung gut heissen
sollte, so darf doch auch nicht verschwiegen werden,
dass Wagner’s Stil selber nicht wenig an all den
Geschwüren und Geschwülsten krankt, deren Anblick
Schopenhauern so wüthend machte, und dass, in Hinsicht
auf die deutsch schreibenden Wagnerianer, die Wagnerei
sich so gefährlich zu erweisen beginnt, als nur irgend
eine Hegelei sich erwiesen hat. Schopenhauerisch ist
Wagner’s Hass gegen die Juden, denen er selbst in ihrer
grössten That nicht gerecht zu werden vermag: die Juden
sind ja die Erfinder des Christenthums. Schopenhauerisch
ist der Versuch Wagner’s, das Christenthum als ein
verwehtes Korn des Buddhismus aufzufassen und für
Europa, unter zeitweiliger Annäherung an
katholisch-christliche Formeln und Empfindungen, ein
buddhistisches Zeitalter vorzubereiten. Schopenhauerisch
ist Wagner’s Predigt zu Gunsten der Barmherzigkeit im
Verkehre mit Thieren; Schopenhauer’s Vorgänger hierin
war bekanntlich Voltaire, der vielleicht auch schon,
gleich seinen Nachfolgern, seinen Hass gegen gewisse
Dinge und Menschen als Barmherzigkeit gegen Thiere zu
verkleiden wusste. Wenigstens ist Wagner’s Hass gegen
die Wissenschaft, der aus seiner Predigt spricht, gewiss
nicht vom Geiste der Mildherzigkeit und Güte eingegeben
— noch auch, wie es sich von selber versteht, vom
Geiste überhaupt. —
Zuletzt ist wenig an der Philosophie eines Künstlers
gelegen, falls sie eben nur eine nachträgliche
Philosophie ist und seiner Kunst selber keinen Schaden
thut. Man kann sich nicht genug davor hüten, einem
Künstler um einer gelegentlichen, vielleicht sehr
unglücklichen und anmaasslichen Maskerade willen gram zu
werden; vergessen wir doch nicht, dass die lieben
Künstler sammt und sonders ein wenig Schauspieler sind
und sein müssen und ohne Schauspielerei es schwerlich
auf die Länge aushielten. Bleiben wir Wagnern in dem
treu, was an ihm wahr
und ursprünglich ist, — und namentlich dadurch,
dass wir, seine Jünger, uns selber in dem treu bleiben,
was an uns wahr und ursprünglich ist. Lassen wir ihm
seine intellectuellen Launen und Krämpfe, erwägen wir
vielmehr in Billigkeit, welche seltsamen Nahrungen und
Nothdürfte eine Kunst, wie die seine, haben darf , um leben und
wachsen zu können! Es liegt Nichts daran, dass er als
Denker so oft Unrecht hat; Gerechtigkeit und Geduld sind
nicht seine
Sache. Genug, dass sein Leben vor sich selber Recht hat
und Recht behält: — dieses Leben, welches Jedem von uns
zuruft: „Sei ein Mann und folge mir nicht nach, —
sondern dir! Sondern dir!“ Auch unser Leben soll vor uns
selber Recht behalten! Auch wir sollen frei und
furchtlos, in unschuldiger Selbstigkeit aus uns selber
wachsen und blühen! Und so klingen mir, bei der
Betrachtung eines solchen Menschen, auch heute noch, wie
ehedem, diese Sätze an’s Ohr: „dass Leidenschaft besser
ist, als Stoicismus und Heuchelei, dass Ehrlich-sein,
selbst im Bösen, besser ist, als sich selber an die
Sittlichkeit des Herkommens verlieren, dass der freie
Mensch sowohl gut als böse sein kann, dass aber der
unfreie Mensch eine Schande der Natur ist, und an keinem
himmlischen noch irdischen Troste Antheil hat; endlich
dass Jeder, der frei
werden will, es durch sich selber werden muss
, und dass Niemandem die Freiheit als ein Wundergeschenk
in den Schooss fällt“. (Richard Wagner in Bayreuth S.
94.)
[100]
Huldigen lernen. —
Auch das Huldigen müssen die Menschen lernen wie das
Verachten. Jeder, der auf neuen Bahnen geht und Viele
auf neue Bahnen geführt hat, entdeckt mit Staunen, wie
ungeschickt und arm diese Vielen im Ausdruck ihrer
Dankbarkeit sind, ja wie selten sich überhaupt auch nur
die Dankbarkeit äussern
kann . Es ist als ob ihr immer, wenn
sie einmal reden will, Etwas in die Kehle komme, sodass
sie sich nur räuspert und im Räuspern wieder verstummt.
Die Art, wie ein Denker die Wirkung seiner Gedanken und
ihre umbildende und erschütternde Gewalt zu spüren
bekommt, ist beinahe eine Komödie; mitunter hat es das
Ansehen, als ob Die, auf welche gewirkt worden ist, sich
im Grunde dadurch beleidigt fühlten und ihre, wie sie
fürchten, bedrohte Selbständigkeit nur in allerlei
Unarten zu äussern wüssten. Es bedarf ganzer
Geschlechter, um auch nur eine höfliche Convention des
Dankes zu erfinden: und erst sehr spät kommt jener
Zeitpunct, wo selbst in die Dankbarkeit eine Art Geist
und Genialität gefahren ist: dann ist gewöhnlich auch
Einer da, welcher der grosse Dank-Empfänger ist, nicht
nur für Das, was er selber Gutes gethan hat, sondern
zumeist für Das, was von seinen Vorgängern als ein
Schatz des Höchsten und Besten allmählich aufgehäuft
worden ist.
[101]
Voltaire. —
Ueberall, wo es einen Hof gab, hat er das Gesetz des
Gut-Sprechens und damit auch das Gesetz des Stils für
alle Schreibenden gegeben. Die höfische Sprache ist aber
die Sprache des Höflings,
der kein Fach hat und der sich selbst
in Gesprächen über wissenschaftliche Dinge alle bequemen
technischen Ausdrücke verbietet, weil sie nach dem Fache
schmecken, desshalb ist der technische Ausdruck und
Alles, was den Specialisten verräth, in den Ländern
einer höfischen Cultur ein
Flecken des Stils . Man ist jetzt, wo
alle Höfe Caricaturen von sonst und jetzt geworden sind,
erstaunt, selbst Voltaire in diesem Puncte unsäglich
spröde und peinlich zu finden (zum Beispiel in seinem
Urtheil über solche Stilisten, wie Fontenelle und
Montesquieu), — wir sind eben alle vom höfischen
Geschmack emancipirt, während Voltaire dessen Vollender war!
[102]
Ein Wort für die Philologen. —
Dass es Bücher giebt, so werthvolle und königliche,
dass ganze Gelehrten-Geschlechter gut verwendet sind,
wenn durch ihre Mühe diese Bücher rein erhalten und
verständlich erhalten werden, — diesen Glauben immer
wieder zu befestigen ist die Philologie da. Sie setzt
voraus, dass es an jenen seltenen Menschen nicht fehlt
(wenn man sie gleich nicht sieht), die so werthvolle
Bücher wirklich zu benutzen wissen: — es werden wohl die
sein, welche selber solche Bücher machen oder machen
könnten. Ich wollte sagen, die Philologie setzt einen
vornehmen Glauben voraus, — dass zu Gunsten einiger
Weniger, die immer „kommen werden“ und nicht da sind,
eine sehr grosse Menge von peinlicher, selbst unsauberer
Arbeit voraus abzuthun sei: es ist Alles Arbeit in usum
Delphinorum.
[103]
Von der deutschen Musik. —
Die deutsche Musik ist jetzt schon desshalb, mehr
als jede andere, die europäische Musik, weil in ihr
allein die Veränderung, welche Europa durch die
Revolution erfuhr, einen Ausdruck bekommen hat: nur die
deutschen Musiker verstehen sich auf den Ausdruck
bewegter Volksmassen, auf jenen ungeheuren künstlichen
Lärm, der nicht einmal sehr laut zu sein braucht, —
während zum Beispiel die italiänische Oper nur Chöre von
Bedienten oder Soldaten kennt, aber kein „Volk“. Es
kommt hinzu, dass aus aller deutschen Musik eine tiefe
bürgerliche Eifersucht auf die noblesse herauszuhören
ist, namentlich auf esprit und élégance, als den
Ausdruck einer höfischen, ritterlichen, alten, ihrer
selber sicheren Gesellschaft. Das ist keine Musik, wie
die des Goethischen Sängers vor dem Thore, die auch „im
Saale“, und zwar dem Könige wohlgefällt; da heisst es
nicht: „die Ritter schauten muthig drein und in den
Schooss die Schönen“. Schon die Grazie tritt nicht ohne
Anwandelung von Gewissensbissen in der deutschen Musik
auf; erst bei der Anmuth, der ländlichen Schwester der
Grazie, fängt der Deutsche an, sich ganz moralisch zu
fühlen — und von da an immer mehr bis hinauf zu seiner
schwärmerischen, gelehrten, oft bärbeissigen
„Erhabenheit“, der Beethoven’schen Erhabenheit. Will man
sich den Menschen zu
dieser Musik denken, nun, so denke man
sich eben Beethoven, wie er neben Goethe, etwa bei jener
Begegnung in Teplitz, erscheint: als die Halbbarbarei
neben der Cultur, als Volk neben Adel, als der gutartige
Mensch neben dem guten und mehr noch als „guten“
Menschen, als der Phantast neben dem Künstler, als der
Trostbedürftige neben dem Getrösteten, als der
Uebertreiber und Verdächtiger neben dem Billigen, als
der Grillenfänger und Selbstquäler, als der
Närrisch-Verzückte, der Selig-Unglückliche, der
Treuherzig-Maasslose, als der Anmaassliche und Plumpe —
und Alles in Allem als der „ungebändigte Mensch“: so
empfand und bezeichnete ihn Goethe selber, Goethe der
Ausnahme-Deutsche, zu dem eine ebenbürtige Musik noch
nicht gefunden ist! — Zuletzt erwäge man noch, ob nicht
jene jetzt immer mehr um sich greifende Verachtung der
Melodie und Verkümmerung des melodischen Sinnes bei
Deutschen als eine demokratische Unart und Nachwirkung
der Revolution zu verstehen ist. Die Melodie hat nämlich
eine solche offene Lust an der Gesetzlichkeit und einen
solchen Widerwillen bei allem Werdenden, Ungeformten,
Willkürlichen, dass sie wie ein Klang aus der alten Ordnung der
europäischen Dinge und wie eine Verführung und
Rückführung zu dieser klingt.
[104]
Vom Klange der deutschen Sprache.
— Man weiss, woher das Deutsch stammt,
welches seit ein paar Jahrhunderten das allgemeine
Schriftdeutsch ist. Die Deutschen, mit ihrer Ehrfurcht
vor Allem, was vom Hofe
kam, haben sich geflissentlich die Kanzleien zum
Muster genommen, in Allem, was sie zu schreiben hatten, also
namentlich in ihren Briefen, Urkunden, Testamenten und
so weiter. Kanzleimässig schreiben, das war hof- und
regierungsmässig schreiben, — das war etwas Vornehmes,
gegen das Deutsch der Stadt gehalten, in der man gerade
lebte. Allmählich zog man den Schluss und sprach auch
so, wie man schrieb, — so wurde man noch vornehmer, in
den Wortformen, in der Wahl der Worte und Wendungen und
zuletzt auch im Klange: man affectirte einen höfischen
Klang, wenn man sprach, und die Affectation wurde
zuletzt Natur. Vielleicht hat sich etwas ganz Gleiches
nirgendswo ereignet: die Uebergewalt des Schreibestils
über die Rede und die Ziererei und Vornehmthuerei eines
ganzen Volkes als Grundlage einer gemeinsamen nicht mehr
dialektischen Sprache. Ich glaube, der Klang der
deutschen Sprache war im Mittelalter, und namentlich
nach dem Mittelalter, tief bäuerisch und gemein: er hat
sich in den letzten Jahrhunderten etwas veredelt,
hauptsächlich dadurch, dass man sich genöthigt fand, so
viel französische, italiänische und spanische Klänge
nachzuahmen und zwar gerade von Seiten des deutschen
(und österreichischen) Adels, der mit der Muttersprache
sich durchaus nicht begnügen konnte. Aber für Montaigne
oder gar Racine muss trotz dieser Uebung Deutsch
unerträglich gemein geklungen haben: und selbst jetzt
klingt es, im Munde der Reisenden, mitten unter
italiänischem Pöbel, noch immer sehr roh, wälderhaft,
heiser, wie aus räucherigen Stuben und unhöflichen
Gegenden stammend. — Nun bemerke ich, dass jetzt wieder
unter den ehemaligen Bewunderern der Kanzleien ein
ähnlicher Drang nach Vornehmheit des Klanges um sich
greift, und dass die Deutschen einem ganz absonderlichen
„Klangzauber“ sich zu fügen anfangen, der auf die Dauer
eine wirkliche Gefahr für die deutsche Sprache werden
könnte, — denn abscheulichere Klänge sucht man in Europa
vergebens. Etwas Höhnisches, Kaltes, Gleichgültiges,
Nachlässiges in der Stimme: das klingt jetzt den
Deutschen „vornehm“ — und ich höre den guten Willen zu
dieser Vornehmheit in den Stimmen der jungen Beamten,
Lehrer, Frauen, Kaufleute; ja die kleinen Mädchen machen
schon dieses Offizierdeutsch nach. Denn der Offizier,
und zwar der preussische, ist der Erfinder dieser
Klänge: dieser selbe Offizier, der als Militär und Mann
des Fachs jenen bewunderungswürdigen Tact der
Bescheidenheit besitzt, an dem die Deutschen allesammt
zu lernen hätten (die deutschen Professoren und
Musicanten eingerechnet!). Aber sobald er spricht und
sich bewegt, ist er die unbescheidenste und
geschmackwidrigste Figur im alten Europa — sich selber
unbewusst, ohne allen Zweifel! Und auch den guten
Deutschen unbewusst, die in ihm den Mann der ersten und
vornehmsten Gesellschaft anstaunen und sich gerne „den
Ton von ihm angeben“ lassen. Das thut er denn auch! —
und zunächst sind es die Feldwebel und Unteroffiziere,
welche seinen Ton nachahmen und vergröbern. Man gebe
Acht auf die Commandorufe, von denen die deutschen
Städte förmlich umbrüllt werden, jetzt wo man vor allen
Thoren exerciert: welche Anmaassung, welches wüthende
Autoritätsgefühl, welche höhnische Kälte klingt aus
diesem Gebrüll heraus! Sollten die Deutschen wirklich
ein musicalisches Volk sein? — Sicher ist, dass die
Deutschen sich jetzt im Klange ihrer Sprache
militarisiren: wahrscheinlich ist, dass sie, eingeübt
militärisch zu sprechen, endlich auch militärisch
schreiben werden. Denn die Gewohnheit an bestimmte
Klänge greift tief in den Charakter: — man hat bald die
Worte und Wendungen und schliesslich auch die Gedanken,
welche eben zu diesem Klange passen! Vielleicht schreibt
man jetzt schon offiziermäßig; vielleicht lese ich nur
zu wenig von dem, was man jetzt in Deutschland schreibt.
Aber Eines weiss ich um so sicherer: die öffentlichen
deutschen Kundgebungen, die auch in’s Ausland dringen,
sind nicht von der deutschen Musik inspirirt, sondern
von eben jenem neuen Klange einer geschmackwidrigen
Anmaassung. Fast in jeder Rede des ersten deutschen
Staatsmannes und selbst dann, wenn er sich durch sein
kaiserliches Sprachrohr vernehmen lässt, ist ein Accent,
den das Ohr eines Ausländers mit Widerwillen
zurückweist: aber die Deutschen ertragen ihn, — sie
ertragen sich selber.
[105]
Die Deutschen als Künstler. —
Wenn der Deutsche einmal wirklich in Leidenschaft
geräth (und nicht nur, wie gewöhnlich, in den guten
Willen zur Leidenschaft!), so benimmt er sich dann in
derselben, wie er eben muss, und denkt nicht weiter an
sein Benehmen. Die Wahrheit aber ist, dass er sich dann
sehr ungeschickt und hässlich und wie ohne Tact und
Melodie benimmt, sodass die Zuschauer ihre Pein oder
ihre Rührung dabei haben und nicht mehr: — es sei denn , dass er
sich in das Erhabene und Entzückte hinaufhebt, dessen
manche Passionen fähig sind. Dann wird sogar der
Deutsche schön
! Die Ahnung davon, auf
welcher Höhe erst die Schönheit ihren
Zauber selbst über Deutsche ausgiesst, treibt die
deutschen Künstler in die Höhe und Ueberhöhe und in die
Ausschweifungen der Leidenschaft: ein wirkliches tiefes
Verlangen also, über die Hässlichkeit und
Ungeschicktheit hinauszukommen, mindestens
hinauszublicken — hin nach einer besseren, leichteren,
südlicheren, sonnenhafteren Welt. Und so sind ihre
Krämpfe oftmals nur Anzeichen dafür, dass sie tanzen möchten: diese
armen Bären, in denen versteckte Nymphen und Waldgötter
ihr Wesen treiben — und mitunter noch höhere Gottheiten!
[106]
Musik als Fürsprecherin. —
„Ich habe Durst nach einem Meister der Tonkunst,
sagte ein Neuerer zu seinem Jünger, dass er mir meine
Gedanken ablerne und sie fürderhin in seiner Sprache
rede: so werde ich den Menschen besser zu Ohr und Herzen
dringen. Mit Tönen kann man die Menschen zu jedem
Irrthume und jeder Wahrheit verführen: wer vermöchte
einen Ton zu widerlegen
?“ — „Also möchtest du für unwiderlegbar gelten?“
sagte sein Jünger. Der Neuerer erwiderte: „Ich möchte,
dass der Keim zum Baume werde. Damit eine Lehre zum
Baume werde, muss sie eine gute Zeit geglaubt werden:
damit sie geglaubt werde, muss sie für unwiderlegbar
gelten. Dem Baume thun Stürme, Zweifel, Gewürm, Bosheit
noth, damit er die Art und Kraft seines Keimes offenbar
mache; mag er brechen, wenn er nicht stark genug ist!
Aber ein Keim wird immer nur vernichtet, — nicht
widerlegt!“ — Als er das gesagt hatte, rief sein Jünger
mit Ungestüm: „Aber ich glaube an deine Sache und halte
sie für so stark, dass ich Alles, Alles sagen werde, was
ich noch gegen sie auf dem Herzen habe“. — Der Neuerer
lachte bei sich und drohte ihm mit dem Finger. „Diese
Art Jüngerschaft, sagte er dann, ist die beste, aber sie
ist gefährlich und nicht jede Art Lehre verträgt sie“.
[107]
Unsere letzte Dankbarkeit gegen
die Kunst. — Hätten wir nicht die
Künste gut geheissen und diese Art von Cultus des
Unwahren erfunden: so wäre die Einsicht in die
allgemeine Unwahrheit und Verlogenheit, die uns jetzt
durch die Wissenschaft gegeben wird — die Einsicht in
den Wahn und Irrthum als in eine Bedingung des
erkennenden und empfindenden Daseins —, gar nicht
auszuhalten. Die
Redlichkeit würde den Ekel und den
Selbstmord im Gefolge haben. Nun aber hat unsere
Redlichkeit eine Gegenmacht, die uns solchen
Consequenzen ausweichen hilft: die Kunst, als den
guten Willen zum
Scheine. Wir verwehren es unserm Auge nicht immer,
auszurunden, zu Ende zu dichten: und dann ist es nicht
mehr die ewige Unvollkommenheit, die wir über den Fluss
des Werdens tragen — dann meinen wir, eine Göttin zu tragen und
sind stolz und kindlich in dieser Dienstleistung. Als
ästhetisches Phänomen ist uns das Dasein immer noch
erträglich , und
durch die Kunst ist uns Auge und Hand und vor Allem das
gute Gewissen dazu gegeben, aus uns selber ein solches
Phänomen machen zu können
. Wir müssen zeitweilig von uns ausruhen,
dadurch, dass wir auf uns hin und hinab sehen und, aus
einer künstlerischen Ferne her, über uns lachen oder
über uns weinen; wir
müssen den Helden
und ebenso den
Narren entdecken, der in unsrer
Leidenschaft der Erkenntniss steckt, wir müssen unsrer
Thorheit ab und zu froh werden, um unsrer Weisheit froh
bleiben zu können! Und gerade weil wir im letzten Grunde
schwere und ernsthafte Menschen und mehr Gewichte als
Menschen sind, so thut uns Nichts so gut als die
Schelmenkappe : wir
brauchen sie vor uns selber — wir brauchen alle
übermüthige, schwebende, tanzende, spottende, kindische
und selige Kunst, um jener
Freiheit über den Dingen nicht
verlustig zu gehen, welche unser Ideal von uns fordert.
Es wäre ein Rückfall
für uns, gerade mit unsrer reizbaren Redlichkeit
ganz in die Moral zu gerathen und um der überstrengen
Anforderungen willen, die wir hierin an uns stellen, gar
noch selber zu tugendhaften Ungeheuern und
Vogelscheuchen zu werden. Wir sollen auch über der Moral stehen
können : und nicht
nur stehen, mit der ängstlichen Steifigkeit eines
Solchen, der jeden Augenblick auszugleiten und zu fallen
fürchtet, sondern auch über ihr schweben und spielen!
Wie könnten wir dazu der Kunst, wie des Narren
entbehren? — Und so lange ihr euch noch irgendwie vor
euch selber schämt
, gehört ihr noch nicht zu uns!
[108]
Neue Kämpfe. —
Nachdem Buddha todt war, zeigte man noch Jahrhunderte
lang seinen Schatten in einer Höhle, — einen ungeheuren
schauerlichen Schatten. Gott ist todt: aber so wie die
Art der Menschen ist, wird es vielleicht noch
Jahrtausende lang Höhlen geben, in denen man seinen
Schatten zeigt. — Und wir — wir müssen auch noch seinen
Schatten besiegen!
[108]
Nieuwe gevechten . — Nadat Boeddha dood
was, toonde men nog eeuwenlang zijn schaduw in een grot —
een enorme, huiveringwekkende schaduw. God is dood: maar
gezien de aard van de mens, zullen er wellicht nog
millennia lang grotten zijn, waarin men zijn schaduw
toont. — En wij — wij moeten ook nog zijn schaduw
overwinnen!
opm. denk ook aan Plato's grot
[109]
Hüten wir uns! —
Hüten wir uns, zu denken, dass die Welt ein lebendiges
Wesen sei. Wohin sollte sie sich ausdehnen? Wovon sollte
sie sich nähren? Wie könnte sie wachsen und sich
vermehren? Wir wissen ja ungefähr, was das Organische
ist: und wir sollten das unsäglich Abgeleitete, Späte,
Seltene, Zufällige, das wir nur auf der Kruste der Erde
wahrnehmen, zum Wesentlichen, Allgemeinen, Ewigen
umdeuten, wie es Jene thun, die das All einen Organismus
nennen? Davor ekelt mir. Hüten wir uns schon davor, zu
glauben, dass das All eine Maschine sei; es ist gewiss
nicht auf Ein Ziel construirt, wir thun ihm mit dem Wort
„Maschine“ eine viel zu hohe Ehre an. Hüten wir uns,
etwas so Formvolles, wie die kyklischen Bewegungen
unserer Nachbar-Sterne überhaupt und überall
vorauszusetzen; schon ein Blick in die Milchstrasse
lässt Zweifel auftauchen, ob es dort nicht viel rohere
und widersprechendere Bewegungen giebt, ebenfalls Sterne
mit ewigen geradlinigen Fallbahnen und dergleichen. Die
astrale Ordnung, in der wir leben, ist eine Ausnahme;
diese Ordnung und die ziemliche Dauer, welche durch sie
bedingt ist, hat wieder die Ausnahme der Ausnahmen
ermöglicht: die Bildung des Organischen. Der
Gesammt-Charakter der Welt ist dagegen in alle Ewigkeit
Chaos, nicht im Sinne der fehlenden Nothwendigkeit,
sondern der fehlenden Ordnung, Gliederung, Form,
Schönheit, Weisheit, und wie alle unsere ästhetischen
Menschlichkeiten heissen. Von unserer Vernunft aus
geurtheilt, sind die verunglückten Würfe weitaus die
Regel, die Ausnahmen sind nicht das geheime Ziel, und
das ganze Spielwerk wiederholt ewig seine Weise, die nie
eine Melodie heissen darf, — und zuletzt ist selbst das
Wort „verunglückter Wurf“ schon eine Vermenschlichung,
die einen Tadel in sich schliesst. Aber wie dürften wir
das All tadeln oder loben! Hüten wir uns, ihm
Herzlosigkeit und Unvernunft oder deren Gegensätze
nachzusagen: es ist weder vollkommen, noch schön, noch
edel, und will Nichts von alledem werden, es strebt
durchaus nicht darnach, den Menschen nachzuahmen! Es
wird durchaus durch keines unserer ästhetischen und
moralischen Urtheile getroffen! Es hat auch keinen
Selbsterhaltungstrieb und überhaupt keine Triebe; es
kennt auch keine Gesetze. Hüten wir uns, zu sagen, dass
es Gesetze in der Natur gebe. Es giebt nur
Nothwendigkeiten: da ist Keiner, der befiehlt, Keiner,
der gehorcht, Keiner, der übertritt. Wenn ihr wisst,
dass es keine Zwecke giebt, so wisst ihr auch, dass es
keinen Zufall giebt: denn nur neben einer Welt von
Zwecken hat das Wort „Zufall“ einen Sinn. Hüten wir uns,
zu sagen, dass Tod dem Leben entgegengesetzt sei. Das
Lebende ist nur eine Art des Todten, und eine sehr
seltene Art. — Hüten wir uns, zu denken, die Welt
schaffe ewig Neues. Es giebt keine ewig dauerhaften
Substanzen; die Materie ist ein eben solcher Irrthum,
wie der Gott der Eleaten. Aber wann werden wir am Ende
mit unserer Vorsicht und Obhut sein! Wann werden uns
alle diese Schatten Gottes nicht mehr verdunkeln? Wann
werden wir die Natur ganz entgöttlicht haben! Wann
werden wir anfangen dürfen, uns Menschen mit der reinen,
neu gefundenen, neu erlösten Natur zu vernatürlichen !
[110]
Ursprung der Erkenntniss. —
Der Intellect hat ungeheure Zeitstrecken hindurch
Nichts als Irrthümer erzeugt; einige davon ergaben sich
als nützlich und arterhaltend: wer auf sie stiess, oder
sie vererbt bekam, kämpfte seinen Kampf für sich und
seinen Nachwuchs mit grösserem Glücke. Solche
irrthümliche Glaubenssätze, die immer weiter vererbt und
endlich fast zum menschlichen Art- und Grundbestand
wurden, sind zum Beispiel diese: dass es dauernde Dinge
gebe, dass es gleiche Dinge gebe, dass es Dinge, Stoffe,
Körper gebe, dass ein Ding Das sei, als was es
erscheine, dass unser Wollen frei sei, dass was für mich
gut ist, auch an und für sich gut sei. Sehr spät erst
traten die Leugner und Anzweifler solcher Sätze auf, —
sehr spät erst trat die Wahrheit auf, als die
unkräftigste Form der Erkenntniss. Es schien, dass man
mit ihr nicht zu leben vermöge, unser Organismus war auf
ihren Gegensatz eingerichtet; alle seine höheren
Functionen, die Wahrnehmungen der Sinne und jede Art von
Empfindung überhaupt, arbeiteten mit jenen uralt
einverleibten Grundirrthümern. Mehr noch: jene Sätze
wurden selbst innerhalb der Erkenntniss zu den Normen,
nach denen man „wahr“ und „unwahr“ bemass — bis hinein
in die entlegensten Gegenden der reinen Logik. Also: die
Kraft der
Erkenntnisse liegt nicht in ihrem Grade von Wahrheit,
sondern in ihrem Alter, ihrer Einverleibtheit, ihrem
Charakter als Lebensbedingung. Wo Leben und Erkennen in
Widerspruch zu kommen schienen, ist nie ernstlich
gekämpft worden; da galt Leugnung und Zweifel als
Tollheit. Jene Ausnahme-Denker, wie die Eleaten, welche
trotzdem die Gegensätze der natürlichen Irrthümer
aufstellten und festhielten, glaubten daran, dass es
möglich sei, dieses Gegentheil auch zu leben : sie erfanden den
Weisen als den Menschen der Unveränderlichkeit,
Unpersönlichkeit, Universalität der Anschauung, als Eins
und Alles zugleich, mit einem eigenen Vermögen für jene
umgekehrte Erkenntniss; sie waren des Glaubens, dass
ihre Erkenntniss zugleich das Princip des Lebens sei. Um diess
Alles aber behaupten zu können, mussten sie sich über
ihren eigenen Zustand
täuschen : sie mussten sich
Unpersönlichkeit und Dauer ohne Wechsel andichten, das
Wesen des Erkennenden verkennen, die Gewalt der Triebe
im Erkennen leugnen und überhaupt die Vernunft als
völlig freie, sich selbst entsprungene Activität fassen;
sie hielten sich die Augen dafür zu, dass auch sie im
Widersprechen gegen das Gültige, oder im Verlangen nach
Ruhe oder Alleinbesitz oder Herrschaft zu ihren Sätzen
gekommen waren. Die feinere Entwickelung der Redlichkeit
und der Skepsis machte endlich auch diese Menschen
unmöglich; auch ihr Leben und Urtheilen ergab sich als
abhängig von den uralten Trieben und Grundirrthümern
alles empfindenden Daseins. — Jene feinere Redlichkeit
und Skepsis hatte überall dort ihre Entstehung, wo zwei
entgegengesetzte Sätze auf das Leben anwendbar erschienen,
weil sich beide mit den Grundirrthümern vertrugen, wo
also über den höheren oder geringeren Grad des
Nutzens für das
Leben gestritten werden konnte; ebenfalls dort, wo neue
Sätze sich dem Leben zwar nicht nützlich, aber
wenigstens auch nicht schädlich zeigten, als
Aeusserungen eines intellectuellen Spieltriebes, und
unschuldig und glücklich gleich allem Spiele. Allmählich
füllte sich das menschliche Gehirn mit solchen Urtheilen
und Ueberzeugungen, so entstand in diesem Knäuel
Gährung, Kampf und Machtgelüst. Nützlichkeit und Lust
nicht nur, sondern jede Art von Trieben nahm Partei in
dem Kampfe um die „Wahrheiten“; der intellectuelle Kampf
wurde Beschäftigung, Reiz, Beruf, Pflicht, Würde —: das
Erkennen und das Streben nach dem Wahren ordnete sich
endlich als Bedürfniss in die anderen Bedürfnisse ein.
Von da an war nicht nur der Glaube und die Ueberzeugung,
sondern auch die Prüfung, die Leugnung, das Misstrauen,
der Widerspruch eine
Macht , alle „bösen“ Instincte waren
der Erkenntniss untergeordnet und in ihren Dienst
gestellt und bekamen den Glanz des Erlaubten, Geehrten,
Nützlichen und zuletzt das Auge und die Unschuld des
Guten . Die
Erkenntniss wurde also zu einem Stück Leben selber und
als Leben zu einer immerfort wachsenden Macht: bis
endlich die Erkenntnisse und jene uralten Grundirrthümer
auf einander stiessen, beide als Leben, beide als Macht,
beide in dem selben Menschen. Der Denker: das ist jetzt
das Wesen, in dem der Trieb zur Wahrheit und jene
lebenerhaltenden Irrthümer ihren ersten Kampf kämpfen,
nachdem auch der Trieb zur Wahrheit sich als eine
lebenerhaltende Macht
bewiesen hat. Im Verhältniss zu der
Wichtigkeit dieses Kampfes ist alles Andere
gleichgültig: die letzte Frage um die Bedingung des
Lebens ist hier gestellt, und der erste Versuch wird
hier gemacht, mit dem Experiment auf diese Frage zu
antworten. Inwieweit verträgt die Wahrheit die
Einverleibung? — das ist die Frage, das ist das
Experiment.
[111]
Herkunft des Logischen. —
Woher ist die Logik im menschlichen Kopfe
entstanden? Gewiss aus der Unlogik, deren Reich
ursprünglich ungeheuer gewesen sein muss. Aber unzählig
viele Wesen, welche anders schlossen, als wir jetzt
schliessen, giengen zu Grunde: es könnte immer noch
wahrer gewesen sein! Wer zum Beispiel das „Gleiche“
nicht oft genug aufzufinden wusste, in Betreff der
Nahrung oder in Betreff der ihm feindlichen Thiere, wer
also zu langsam subsumirte, zu vorsichtig in der
Subsumption war, hatte nur geringere Wahrscheinlichkeit
des Fortlebens als Der, welcher bei allem Aehnlichen
sofort auf Gleichheit rieth. Der überwiegende Hang aber,
das Aehnliche als gleich zu behandeln, ein unlogischer
Hang — denn es giebt an sich nichts Gleiches —, hat erst
alle Grundlage der Logik geschaffen. Ebenso musste,
damit der Begriff der Substanz entstehe, der
unentbehrlich für die Logik ist, ob ihm gleich im
strengsten Sinne nichts Wirkliches entspricht, — lange
Zeit das Wechselnde an den Dingen nicht gesehen, nicht
empfunden worden sein; die nicht genau sehenden Wesen
hatten einen Vorsprung vor denen, welche Alles „im
Flusse“ sahen. An und für sich ist schon jeder hohe Grad
von Vorsicht im Schliessen, jeder skeptische Hang eine
grosse Gefahr für das Leben. Es würden keine lebenden
Wesen erhalten sein, wenn nicht der entgegengesetzte
Hang, lieber zu bejahen als das Urtheil auszusetzen,
lieber zu irren und zu dichten als abzuwarten, lieber
zuzustimmen als zu verneinen, lieber zu urtheilen als
gerecht zu sein — ausserordentlich stark angezüchtet
worden wäre. — Der Verlauf logischer Gedanken und
Schlüsse in unserem jetzigen Gehirne entspricht einem
Processe und Kampfe von Trieben, die an sich einzeln
alle sehr unlogisch und ungerecht sind; wir erfahren
gewöhnlich nur das Resultat des Kampfes: so schnell und
so versteckt spielt sich jetzt dieser uralte Mechanismus
in uns ab.
[112]
Ursache und Wirkung. —
„Erklärung“ nennen wir’s: aber „Beschreibung“ ist es,
was uns vor älteren Stufen der Erkenntniss und
Wissenschaft auszeichnet. Wir beschreiben besser, — wir
erklären ebenso wenig wie alle Früheren. Wir haben da
ein vielfaches Nacheinander aufgedeckt, wo der naive
Mensch und Forscher älterer Culturen nur Zweierlei sah,
„Ursache“ und „Wirkung“, wie die Rede lautete; wir haben
das Bild des Werdens vervollkommnet, aber sind über das
Bild, hinter das Bild nicht hinaus gekommen. Die Reihe
der „Ursachen“ steht viel vollständiger in jedem Falle
vor uns, wir schliessen: diess und das muss erst
vorangehen, damit jenes folge, — aber begriffen haben wir
damit Nichts. Die Qualität, zum Beispiel bei jedem
chemischen Werden, erscheint nach wie vor als ein
„Wunder“, ebenso jede Fortbewegung; Niemand hat den
Stoss „erklärt“. Wie könnten wir auch erklären! Wir
operiren mit lauter Dingen, die es nicht giebt, mit
Linien, Flächen, Körpern, Atomen, theilbaren Zeiten,
theilbaren Räumen —, wie soll Erklärung auch nur möglich
sein, wenn wir Alles erst zum Bilde machen, zu unserem Bilde!
Es ist genug, die Wissenschaft als möglichst getreue
Anmenschlichung der Dinge zu betrachten, wir lernen immer
genauer uns selber beschreiben, indem wir die Dinge und
ihr Nacheinander beschreiben. Ursache und Wirkung: eine
solche Zweiheit giebt es wahrscheinlich nie, — in Wahrheit
steht ein continuum vor uns, von dem wir ein paar Stücke
isoliren; so wie wir eine Bewegung immer nur als isolirte
Puncte wahrnehmen, also eigentlich nicht sehen, sondern
erschliessen. Die Plötzlichkeit, mit der sich viele
Wirkungen abheben, führt uns irre; es ist aber nur eine
Plötzlichkeit für uns. Es giebt eine unendliche Menge von
Vorgängen in dieser Secunde der Plötzlichkeit, die uns
entgehen. Ein Intellect, der Ursache und Wirkung als
continuum, nicht nach unserer Art als willkürliches
Zertheilt- und Zerstücktsein, sähe, der den Fluss des
Geschehens sähe, — würde den Begriff Ursache und Wirkung
verwerfen und alle Bedingtheit leugnen.
[112]
Oorzaak en gevolg. “Verklaring” noemen wij
het; maar “beschrijving” is het, wat ons onderscheidt van
eerdere stadia van kennis en wetenschap. Wij beschrijven
beter, — wij verklaren even weinig als alle vroegere
mensen. Wij hebben een veelvoudig 'na-elkaar' blootgelegd,
waar de naïeve mens en de onderzoeker van oudere culturen
slechts twee zaken zagen — “oorzaak” en “gevolg”, zoals
men dat noemde; wij hebben het beeld van het worden
vervolmaakt, maar boven of achter dat beeld zijn we niet
uitgekomen. Ons staat voor alles 'wat het geval is' een
veel volledigere reeks “oorzaken” voor ogen, en wij
concluderen (nog steeds): dit moet wel voorafgaan, anders
kan dat niet volgen — maar begrepen hebben
wij daarmee niets. [...]
[113]
Zur Lehre von den Giften. —
Es gehört so viel zusammen, damit ein
wissenschaftliches Denken entstehe: und alle diese
nöthigen Kräfte haben einzeln erfunden, geübt, gepflegt
werden müssen! In ihrer Vereinzelung haben sie aber sehr
häufig eine ganz andere Wirkung gehabt als jetzt, wo sie
innerhalb des wissenschaftlichen Denkens sich
gegenseitig beschränken und in Zucht halten: — sie haben
als Gifte gewirkt, zum Beispiel der anzweifelnde Trieb,
der verneinende Trieb, der abwartende Trieb, der
sammelnde Trieb, der auflösende Trieb. Viele Hekatomben
von Menschen sind zum Opfer gebracht worden, ehe diese
Triebe lernten, ihr Nebeneinander zu begreifen und sich
mit einander als Functionen Einer organisirenden Gewalt
in Einem Menschen zu fühlen! Und wie ferne sind wir noch
davon, dass zum wissenschaftlichen Denken sich auch noch
die künstlerischen Kräfte und die practische Weisheit
des Lebens hinzufinden, dass ein höheres organisches
System sich bildet, in Bezug auf welches der Gelehrte,
der Arzt, der Künstler und der Gesetzgeber, so wie wir
jetzt diese kennen, als dürftige Alterthümer erscheinen
müssten!
[114]
Umfang des Moralischen. —
Wir construiren ein neues Bild, das wir sehen,
sofort mit Hülfe aller alten Erfahrungen, die wir
gemacht haben, je nach
dem Grade unserer Redlichkeit und
Gerechtigkeit. Es giebt gar keine anderen als moralische
Erlebnisse, selbst nicht im Bereiche der
Sinneswahrnehmung.
[115]
Die vier Irrthümer. —
Der Mensch ist durch seine Irrthümer erzogen worden: er
sah sich erstens immer nur unvollständig, zweitens legte
er sich erdichtete Eigenschaften bei, drittens fühlte er
sich in einer falschen Rangordnung zu Thier und Natur,
viertens erfand er immer neue Gütertafeln und nahm sie
eine Zeit lang als ewig und unbedingt, sodass bald
dieser, bald jener menschliche Trieb und Zustand an der
ersten Stelle stand und in Folge dieser Schätzung
veredelt wurde. Rechnet man die Wirkung dieser vier
Irrthümer weg, so hat man auch Humanität, Menschlichkeit
und „Menschenwürde“ hinweggerechnet.
[116]
Heerden-Instinct. —
Wo wir eine Moral antreffen, da finden wir eine
Abschätzung und Rangordnung der menschlichen Triebe und
Handlungen. Diese Schätzungen und Rangordnungen sind
immer der Ausdruck der Bedürfnisse einer Gemeinde und
Heerde: Das, was ihr
am ersten frommt — und am zweiten und dritten —,
das ist auch der oberste Maassstab für den Werth aller
Einzelnen. Mit der Moral wird der Einzelne angeleitet,
Function der Heerde zu sein und nur als Function sich
Werth zuzuschreiben. Da die Bedingungen der Erhaltung
einer Gemeinde sehr verschieden von denen einer anderen
Gemeinde gewesen sind, so gab es sehr verschiedene
Moralen; und in Hinsicht auf noch bevorstehende
wesentliche Umgestaltungen der Heerden und Gemeinden,
Staaten und Gesellschaften kann man prophezeien, dass es
noch sehr abweichende Moralen geben wird. Moralität ist
Heerden-Instinct im Einzelnen.
[117]
Heerden-Gewissensbiss. —
In den längsten und fernsten Zeiten der Menschheit
gab es einen ganz anderen Gewissensbiss als heut zu
Tage. Heute fühlt man sich nur verantwortlich für Das,
was man will und thut, und hat in sich selber seinen
Stolz: alle unsere Rechtslehrer gehen von diesem Selbst-
und Lustgefühle des Einzelnen aus, wie als ob hier von
jeher die Quelle des Rechts entsprungen sei. Aber die
längste Zeit der Menschheit hindurch gab es nichts
Fürchterlicheres, als sich einzeln zu fühlen. Allein
sein, einzeln empfinden, weder gehorchen noch herrschen,
ein Individuum bedeuten — das war damals keine Lust,
sondern eine Strafe; man wurde verurtheilt „zum
Individuum“. Gedankenfreiheit galt als das Unbehagen
selber. Während wir Gesetz und Einordnung als Zwang und
Einbusse empfinden, empfand man ehedem den Egoismus als
eine peinliche Sache, als eine eigentliche Noth. Selbst
sein, sich selber nach eigenem Maass und Gewicht
schätzen — das gieng damals wider den Geschmack. Die
Neigung dazu würde als Wahnsinn empfunden worden sein:
denn mit dem Alleinsein war jedes Elend und jede Furcht
verknüpft. Damals hatte der „freie Wille“ das böse
Gewissen in seiner nächsten Nachbarschaft: und je
unfreier man handelte, je mehr der Heerden-Instinct und
nicht der persönliche Sinn aus der Handlung sprach, um
so moralischer schätzte man sich. Alles, was der Heerde
Schaden that, sei es, dass der Einzelne es gewollt oder
nicht gewollt hatte, machte damals dem Einzelnen
Gewissensbisse — und seinem Nachbar noch dazu, ja der
ganzen Heerde! — Darin haben wir am allermeisten
umgelernt.
[118]
Wohlwollen. — Ist
es tugendhaft, wenn eine Zelle sich in die Function
einer stärkeren Zelle verwandelt? Sie muss es. Und ist
es böse, wenn die stärkere jene sich assimilirt? Sie
muss es ebenfalls; so ist es für sie nothwendig, denn
sie strebt nach überreichlichem Ersatz und will sich
regeneriren. Demnach hat man im Wohlwollen zu
unterscheiden: den Aneignungstrieb und den
Unterwerfungstrieb, je nachdem der Stärkere oder der
Schwächere Wohlwollen empfindet. Freude und Begehren
sind bei dem Stärkeren, der Etwas zu seiner Function
umbilden will, beisammen: Freude und Begehrtwerdenwollen
bei dem Schwächeren, der Function werden möchte. —
Mitleid ist wesentlich das Erstere, eine angenehme
Regung des Aneignungstriebes, beim Anblick des
Schwächeren: wobei noch zu bedenken ist, dass „stark“
und „schwach“ relative Begriffe sind.
[119]
Kein Altruismus! —
Ich sehe an vielen Menschen eine überschüssige Kraft und
Lust, Function sein zu wollen; sie drängen sich dorthin
und haben die feinste Witterung für alle jene Stellen,
wo gerade sie
Function sein können. Dahin gehören jene Frauen, die
sich in die Function eines Mannes verwandeln, welche an
ihm gerade schwach entwickelt ist, und dergestalt zu
seinem Geldbeutel oder zu seiner Politik oder zu seiner
Geselligkeit werden. Solche Wesen erhalten sich selber
am besten, wenn sie sich in einen fremden Organismus
einfügen; gelingt es ihnen nicht, so werden sie
ärgerlich, gereizt und fressen sich selber auf.
[120]
Gesundheit der Seele. —
Die beliebte medicinische Moralformel (deren Urheber
Ariston von Chios ist): „Tugend ist die Gesundheit der
Seele“ — müsste wenigstens, um brauchbar zu sein, dahin
abgeändert werden: „deine Tugend ist die Gesundheit
deiner Seele“. Denn eine Gesundheit an sich giebt es
nicht, und alle Versuche, ein Ding derart zu definiren,
sind kläglich missrathen. Es kommt auf dein Ziel, deinen
Horizont, deine Kräfte, deine Antriebe, deine Irrthümer
und namentlich auf die Ideale und Phantasmen deiner
Seele an, um zu bestimmen,
was selbst für deinen Leib Gesundheit zu
bedeuten habe. Somit giebt es unzählige Gesundheiten des
Leibes; und je mehr man dem Einzelnen und
Unvergleichlichen wieder erlaubt, sein Haupt zu erheben,
je mehr man das Dogma von der „Gleichheit der Menschen“
verlernt, um so mehr muss auch der Begriff einer
Normal-Gesundheit, nebst Normal-Diät, Normal-Verlauf der
Erkrankung unsern Medicinern abhanden kommen. Und dann
erst dürfte es an der Zeit sein, über Gesundheit und
Krankheit der Seele
nachzudenken und die eigenthümliche Tugend eines
Jeden in deren Gesundheit zu setzen: welche freilich bei
dem Einen so aussehen könnte wie der Gegensatz der
Gesundheit bei einem Anderen. Zuletzt bliebe noch die
grosse Frage offen, ob wir der Erkrankung entbehren könnten,
selbst zur Entwickelung unserer Tugend, und ob nicht
namentlich unser Durst nach Erkenntniss und
Selbsterkenntniss der kranken Seele so gut bedürfe als
der gesunden: kurz, ob nicht der alleinige Wille zur
Gesundheit ein Vorurtheil, eine Feigheit und vielleicht
ein Stück feinster Barbarei und Rückständigkeit sei.
[121]
Das Leben kein Argument. —
Wir haben uns eine Welt zurecht gemacht, in der wir
leben können — mit der Annahme von Körpern, Linien,
Flächen, Ursachen und Wirkungen, Bewegung und Ruhe,
Gestalt und Inhalt: ohne diese Glaubensartikel hielte es
jetzt Keiner aus zu leben! Aber damit sind sie noch
nichts Bewiesenes. Das Leben ist kein Argument; unter
den Bedingungen des Lebens könnte der Irrthum sein.
[122]
Die moralische Skepsis im
Christenthum. — Auch das Christenthum
hat einen grossen Beitrag zur Aufklärung gegeben: es
lehrte die moralische Skepsis auf eine sehr
eindringliche und wirksame Weise: anklagend,
verbitternd, aber mit unermüdlicher Geduld und Feinheit:
es vernichtete in jedem einzelnen Menschen den Glauben
an seine „Tugenden“: es liess für immer jene grossen
Tugendhaften von der Erde verschwinden, an denen das
Alterthum nicht arm war, jene populären Menschen, die im
Glauben an ihre Vollendung mit der Würde eines
Stiergefechtshelden umherzogen. Wenn wir jetzt, erzogen
in dieser christlichen Schule der Skepsis, die
moralischen Bücher der Alten, zum Beispiel Seneca’s und
Epiktet’s, lesen, so fühlen wir eine kurzweilige
Ueberlegenheit und sind voller geheimer Einblicke und
Ueberblicke, es ist uns dabei zu Muthe, als ob ein Kind
vor einem alten Manne oder eine junge schöne Begeisterte
vor La Rochefoucauld redete: wir kennen Das, was Tugend
ist, besser! Zuletzt haben wir aber diese selbe Skepsis
auch auf alle religiösen
Zustände und Vorgänge, wie Sünde, Reue,
Gnade, Heiligung, angewendet und den Wurm so gut graben
lassen, dass wir nun auch beim Lesen aller christlichen
Bücher das selbe Gefühl der feinen Ueberlegenheit und
Einsicht haben: — wir kennen auch die religiösen Gefühle
besser! Und es ist Zeit, sie gut zu kennen und gut zu
beschreiben, denn auch die Frommen des alten Glaubens
sterben aus: — retten wir ihr Abbild und ihren Typus
wenigstens für die Erkenntniss!
[123]
Die Erkenntniss mehr, als ein
Mittel. — Auch ohne diese neue
Leidenschaft — ich meine die Leidenschaft der
Erkenntniss — würde die Wissenschaft gefördert werden:
die Wissenschaft ist ohne sie bisher gewachsen und gross
geworden. Der gute Glaube an die Wissenschaft, das ihr
günstige Vorurtheil, von dem unsere Staaten jetzt
beherrscht sind (ehedem war es sogar die Kirche), ruht
im Grunde darauf, dass jener unbedingte Hang und Drang
sich so selten in ihr offenbart hat, und dass
Wissenschaft eben nicht
als Leidenschaft, sondern als Zustand und „Ethos“
gilt. Ja, es genügt oft schon amour-plaisir der
Erkenntniss (Neugierde), es genügt amour-vanité,
Gewöhnung an sie, mit der Hinterabsicht auf Ehre und
Brod, es genügt selbst für Viele, dass sie mit einem
Ueberschuss von Musse Nichts anzufangen wissen als
lesen, sammeln, ordnen, beobachten, weiter erzählen: ihr
„wissenschaftlicher Trieb“ ist ihre Langeweile. Der
Papst Leo der Zehnte hat einmal (im Breve an Beroaldus)
das Lob der Wissenschaft gesungen: er bezeichnet sie als
den schönsten Schmuck und den grössten Stolz unseres
Lebens, als eine edle Beschäftigung in Glück und
Unglück; „ohne sie, sagt er endlich, wäre alles
menschliche Unternehmen ohne festen Halt, — auch mit ihr
ist es ja noch veränderlich und unsicher genug!“ Aber
dieser leidlich skeptische Papst verschweigt, wie alle
anderen kirchlichen Lobredner der Wissenschaft, sein
letztes Urtheil über sie. Mag man nun aus seinen Worten
heraushören, was für einen solchen Freund der Kunst
merkwürdig genug ist, dass er die Wissenschaft über die
Kunst stellt; zuletzt ist es doch nur eine Artigkeit,
wenn er hier nicht von dem redet, was auch er hoch über
alle Wissenschaft stellt: von der „geoffenbarten
Wahrheit“ und von dem „ewigen Heil der Seele“, — was
sind ihm dagegen Schmuck, Stolz, Unterhaltung, Sicherung
des Lebens! „Die Wissenschaft ist Etwas von zweitem
Range, nichts Letztes, Unbedingtes, kein Gegenstand der
Passion“, — diess Urtheil blieb in der Seele Leo’s
zurück: das eigentlich christliche Urtheil über die
Wissenschaft! Im Alterthum war ihre Würde und
Anerkennung dadurch verringert, dass selbst unter ihren
eifrigsten Jüngern das Streben nach der Tugend voranstand, und
dass man der Erkenntniss schon ihr höchstes Lob gegeben
zu haben glaubte, wenn man sie als das beste Mittel der
Tugend feierte. Es ist etwas Neues in der Geschichte,
dass die Erkenntniss mehr sein will, als ein Mittel.
[124]
Im Horizont des Unendlichen. —
Wir haben das Land verlassen und sind zu Schiff
gegangen! Wir haben die Brücke hinter uns, — mehr noch,
wir haben das Land hinter uns abgebrochen! Nun,
Schifflein! sieh’ dich vor! Neben dir liegt der Ocean,
es ist wahr, er brüllt nicht immer, und mitunter liegt
er da, wie Seide und Gold und Träumerei der Güte. Aber
es kommen Stunden, wo du erkennen wirst, dass er
unendlich ist und dass es nichts Furchtbareres giebt,
als Unendlichkeit. Oh des armen Vogels, der sich frei
gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stösst!
Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort
mehr Freiheit
gewesen wäre, — und es giebt kein „Land“ mehr!
[124]
Tegen de horizon van het oneindige. — We
hebben het land verlaten en zijn scheep gegaan! We hebben
de bruggen achter ons, — meer nog, we hebben het land
achter ons afgebroken! Welnu, scheepje, opgepast ! Naast
je ligt de oceaan, het is waar, hij brult niet altijd, en
af en toe ligt hij erbij als vergulde zijde, een en al
dromerige goedheid. Maar er komen tijden, dat je zult
ontdekken, dat hij oneindig is en dat er niets
vreselijkers bestaat dan oneindigheid. Oh, die arme vogel,
die zich vrij gevoeld heeft en nu tegen de wanden van deze
kooi stoot. Wee, wanneer het heimwee naar het land je
overvalt, alsof daar daar meer vrijheid geweest zou zijn,
— en er is geen 'land' meer.
[125]
Der tolle Mensch. —
Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am
hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt
lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott! Ich suche
Gott!“ — Da dort gerade Viele von Denen zusammen
standen, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er
ein grosses Gelächter. Ist er denn verloren gegangen?
sagte der Eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind?
sagte der Andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet
er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen?
ausgewandert? — so schrieen und lachten sie
durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie
und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott?
rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet ,
— ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie
haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer
auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen
Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese
Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich
nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen?
Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts,
vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und
ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches
Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht
kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und
mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage
angezündet werden? Hören wir noch Nichts von dem Lärm
der Todtengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch
Nichts von der göttlichen Verwesung? — auch Götter
verwesen! Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben
ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller
Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt
bisher besass, es ist unter unseren Messern verblutet, —
wer wischt diess Blut von uns ab? Mit welchem Wasser
könnten wir uns reinigen? Welche Sühnfeiern, welche
heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht
die Grösse dieser That zu gross für uns? Müssen wir
nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu
erscheinen? Es gab nie eine grössere That, — und wer nur
immer nach uns geboren wird, gehört um dieser That
willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte
bisher war!“ — Hier schwieg der tolle Mensch und sah
wieder seine Zuhörer an: auch sie schwiegen und blickten
befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den
Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. „Ich komme
zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit.
Diess ungeheure Ereigniss ist noch unterwegs und
wandert, — es ist noch nicht bis zu den Ohren der
Menschen gedrungen. Blitz und Donner brauchen Zeit, das
Licht der Gestirne braucht Zeit, Thaten brauchen Zeit,
auch nachdem sie gethan sind, um gesehen und gehört zu
werden. Diese That ist ihnen immer noch ferner, als die
fernsten Gestirne, — und
doch haben sie dieselbe gethan !“ — Man
erzählt noch, dass der tolle Mensch des selbigen Tages
in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein
Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und
zur Rede gesetzt, habe er immer nur diess entgegnet:
„Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die
Grüfte und Grabmäler Gottes sind?“ —
[125]
Een zot zoekt god . — Heb je nog nooit gehoord
van die zot, die op een heldere ochtend een lamp aanstak,
de markt op ging, en maar bleef roepen:
“Ik zoek God! Ik zoek God!”. Omdat daar juist
veel mensen bij elkaar stonden die niet in God geloofden,
verwekte hij een groot gelach. Ben je hem kwijtgeraakt?
zei de één. Heeft hij zich verlopen als een kind? zei een
ander. Of heeft hij zich verstopt? Is hij bang voor ons?
Is hij scheep gegaan? Geëmigreerd? Zo riepen en lachten ze
door elkaar.
De zot sprong in hun midden en doorboorde ze met zijn
blik. “Waar God heen is?” riep hij , “Dat zal ik u zeggen
! Wij hebben hem gedood, — gij en ik!
Wij allen hebben hem omgebracht ! Maar hoe hebben we dat
voor elkaar gekeregen? Hoe hebben we de zee kunnen
leegdrinken? Wie gaf ons de spons om de hele horizon uit
te wissen? Wat hebben we gedaan, toen we deze aarde van
haar zon hebben ontketend. Waarheen beweegt ze zich nu?
Waarheen bewegen wij ons? Weg van alle zonnen? Vallen wij
niet voortdurend — achterwaarts, zijwaarts, voorwaarts,
naar alle kanten? Is er nog wel een boven en onder ? Dolen
wij niet als door een oneindig niets? Ademt ons niet de
lege ruimte in het gezicht? Is het niet kouder geworden?
Komt niet altijd maar weer nacht, steeds meer nacht?
Moeten er niet 's ochtends lampen aangestoken worden ? Dringt het geluid nog niet door,
van de doodgravers die God aan het begraven zijn? Ruiken
we nog niets van de goddelijke ontbinding? — ook goden
gaan tot ontbinding over! God is dood! God blijft dood! En
wij hebben hem gedood! Hoe troosten we ons, moordenaars
der moordenaars ? Het heiligste en machtigste, dat de
wereld tot dusver bezat, onder onze messen
is het verbloed, — wie wist dit bloed van ons af? Met
welk water kunnen wij ons reinigen? Welke zoenoffer -feesten,
welke gewijde spelen zullen we moeten
uitvinden? Is niet de grootte van deze daad te groot voor
ons? Moeten we niet zelf tot goden worden, om deze daad
waardig te blijken ? Nooit was er een grotere daad — en al
wie na ons geboren wordt, behoort door deze daad tot een
hogere geschiedenis dan alles wat er dusver aan
geschiedenis is geweest !”
Hier zweeg de zot en keek zijn toehoorders opnieuw aan.
Ook zij zwegen en keken hem bevreemd aan. Tenslotte wierp
hij zijn lamp op de grond, zodat die in stukken sprong en
uitdoofde. “Ik kom te vroeg, zei hij toen, het is mijn
tijd nog niet. Dit enorme ( ungeheure ) gebeuren
is nog onderweg en trekt voort — het is nog niet tot in de
oren der mensen doorgedrongen. Bliksem en donder hebben
tijd nodig, het licht van het gesternte heeft tijd nodig,
daden hebben tijd nodig, ook nadat ze gedaan zijn, om gezien en gehoord te worden! Deze daad
staat nog altijd verder van hen af dan het verste
gesternte — en toch hebben ze haar zelf verricht
!” —
Men weet nog te vertellen, dat de zot diezelfde dag nog in
verscheidene kerken is binnengedrongen en daar zijn Requiem
aeternam deo heeft aangeheven. Naar buiten
gebracht, en erop aangesproken, zou hij steeds enkel dit
hebben geantwoord: “Wat zijn deze kerken eigenlijk nog,
als ze niet de graven en grafmonumenten van God zijn?" -
Opm. In een eerste versie heeft
NIetzsche deze tekst in de mond van "Z" gelegd: de
op dat moment nog niet verschenen figuur van Zarathustra.
"toll" in het 19de eeuwse Duits duidt op
uitzinnigheid, gedrag met een sterke emotionele component,
onbeheerst. Kan waanzin zijn, maar hoeft niet. Over de
vertaling van 'der tolle Mensch' met 'een zot', zie
deze post .
[126]
Mystische Erklärungen. —
Die mystischen Erklärungen gelten für tief; die Wahrheit
ist, dass sie noch nicht einmal oberflächlich sind.
[126]
mystieke verklaringen. — Mystieke
verklaringen gaan door voor diep; de waarheid is dat ze
nog niet eens oppervlakkig zijn.
[127]
Nachwirkung der ältesten
Religiosität. — Jeder Gedankenlose
meint, der Wille sei das allein Wirkende; Wollen sei
etwas Einfaches, schlechthin Gegebenes, Unableitbares,
An-sich-Verständliches. Er ist überzeugt, wenn er Etwas
thut, zum Beispiel einen Schlag ausführt, er sei es, der da
schlage, und er habe geschlagen, weil er schlagen
wollte . Er merkt
gar Nichts von einem Problem daran, sondern das Gefühl
des Willens
genügt ihm, nicht nur zur Annahme von Ursache und
Wirkung, sondern auch zum Glauben, ihr Verhältniss zu
verstehen . Von dem
Mechanismus des Geschehens und der hundertfältigen
feinen Arbeit, die abgethan werden muss, damit es zu dem
Schlage komme, ebenso von der Unfähigkeit des Willens an
sich, auch nur den geringsten Theil dieser Arbeit zu
thun, weiss er Nichts. Der Wille ist ihm eine magisch
wirkende Kraft: der Glaube an den Willen, als an die
Ursache von Wirkungen, ist der Glaube an magisch
wirkende Kräfte. Nun hat urspünglich der Mensch überall,
wo er ein Geschehen sah, einen Willen als Ursache und
persönlich wollende Wesen im Hintergrunde wirkend
geglaubt, — der Begriff der Mechanik lag ihm ganz ferne.
Weil aber der Mensch ungeheure Zeiten lang nur an
Personen geglaubt hat (und nicht an Stoffe, Kräfte,
Sachen und so weiter), ist ihm der Glaube an Ursache und
Wirkung zum Grundglauben geworden, den er überall, wo
Etwas geschieht, verwendet, — auch jetzt noch instinctiv
und als ein Stück Atavismus ältester Abkunft. Die Sätze
„keine Wirkung ohne Ursache“, „jede Wirkung wieder
Ursache“ erscheinen als Verallgemeinerungen viel engerer
Sätze: „wo gewirkt wird, da ist gewollt worden“, „es
kann nur auf wollende Wesen gewirkt werden“, „es giebt
nie ein reines, folgenloses Erleiden einer Wirkung,
sondern alles Erleiden ist eine Erregung des Willens“
(zur That, Abwehr, Rache, Vergeltung), — aber in den
Urzeiten der Menschheit waren diese und jene Sätze
identisch, die ersten nicht Verallgemeinerungen der
zweiten, sondern die zweiten Erläuterungen der ersten. —
Schopenhauer, mit seiner Annahme, dass Alles, was da
sei, nur etwas Wollendes sei, hat eine uralte Mythologie
auf den Thron gehoben; er scheint nie eine Analyse des
Willens versucht zu haben, weil er an die Einfachheit
und Unmittelbarkeit alles Wollens glaubte , gleich
Jedermann: — während Wollen nur ein so gut eingespielter
Mechanismus ist, dass er dem beobachtenden Auge fast
entläuft. Ihm gegenüber stelle ich diese Sätze auf:
erstens, damit Wille entstehe, ist eine Vorstellung von
Lust und Unlust nöthig. Zweitens: dass ein heftiger Reiz
als Lust oder Unlust empfunden werde, das ist die Sache
des interpretirenden
Intellects, der freilich zumeist dabei uns
unbewusst arbeitet; und ein und derselbe Reiz kann als Lust oder
Unlust interpretirt werden. Drittens: nur bei den
intellectuellen Wesen giebt es Lust, Unlust und Wille;
die ungeheure Mehrzahl der Organismen hat Nichts davon.
[128]
Der Werth des Gebetes. —
Das Gebet ist für solche Menschen erfunden, welche
eigentlich nie von sich aus Gedanken haben und denen
eine Erhebung der Seele unbekannt ist oder unbemerkt
verläuft: was sollen Diese an heiligen Stätten und in
allen wichtigen Lagen des Lebens, welche Ruhe und eine
Art Würde erfordern? Damit sie wenigstens nicht
stören , hat die
Weisheit aller Religionsstifter, der kleinen wie der
grossen, ihnen die Formel des Gebetes anbefohlen, als
eine lange mechanische Arbeit der Lippen, verbunden mit
Anstrengung des Gedächtnisses und mit einer gleichen
festgesetzten Haltung von Händen und Füssen und Augen!
Da mögen sie nun gleich den Tibetanern ihr „om mane
padme hum“ unzählige Male wiederkäuen, oder, wie in
Benares, den Namen des Gottes Ram-Ram-Ram (und so weiter
mit oder ohne Grazie) an den Fingern abzählen: oder den
Wischnu mit seinen tausend, den Allah mit seinen
neunundneunzig Anrufnamen ehren: oder sie mögen sich der
Gebetmühlen und der Rosenkränze bedienen, — die
Hauptsache ist, dass sie mit dieser Arbeit für eine Zeit
festgemacht sind und einen erträglichen Anblick
gewähren: ihre Art Gebet ist zum Vortheil der Frommen
erfunden, welche Gedanken und Erhebungen von sich aus
kennen. Und selbst Diese haben ihre müden Stunden, wo
ihnen eine Reihe ehrwürdiger Worte und Klänge und eine
fromme Mechanik wohlthut. Aber angenommen, dass diese
seltenen Menschen — in jeder Religion ist der religiöse
Mensch eine Ausnahme — sich zu helfen wissen: jene Armen
im Geiste wissen sich nicht zu helfen, und ihnen das
Gebets-Geklapper verbieten heisst ihnen ihre Religion
nehmen: wie es der Protestantismus mehr und mehr an den
Tag bringt. Die Religion will von Solchen eben nicht
mehr, als dass sie Ruhe
halten , mit Augen, Händen, Beinen und
Organen aller Art: dadurch werden sie zeitweilig
verschönert und — menschenähnlicher!
[129]
Die Bedingungen Gottes. —
„Gott selber kann nicht ohne weise Menschen
bestehen“ — hat Luther gesagt und mit gutem Rechte; aber
„Gott kann noch weniger ohne unweise Menschen bestehen“
— das hat der gute Luther nicht gesagt!
[130]
Ein gefährlicher Entschluss. —
Der christliche Entschluss, die Welt hässlich und
schlecht zu finden, hat die Welt hässlich und schlecht
gemacht.
[131]
Christenthum und Selbstmord. —
Das Christenthum hat das zur Zeit seiner Entstehung
ungeheure Verlangen nach dem Selbstmorde zu einem Hebel
seiner Macht gemacht: es liess nur zwei Formen des
Selbstmordes übrig, umkleidete sie mit der höchsten
Würde und den höchsten Hoffnungen und verbot alle
anderen auf eine furchtbare Weise. Aber das Martyrium
und die langsame Selbstentleibung des Asketen waren
erlaubt.
[132]
Gegen das Christenthum. —
Jetzt entscheidet unser Geschmack gegen das
Christenthum, nicht mehr unsere Gründe.
[133]
Grundsatz. — Eine
unvermeidliche Hypothese, auf welche die Menschheit
immer wieder verfallen muss, ist auf die Dauer doch
mächtiger , als der
bestgeglaubte Glaube an etwas Unwahres (gleich dem
christlichen Glauben). Auf die Dauer: das heisst hier
auf hunderttausend Jahre hin.
[134]
Die Pessimisten als Opfer. —
Wo eine tiefe Unlust am Dasein überhand nimmt,
kommen die Nachwirkungen eines grossen Diätfehlers,
dessen sich ein Volk lange schuldig gemacht hat, an’s
Licht. So ist die Verbreitung des Buddhismus (
nicht seine
Entstehung) zu einem guten Theile abhängig von der
übermässigen und fast ausschliesslichen Reiskost der
Inder und der dadurch bedingten allgemeinen
Erschlaffung. Vielleicht ist die europäische
Unzufriedenheit der neuen Zeit daraufhin anzusehen, dass
unsere Vorwelt, das ganze Mittelalter, Dank den
Einwirkungen der germanischen Neigungen auf Europa, dem
Trunk ergeben war: Mittelalter, das heisst die
Alkoholvergiftung Europa’s. — Die deutsche Unlust am
Leben ist wesentlich Wintersiechthum, eingerechnet die
Wirkungen der Kellerluft und des Ofengiftes in deutschen
Wohnräumen.
[135]
Herkunft der Sünde. —
Sünde, so wie sie jetzt überall empfunden wird, wo das
Christenthum herrscht oder einmal geherrscht hat: Sünde
ist ein jüdisches Gefühl und eine jüdische Erfindung,
und in Hinsicht auf diesen Hintergrund aller
christlichen Moralität war in der That das Christenthum
darauf aus, die ganze Welt zu „verjüdeln“. Bis zu
welchem Grade ihm diess in Europa gelungen ist, das
spürt man am feinsten an dem Grade von Fremdheit, den
das griechische Alterthum — eine Welt ohne Sündengefühle
— immer noch für unsere Empfindung hat, trotz allem
guten Willen zur Annäherung und Einverleibung, an dem es
ganze Geschlechter und viele ausgezeichnete Einzelne
nicht haben fehlen lassen. „Nur wenn du bereuest , ist Gott dir
gnädig“ — das ist einem Griechen ein Gelächter und ein
Aergerniss: er würde sagen „so mögen Sclaven empfinden“.
Hier ist ein Mächtiger, Uebermächtiger und doch
Rachelustiger vorausgesetzt: seine Macht ist so gross,
dass ihm ein Schaden überhaupt nicht zugefügt werden
kann, ausser in dem Puncte der Ehre. Jede Sünde ist eine
Respects-Verletzung, ein crimen laesae majestatis
divinae — und Nichts weiter! Zerknirschung,
Entwürdigung, Sich-im-Staube-wälzen — das ist die erste
und letzte Bedingung, an die seine Gnade sich knüpft:
Wiederherstellung also seiner göttlichen Ehre! Ob mit
der Sünde sonst Schaden gestiftet wird, ob ein tiefes
wachsendes Unheil mit ihr gepflanzt ist, das einen
Menschen nach dem andern wie eine Krankheit fasst und
würgt — das lässt diesen ehrsüchtigen Orientalen im
Himmel unbekümmert: Sünde ist ein Vergehen an ihm, nicht
an der Menschheit! — wem er seine Gnade geschenkt hat,
dem schenkt er auch diese Unbekümmertheit um die
natürlichen Folgen der Sünde. Gott und Menschheit sind
hier so getrennt, so entgegengesetzt gedacht, dass im
Grunde an letzterer überhaupt nicht gesündigt werden
kann, — jede That soll
nur auf ihre übernatürlichen Folgen hin
angesehen werden: nicht auf ihre natürlichen: so will es
das jüdische Gefühl, dem alles Natürliche das Unwürdige
an sich ist. Den Griechen
dagegen lag der Gedanke näher, dass auch
der Frevel Würde haben könne — selbst der Diebstahl, wie
bei Prometheus, selbst die Abschlachtung von Vieh als
Aeusserung eines wahnsinnigen Neides, wie bei Ajax: sie
haben in ihrem Bedürfniss, dem Frevel Würde anzudichten
und einzuverleiben, die
Tragödie erfunden, — eine Kunst und
eine Lust, die dem Juden, trotz aller seiner
dichterischen Begabung und Neigung zum Erhabenen, im
tiefsten Wesen fremd geblieben ist.
[136]
Das auserwählte Volk. —
Die Juden, die sich als das auserwählte Volk unter den
Völkern fühlen, und zwar weil sie das moralische Genie
unter den Völkern sind (vermöge der Fähigkeit, dass sie
den Menschen in sich
tiefer verachtet haben , als irgend ein
Volk) — die Juden haben an ihrem göttlichen Monarchen
und Heiligen einen ähnlichen Genuss wie der war, welchen
der französische Adel an Ludwig dem Vierzehnten hatte.
Dieser Adel hatte sich alle seine Macht und
Selbstherrlichkeit nehmen lassen und war verächtlich
geworden: um diess nicht zu fühlen, um diess vergessen
zu können, bedurfte es eines königlichen Glanzes, einer
königlichen Autorität und Machtfülle ohne Gleichen , zu der
nur dem Adel der Zugang offen stand. Indem man gemäss
diesem Vorrecht sich zur Höhe des Hofes erhob und von da
aus blickend Alles unter sich, Alles verächtlich sah,
kam man über alle Reizbarkeit des Gewissens hinaus. So
thürmte man absichtlich den Thurm der königlichen Macht
immer mehr in die Wolken hinein und setzte die letzten
Bausteine der eigenen Macht daran.
[137]
Der Irrthum Christi. —
Der Stifter des Christenthums meinte, an Nichts litten
die Menschen so sehr, als an ihren Sünden: — es war sein
Irrthum, der Irrthum Dessen, der sich ohne Sünde fühlte,
dem es hierin an Erfahrung gebrach! So füllte sich seine
Seele mit jenem wundervollen phantastischen Erbarmen,
das einer Noth galt, welche selbst bei seinem Volke, dem
Erfinder der Sünde, selten eine grosse Noth war! — Aber
die Christen haben es verstanden, ihrem Meister
nachträglich Recht zu schaffen und seinen Irrthum zur
„Wahrheit“ zu heiligen.
[137]
Christus' vergissing — De stichter van het
christendom dacht dat de mensen onder niets zozeer gebukt
gingen, als onder hun zonden: — dat was zijn vergissing,
typisch voor iemand die zichzelf van geen zonde bewust
was, die het in dezen dus aan ervaring ontbrak! Zodoende
vulde zich zijn ziel met dat wondemooie fantastische
erbarmen, dat gericht was op een nood, die zelfs bij een
volk dat de zonde had uitgevonden, zelden een echte grote
nood geweest was! — De christenen echter hebben de kunst
verstaan hun meester achteraf recht te verschaffen en zijn
dwaling tot 'waarheid' te heiligen.
[138]
Im Gleichniss gesprochen. —
Ein Jesus Christus war nur in einer jüdischen
Landschaft möglich — ich meine in einer solchen, über
der fortwährend die düstere und erhabene Gewitterwolke
des zürnenden Jehovah hieng. Hier allein wurde das
seltene plötzliche Hindurchleuchten eines einzelnen
Sonnenstrahls durch die grauenhafte allgemeine und
andauernde Tag-Nacht wie ein Wunder der „Liebe“
empfunden, als der Strahl der unverdientesten „Gnade“.
Hier allein konnte Christus seinen Regenbogen und seine
Himmelsleiter träumen, auf der Gott zu den Menschen
hinabstieg; überall sonst galt das helle Wetter und die
Sonne zu sehr als Regel und Alltäglichkeit.
[138]
In een gelijkenis gesproken. — Een Jezus
Christus was alleen mogelijk in een joodse omgeving — ik
bedoel een omgeving waar voortdurend de sombere en verheven
onweerswolk van de toornige Jehova hing. Alleen daar kan het
zeldzame, plotselinge doordringen van een enkele zonnestraal
doorheen de grauwe, algemene, steeds maar durende dag-nacht,
als een wonder van “liefde” ervaren zijn, als de lichtstraal
van een totaal onverdiende “genade”. Alleen daar kon
Christus zijn regenboog en zijn hemelladder dromen,
waarlangs God naar de mensen afdaalde; overal elders golden
helder weer en zon te zeer als regel en alledaagsheid.
opm. 'de titel is een
referentie naar Jezius die 'in gelijkenissen sprak'. Dat
werkte — dixit O. Noordmans — als een 'lichtstraal die een
stoffige schuur deed oplichten.'
[139]
Farbe der Leidenschaften. —
Solche Naturen, wie die des Apostel Paulus, haben
für die Leidenschaften einen bösen Blick; sie lernen von
ihnen nur das Schmutzige, Entstellende und Herzbrechende
kennen, — ihr idealer Drang geht daher auf Vernichtung
der Leidenschaften aus: im Göttlichen sehen sie die
völlige Reinheit davon. Ganz anders, als Paulus und die
Juden, haben die Griechen ihren idealen Drang gerade auf
die Leidenschaften gewendet und diese geliebt, gehoben,
vergoldet und vergöttlicht; offenbar fühlten sie sich in
der Leidenschaft nicht nur glücklicher, sondern auch
reiner und göttlicher, als sonst. — Und nun die
Christen? Wollten sie hierin zu Juden werden? Sind sie
es vielleicht geworden?
[139]
De tint van de hartstochten. — Types zoals de
apostel Paulus zien niets goeds in hartstochten; ze leren
er dan ook enkel het smerige, ontstellende, en
hartverscheurende van kennen, — het ideaal dat ze
nastreven is de vernietiging van de hartstochten: Als zij
aan god denken, dan is die op dit punt helemaal rein. In
tegenstelling tot Paulus en de Joden, is voor de Grieken
het ideaal dat ze nastreven juist wel op de hartstochten
gericht. Zij hebben die bemind, verheven, verguld en
vergoddelijkt; kennelijk voelden ze zich in de hartstocht
niet alleen gelukkiger, maar ook reiner en goddelijker,
dan zonder. — En hoe zit het nu met de christenen? Wilden
ze in dit opzicht Joden worden? Zijn ze het
misschien geworden?
[140]
Zu jüdisch. —
Wenn Gott ein Gegenstand der Liebe werden wollte, so
hätte er sich zuerst des Richtens und der Gerechtigkeit
begeben müssen: — ein Richter, und selbst ein gnädiger
Richter, ist kein Gegenstand der Liebe. Der Stifter des
Christenthums empfand hierin nicht fein genug, — als
Jude.
[140]
Te Joods . — Als God een voorwerp van
liefde had willen worden, dan had hij eerst afstand moeten
doen van Oordelen en gerechtigheid: — Een rechter, zelfs
al is hij een genadige rechter, is geen voorwerp van
liefde. De stichter van het christendom was op dit punt
niet fijngevoelig genoeg, — als Jood.
[141]
Zu orientalisch. —
Wie? Ein Gott, der die Menschen liebt, vorausgesetzt,
dass sie an ihn glauben, und der fürchterliche Blicke
und Drohungen gegen Den schleudert, der nicht an diese
Liebe glaubt! Wie? eine verclausulirte Liebe als die
Empfindung eines allmächtigen Gottes! Eine Liebe, die
nicht einmal über das Gefühl der Ehre und der gereizten
Rachsucht Herr geworden ist! Wie orientalisch ist das
Alles! „Wenn ich dich liebe, was geht’s dich an?“ ist
schon eine ausreichende Kritik des ganzen Christenthums.
[141]
Te oosters. — Hoezo? Een god die de mensen
liefheeft, op voorwaarde dat ze in hem geloven, en die
vreselijke blikken en dreigementen werpt naar wie niet in
deze liefde gelooft! Hoezo? Een liefde onder voorwaarden,
dat voelt de almachtige god voor ons! Een liefde die zelfs
niet de baas is geworden over eergevoel en geprikkelde
wraakzucht! Hoe oosters is dat allemaal! “Als ik je lief
hebt, wat gaat jou dat aan?” Die uitspraak alleen al is
afdoende kritiek op het hele christendom.
opm. De uitspraak is te lezen
bij Goethe, die verwijst naar Spinoza:
meer hier .)
[142]
Räucherwerk. —
Buddha sagt: „schmeichle deinem Wohlthäter nicht!“ Man
spreche diesen Spruch nach in einer christlichen Kirche:
— er reinigt sofort die Luft von allem Christlichen.
[142]
Reukwerk (wierook). — Boeddha zegt: "Vlei
je weldoener niet!" Herhaal deze uitspraak eens in een
christelijke kerk: hij zuivert onmiddellijk de lucht al
het christelijke.
[143]
Grösster Nutzen des Polytheismus.
— Dass der Einzelne sich sein
eigenes Ideal
aufstelle und aus ihm sein Gesetz, seine Freuden und
seine Rechte ableite — das galt wohl bisher als die
ungeheuerlichste aller menschlichen Verirrungen und als
die Abgötterei an sich; in der That haben die Wenigen,
die diess wagten, immer vor sich selber eine Apologie
nöthig gehabt, und diese lautete gewöhnlich: „nicht ich!
nicht ich! sondern ein
Gott durch mich!“ Die wundervolle Kunst
und Kraft, Götter zu schaffen — der Polytheismus — war
es, in der dieser Trieb sich entladen durfte, in der er
sich reinigte, vervollkommnete, veredelte: denn
ursprünglich war es ein gemeiner und unansehnlicher
Trieb, verwandt dem Eigensinn, dem Ungehorsame und dem
Neide. Diesem Triebe zum eigenen Ideale feind sein: das war
ehemals das Gesetz jeder Sittlichkeit. Da gab es nur
Eine Norm: „ der
Mensch“ — und jedes Volk glaubte diese Eine und
letzte Norm zu haben
. Aber über sich und ausser sich, in einer fernen
Ueberwelt, durfte man eine
Mehrzahl von Normen sehen: der eine
Gott war nicht die Leugnung oder Lästerung des anderen
Gottes! Hier erlaubte man sich zuerst Individuen, hier
ehrte man zuerst das Recht von Individuen. Die Erfindung
von Göttern, Heroen und Uebermenschen aller Art, sowie
von Neben- und Untermenschen, von Zwergen, Feen,
Centauren, Satyrn, Dämonen und Teufeln, war die
unschätzbare Vorübung zur Rechtfertigung der Selbstsucht
und Selbstherrlichkeit des Einzelnen: die Freiheit,
welche man dem Gotte gegen die anderen Götter gewährte,
gab man zuletzt sich selber gegen Gesetze und Sitten und
Nachbarn. Der Monotheismus dagegen, diese starre
Consequenz der Lehre von Einem Normalmenschen — also der
Glaube an einen Normalgott, neben dem es nur noch
falsche Lügengötter giebt — war vielleicht die grösste
Gefahr der bisherigen Menschheit: da drohte ihr jener
vorzeitige Stillstand, welchen, soweit wir sehen können,
die meisten anderen Thiergattungen schon längst erreicht
haben; als welche alle an Ein Normalthier und Ideal in
ihrer Gattung glauben und die Sittlichkeit der Sitte
sich endgültig in Fleisch und Blut übersetzt haben. Im
Polytheismus lag die Freigeisterei und Vielgeisterei des
Menschen vorgebildet: die Kraft, sich neue und eigene
Augen zu schaffen und immer wieder neue und noch
eigenere: sodass es für den Menschen allein unter allen
Thieren keine ewigen Horizonte und Perspectiven giebt.
[144]
Religionskriege. —
Der grösste Fortschritt der Massen war bis jetzt der
Religionskrieg: denn er beweist, dass die Masse
angefangen hat, Begriffe mit Ehrfurcht zu behandeln.
Religionskriege entstehen erst, wenn durch die feineren
Streitigkeiten der Secten die allgemeine Vernunft
verfeinert ist: sodass selbst der Pöbel spitzfindig wird
und Kleinigkeiten wichtig nimmt, ja es für möglich hält,
dass das „ewige Heil der Seele“ an den kleinen
Unterschieden der Begriffe hängt.
[145]
Gefahr der Vegetarianer. —
Der vorwiegende ungeheure Reisgenuss treibt zur
Anwendung von Opium und narkotischen Dingen, in gleicher
Weise wie der vorwiegende ungeheure Kartoffelgenuss zu
Branntwein treibt —: er treibt aber, in feinerer
Nachwirkung, auch zu Denk- und Gefühlsweisen, die
narkotisch wirken. Damit stimmt zusammen, dass die
Förderer narkotischer Denk- und Gefühlsweisen, wie jene
indischen Lehrer, gerade eine Diät preisen und zum
Gesetz der Masse machen möchten, welche rein
vegetabilisch ist: sie wollen so das Bedürfniss
hervorrufen und mehren, welches sie zu befriedigen im
Stande sind.
[146]
Deutsche Hoffnungen. —
Vergessen wir doch nicht, dass die Völkernamen
gewöhnlich Schimpfnamen sind. Die Tartaren sind zum
Beispiel ihrem Namen nach „die Hunde“: so wurden sie von
den Chinesen getauft. Die „Deutschen“: das bedeutet
urspünglich „die Heiden“: so nannten die Gothen nach
ihrer Bekehrung die grosse Masse ihrer ungetauften
Stammverwandten, nach Anleitung ihrer Uebersetzung der
Septuaginta, in der die Heiden mit dem Worte bezeichnet
werden, welches im Griechischen „die Völker“ bedeutet:
man sehe Ulfilas. — Es wäre immer noch möglich, dass die
Deutschen aus ihrem alten Schimpfnamen sich nachträglich
einen Ehrennamen machten, indem sie das erste unchristliche Volk
Europa’s würden: wozu in hohem Maasse angelegt zu sein
Schopenhauer ihnen zur Ehre anrechnete. So käme das Werk
Luther’s
zur Vollendung, der sie gelehrt hat, unrömisch zu sein
und zu sprechen: „hier stehe ich ! Ich kann nicht anders!“
—
[147]
Frage und Antwort. —
Was nehmen jetzt wilde Völkerschaften zuerst von den
Europäern an? Branntwein und Christenthum, die
europäischen Narcotica. — Und woran gehen sie am
schnellsten zu Grunde? — An den europäischen Narcoticis.
[147]
Vraag en antwoord. — Wat nemen de wilde
volkstammen het eerst van de Europeanen over? Brandewijn
en christendom, de Europese narcotica. — En waaraan gaan
ze het snelt te gronde? — Aan de Europese narcotica.
[148]
Wo die Reformationen entstehen. —
Zur Zeit der grossen Kirchen-Verderbniss
war in Deutschland die Kirche am wenigsten verdorben:
desshalb entstand hier
die Reformation, als das Zeichen, dass schon die
Anfänge der Verderbniss unerträglich empfunden wurden.
Verhältnissmässig war nämlich kein Volk jemals
christlicher, als die Deutschen zur Zeit Luther’s: ihre
christliche Cultur war eben bereit, zu einer
hundertfältigen Pracht der Blüthe auszuschlagen, — es
fehlte nur noch Eine Nacht; aber diese brachte den
Sturm, der Allem ein Ende machte.
[148]
Waar Reformaties onstaan. — Ten tijde
van het grote kerkelijke verval was in Duitsland de Kerk
nog het minste verdorven: daarom ontstond hier de
Reformatie, als signaal dat alleen al de aanzetten van het
verval als ondraaglijk ervaren werden. Verhoudingsgewijs
was namelijk geen enkel volk toentertijd christelijke als
de Duitsers ten tijde van Luther: hun christelijke cultuur
was net gereed gemaakt om in een prachtige 100-voudige
bloei uit te barsten, — nog maar één nacht, en het zou
zover zijn; maar die nacht bracht de storm, die aan alles
een einde maakte.
[149]
Misslingen der Reformationen. —
Es spricht für die höhere Cultur der Griechen
selbst in ziemlich frühen Zeiten, dass mehrere Male die
Versuche, neue griechische Religionen zu gründen,
gescheitert sind; es spricht dafür, dass es schon früh
eine Menge verschiedenartiger Individuen in Griechenland
gegeben haben muss, deren verschiedenartige Noth nicht mit
einem einzigen Recepte des Glaubens und Hoffens abzuthun
war. Pythagoras und Plato, vielleicht auch Empedokles, und
bereits viel früher die orphischen Schwarmgeister, waren
darauf aus, neue Religionen zu gründen; und die beiden
Erstgenannten hatten so ächte Religionsstifter-Seelen und
-Talente, dass man sich über ihr Misslingen nicht genug
verwundern kann: sie brachten es aber nur zu Secten.
Jedes Mal, wo die Reformation eines ganzen Volkes misslingt
und nur Secten ihr Haupt emporheben, darf man schliessen,
dass das Volk schon sehr vielartig in sich ist und sich von
den groben Heerdeninstincten und der Sittlichkeit der Sitte
loszulösen beginnt: ein bedeutungsvoller Schwebezustand, den
man als Sittenverfall und Corruption zu verunglimpfen
gewohnt ist: während er das Reifwerden des Eies und das nahe
Zerbrechen der Eierschaale ankündigt.
Dass Luther’s Reformation im Norden gelang,
ist ein Zeichen dafür, dass der Norden gegen den Süden
Europa’s zurückgeblieben war und noch ziemlich einartige
und einfarbige Bedürfnisse kannte; und es hätte überhaupt
keine Verchristlichung Europa’s gegeben, wenn nicht die
Cultur der alten Welt des Südens allmählich durch eine
übermässige Hinzumischung von germanischem Barbarenblut
barbarisirt und ihres Cultur-Uebergewichtes verlustig
gegangen wäre.
Je allgemeiner und unbedingter ein Einzelner oder der
Gedanke eines Einzelnen wirken kann, um so gleichartiger und
um so niedriger muss die Masse sein, auf die da gewirkt
wird; während Gegenbestrebungen innere Gegenbedürfnisse
verrathen, welche auch sich befriedigen und durchsetzen
wollen. Umgekehrt darf man immer auf eine wirkliche Höhe der
Cultur schliessen, wenn mächtige und herrschsüchtige Naturen
es nur zu einer geringen und sectirerischen Wirkung bringen:
diess gilt auch für die einzelnen Künste und die Gebiete der
Erkenntniss. Wo geherrscht wird, da giebt es Massen: wo
Massen sind, da giebt es ein Bedürfniss nach Sclaverei. Wo
es Sclaverei giebt, da sind der Individuen nur wenige, und
diese haben die Heerdeninstincte und das Gewissen gegen
sich.
[149]
Waarom Reformaties mislukken. — [...] Telkens
als de Reformatie van een heel volk mislukt, en er slechts
sekten de kop opsteken, mag men conlcuderen dat dàt volk
intern al pluraal was, en zich al was begonnen los te
maken van het groffe kudde-instinct en de moraliserende
zede: een veelbetekenende zweeftoestand, die men
gewoonlijk als moreel verval en en bederf hekelt, terwijl
het het rijpen van het ei, en het breken van de schaal
aankondigt. [...] Het effect dat een enkeling — of de
gedachte van een enkeling — op een massa mensen heeft,
neemt toe naarmate de massa homogeen is en uit lage mensen
bestaat; Omgekeerd mag men ook altijd tot een echt hoge
cultuur concluderen, als machtige en heerszuchtige naturen
slechts een gering en sectarisch effect bereiken. Dit
geldt trouwens ook voor alle kunsten op zich, en de
kennisgebieden. Waar geheerst wordt, daar zijn er massa's;
waar massa's zijn, is er behoefte aan onderwerping. Waar
onderwerping is, zijn maar weinig individuen, en tegen hen
keren zich de kudde-instincten en het geweten.
[150]
Zur Kritik der Heiligen. —
Muss man denn, um eine Tugend zu haben, sie gerade
in ihrer brutalsten Gestalt haben wollen? — wie es die
christlichen Heiligen wollten und nöthig hatten; als
welche das Leben nur mit dem Gedanken ertrugen, dass
beim Anblick ihrer Tugend einen Jeden die Verachtung
seiner selber anwandelte. Eine Tugend aber mit solcher
Wirkung nenne ich brutal.
[151]
Vom Ursprunge der Religion. —
Das metaphysische Bedürfniss ist nicht der Ursprung
der Religionen, wie Schopenhauer will, sondern nur ein
Nachschössling
derselben. Man hat sich unter der Herrschaft religiöser
Gedanken an die Vorstellung einer „anderen (hinteren,
unteren, oberen) Welt“ gewöhnt und fühlt bei der
Vernichtung des religiösen Wahns eine unbehagliche Leere
und Entbehrung, — und nun wächst aus diesem Gefühle
wieder eine „andere Welt“ heraus, aber jetzt nur eine
metaphysische und nicht mehr religiöse. Das aber, was in
Urzeiten zur Annahme einer „anderen Welt“ überhaupt
führte, war nicht
ein Trieb und Bedürfniss, sondern ein Irrthum in der Auslegung
bestimmter Naturvorgänge, eine Verlegenheit des
Intellects.
[151]
De oorsprong van de religie — De
metafysische behoefte is niet de oorsprong van de
religies, zoals Schopenhauer wil, maar een
nakomertje/late uitloper daarvan. Men is onder de
heerschappij van religieuze gedachten gewoon geworden aan
de voorstelling van een "andere (achter-, onder-, boven-)
wereld" en voelt bij de vernietiging van de religieuze
waan een onbehaaglijke leegte en een gemis, – en uit dit
gevoel groeit nu opnieuw een ‘andere wereld’, maar dezet
keer enkel een metafysische, niet meer een godsdienstige.
Wat echter in oertijden tot de veronderstelling van die
'andere wereld’ leidde, was geen aandrift en
behoefte, maar een dwaling/vergissing (
Irrtum ) in de uitleg van bepaalde
natuurverschijnselen, een verlegenheid van het intellect.
Opm: 'Verlegenheit' wordt vaak
vertaald met tekortschieten, maar dat heeft een negatief
oordeel in zich, wat niet perse de gevoelswaarde van het
origineel is.
[152]
Die grösste Veränderung. —
Die Beleuchtung und die Farben aller Dinge haben
sich verändert! Wir verstehen nicht mehr ganz, wie die
alten Menschen das Nächste und Häufigste empfanden, —
zum Beispiel den Tag und das Wachen: dadurch, dass die
Alten an Träume glaubten, hatte das wache Leben andere
Lichter. Und ebenso das ganze Leben, mit der
Zurückstrahlung des Todes und seiner Bedeutung: unser
„Tod“ ist ein ganz anderer Tod. Alle Erlebnisse
leuchteten anders, denn ein Gott glänzte aus ihnen; alle
Entschlüsse und Aussichten auf die ferne Zukunft
ebenfalls: denn man hatte Orakel und geheime Winke und
glaubte an die Vorhersagung. „Wahrheit“ wurde anders
empfunden, denn der Wahnsinnige konnte ehemals als ihr
Mundstück gelten, — was
uns schaudern oder lachen macht. Jedes
Unrecht wirkte anders auf das Gefühl: denn man fürchtete
eine göttliche Vergeltung und nicht nur eine bürgerliche
Strafe und Entehrung. Was war die Freude in der Zeit,
als man an die Teufel und die Versucher glaubte! Was die
Leidenschaft, wenn man die Dämonen in der Nähe lauern
sah! Was die Philosophie, wenn der Zweifel als
Versündigung der gefährlichsten Art gefühlt wurde, und
zwar als ein Frevel an der ewigen Liebe, als Misstrauen
gegen Alles, was gut, hoch, rein und erbarmend war! —
Wir haben die Dinge neu gefärbt, wir malen immerfort an
ihnen, — aber was vermögen wir einstweilen gegen die
Farbenpracht jener
alten Meisterin! — ich meine die alte Menschheit.
[153]
Homo poeta. —
„Ich selber, der ich höchst eigenhändig diese Tragödie
der Tragödien gemacht habe, soweit sie fertig ist; ich,
der ich den Knoten der Moral erst in’s Dasein
hineinknüpfte und so fest zog, dass nur ein Gott ihn
lösen kann, — so verlangt es ja Horaz! — ich selber habe
jetzt im vierten Act alle Götter umgebracht, — aus
Moralität! Was soll nun aus dem fünften werden! Woher
noch die tragische Lösung nehmen! — Muss ich anfangen,
über eine komische Lösung nachzudenken?“
[154]
Verschiedene Gefährlichkeit des
Lebens. — Ihr wisst gar nicht, was ihr
erlebt, ihr lauft wie betrunken durch’s Leben und fallt
ab und zu eine Treppe hinab. Aber, Dank eurer
Trunkenheit, brecht ihr doch nicht dabei die Glieder:
eure Muskeln sind zu matt und euer Kopf zu dunkel, als
dass ihr die Steine dieser Treppe so hart fändet, wie
wir Anderen! Für uns ist das Leben eine grössere Gefahr:
wir sind von Glas — wehe, wenn wir uns stossen ! Und Alles ist
verloren, wenn wir fallen
!
[155]
Was uns fehlt. —
Wir lieben die grosse
Natur und haben sie entdeckt: das kommt daher, dass
in unserem Kopfe die grossen Menschen fehlen. Umgekehrt
die Griechen: ihr Naturgefühl ist ein anderes, als das
unsrige.
[156]
Der Einflussreichste. —
Dass ein Mensch seiner ganzen Zeit Widerstand leistet,
sie am Thore aufhält und zur Rechenschaft zieht, das
muss Einfluss üben!
Ob er es will, ist gleichgültig; dass er es kann , ist die Sache.
[157]
Mentiri. — Gieb
Acht! — er sinnt nach: sofort wird er eine Lüge bereit
haben. Diess ist eine Stufe der Cultur, auf der ganze
Völker gestanden haben. Man erwäge doch, was die Römer
mit mentiri ausdrückten!
[158]
Unbequeme Eigenschaft. —
Alle Dinge tief finden — das ist eine unbequeme
Eigenschaft: sie macht, dass man beständig seine Augen
anstrengt und am Ende immer mehr findet, als man
gewünscht hat.
[159]
Jede Tugend hat ihre Zeit. —
Wer jetzt unbeugsam ist, dem macht seine
Redlichkeit oft Gewissensbisse: denn die Unbeugsamkeit
ist die Tugend eines anderen Zeitalters, als die
Redlichkeit.
[160]
Im Verkehre mit Tugenden. —
Man kann auch gegen eine Tugend würdelos und
schmeichlerisch sein.
[161]
An die Liebhaber der Zeit. —
Der entlaufene Priester und der entlassene
Sträfling machen fortwährend Gesichter: was sie wollen,
ist ein Gesicht ohne Vergangenheit. — Habt ihr aber
schon Menschen gesehen, welche wissen, dass die Zukunft
in ihrem Gesichte sich spiegelt, und welche so höflich
gegen euch, ihr Liebhaber der „Zeit“, sind, dass sie ein
Gesicht ohne Zukunft machen? —
[162]
Egoismus. —
Egoismus ist das
perspectivische Gesetz der Empfindung,
nach dem das Nächste gross und schwer erscheint: während
nach der Ferne zu alle Dinge an Grösse und Gewicht
abnehmen.
[163]
Nach einem grossen Siege. —
Das Beste an einem grossen Siege ist, dass er dem
Sieger die Furcht vor einer Niederlage nimmt. „Warum
nicht auch einmal unterliegen? — sagt er sich: ich bin
jetzt reich genug dazu“.
[164]
Die Ruhesuchenden. —
Ich erkenne die Geister, welche Ruhe suchen, an den
vielen dunklen
Gegenständen, welche sie um sich aufstellen: wer
schlafen will, macht sein Zimmer dunkel oder kriecht in
eine Höhle. — Ein Wink für Die, welche nicht wissen, was
sie eigentlich am meisten suchen, und es wissen möchten!
[165]
Vom Glücke der Entsagenden. —
Wer sich Etwas gründlich und auf lange Zeit hin
versagt, wird, bei einem zufälligen Wiederantreffen
desselben, fast vermeinen, es entdeckt zu haben, — und
welches Glück hat jeder Entdecker! Seien wir klüger, als
die Schlangen, welche zu lange in der selben Sonne
liegen.
[166]
Immer in unserer Gesellschaft. —
Alles, was meiner Art ist, in Natur und Geschichte,
redet zu mir, lobt mich, treibt mich vorwärts, tröstet
mich —: das Andere höre ich nicht oder vergesse es
gleich. Wir sind stets nur in unserer Gesellschaft.
[167]
Misanthropie und Liebe. —
Man spricht nur dann davon, dass man der Menschen
satt sei, wenn man sie nicht mehr verdauen kann und doch
noch den Magen voll davon hat. Misanthropie ist die
Folge einer allzubegehrlichen Menschenliebe und
„Menschenfresserei“, — aber, wer hiess dich auch
Menschen zu verschlucken wie Austern, mein Prinz Hamlet?
[168]
Von einem Kranken. —
„Es steht schlecht um ihn!“ — Woran fehlt es? — „Er
leidet an der Begierde, gelobt zu werden, und findet
keine Nahrung für sie.“ — Unbegreiflich! Alle Welt
feiert ihn, und man trägt ihn nicht nur auf den Händen,
sondern auch auf den Lippen! — „Ja, aber er hat ein
schlechtes Gehör für das Lob. Lobt ihn ein Freund, so
klingt es ihm, als ob dieser sich selber lobe; lobt ihn
ein Feind, so klingt es ihm, als ob dieser dafür gelobt
werden wolle; lobt ihn endlich einer der Uebrigen — es
sind gar nicht so Viele übrig, so berühmt ist er! — so
beleidigt es ihn, dass man ihn nicht zum Freund oder
Feind haben wolle; er pflegt zu sagen: Was liegt mir an
Einem, der gar noch gegen mich den Gerechten zu spielen
vermag!“
[169]
Offene Feinde. —
Die Tapferkeit vor dem Feinde ist ein Ding für sich:
damit kann man immer noch ein Feigling und ein
unentschlossener Wirrkopf sein. So urtheilte Napoleon in
Hinsicht auf den „tapfersten Menschen“, der ihm bekannt
sei, Murat: — woraus sich ergiebt, dass offene Feinde
für manche Menschen unentbehrlich sind, falls sie sich
zu ihrer
Tugend, ihrer Männlichkeit und Heiterkeit erheben
sollen.
[170]
Mit der Menge. —
Er läuft bisher mit der Menge und ist ihr Lobredner:
aber eines Tages wird er ihr Gegner sein! Denn er folgt
ihr im Glauben, dass seine Faulheit dabei ihre Rechnung
fände: er hat noch nicht erfahren, dass die Menge nicht
faul genug für ihn ist! dass sie immer vorwärts drängt!
dass sie Niemandem erlaubt, stehen zu bleiben! — Und er
bleibt so gern stehen!
[171]
Ruhm. — Wenn die
Dankbarkeit Vieler gegen Einen alle Scham wegwirft, so
entsteht der Ruhm.
[172]
Der Geschmacks-Verderber. —
A.: „Du bist ein Geschmacks-Verderber, — so sagt
man überall!“
B.: „Sicherlich! Ich verderbe Jedermann den Geschmack an
seiner Partei: — das verzeiht mir keine Partei.“
[173]
Tief sein und tief scheinen. —
Wer sich tief weiss, bemüht sich um Klarheit; wer
der Menge tief scheinen möchte, bemüht sich um
Dunkelheit. Denn die Menge hält Alles für tief, dessen
Grund sie nicht sehen kann: sie ist so furchtsam und
geht so ungern in’s Wasser.
[173]
Diep zijn en diep lijken. — Wie zichzelf
als diep beschouwt, streeft naar duidelijkheid; wie diep
wil lijken voor de massa, streeft naar duisternis. Want de
massa houdt alles voor diep, waarvan zij de grond niet kan
zien: ze is zo vreesachtig en gaat slechts met tegenzin
het water in.
[174]
Abseits. — Der
Parlamentarismus, das heisst die öffentliche Erlaubniss,
zwischen fünf politischen Grundmeinungen wählen zu
dürfen, schmeichelt sich bei jenen Vielen ein, welche
gerne selbständig und individuell scheinen und für ihre
Meinungen kämpfen möchten. Zuletzt aber ist es
gleichgültig, ob der Heerde Eine Meinung befohlen oder
fünf Meinungen gestattet sind. — Wer von den fünf
öffentlichen Meinungen abweicht und bei Seite tritt, hat
immer die ganze Heerde gegen sich.
[175]
Von der Beredtsamkeit. —
Wer besass bis jetzt die überzeugendste
Beredtsamkeit? Der Trommelwirbel: und so lange die
Könige diesen in der Gewalt haben, sind sie immer noch
die besten Redner und Volksaufwiegler.
[176]
Mitleiden. — Die
armen regierenden Fürsten! Alle ihre Rechte verwandeln
sich jetzt unversehens in Ansprüche, und all diese
Ansprüche klingen bald wie Anmaassungen! Und wenn sie
nur „Wir“ sagen oder „mein Volk“, so lächelt schon das
alte boshafte Europa. Wahrhaftig, ein
Oberceremonienmeister der modernen Welt würde wenig
Ceremonien mit ihnen machen; vielleicht würde er
decretiren: „les souverains rangent aux parvenus“.
[177]
Zum „Erziehungswesen“. —
In Deutschland fehlt dem höheren Menschen ein
grosses Erziehungsmittel: das Gelächter höherer
Menschen; diese lachen nicht in Deutschland.
[178]
Zur moralischen Aufklärung. —
Man muss den Deutschen ihren Mephistopheles
ausreden: und ihren Faust dazu. Es sind zwei moralische
Vorurtheile gegen den Werth der Erkenntniss.
[179]
Gedanken. —
Gedanken sind die Schatten unserer Empfindungen, — immer
dunkler, leerer, einfacher, als diese.
[180]
Die gute Zeit der freien Geister.
— Die freien Geister nehmen sich auch
vor der Wissenschaft noch ihre Freiheiten — und
einstweilen giebt man sie ihnen auch, — so lange die
Kirche noch steht! — In so fern haben sie jetzt ihre
gute Zeit.
[181]
Folgen und Vorangehen. —
A.: „Von den Beiden wird der Eine immer folgen, der
Andere immer vorangehen, wohin sie auch das Schicksal
führt. Und doch
steht der Erstere über dem Anderen, nach seiner
Tugend und seinem Geiste!“ B.: „Und doch? Und doch? Das
ist für die Anderen geredet; nicht für mich, nicht für
uns! — Fit secundum regulam.“
[182]
In der Einsamkeit. —
Wenn man allein lebt, so spricht man nicht zu laut, man
schreibt auch nicht zu laut: denn man fürchtet den
hohlen Widerhall — die Kritik der Nymphe Echo. — Und
alle Stimmen klingen anders in der Einsamkeit!
[183]
Die Musik der besten Zukunft. —
Der erste Musiker würde mir der sein, welcher nur
die Traurigkeit des tiefsten Glückes kennte, und sonst
keine Traurigkeit: einen solchen gab es bisher nicht.
[184]
Justiz. — Lieber
sich bestehlen lassen, als Vogelscheuchen um sich haben
— das ist mein Geschmack. Und es ist unter allen
Umständen eine Sache des Geschmackes — und nicht mehr!
[185]
Arm. — Er ist
heute arm: aber nicht weil man ihm Alles genommen,
sondern weil er Alles weggeworfen hat: — was macht es
ihm? Er ist daran gewöhnt, zu finden. — Die Armen sind
es, welche seine freiwillige Armuth missverstehen.
[186]
Schlechtes Gewissen. —
Alles, was er jetzt thut, ist brav und ordentlich — und
doch hat er ein schlechtes Gewissen dabei. Denn das
Ausserordentliche ist seine Aufgabe.
[187]
Das Beleidigende im Vortrage. —
Dieser Künstler beleidigt mich durch die Art, wie
er seine Einfälle, seine sehr guten Einfälle vorträgt:
so breit und nachdrücklich, und mit so groben
Kunstgriffen der Ueberredung, als ob er zum Pöbel
spräche. Wir sind immer nach einiger Zeit, die wir
seiner Kunst schenkten, wie „in schlechter
Gesellschaft“.
[188]
Arbeit. — Wie nah
steht jetzt auch dem Müssigsten von uns die Arbeit und
der Arbeiter! Die königliche Höflichkeit in dem Worte
„wir Alle sind Arbeiter!“ wäre noch unter Ludwig dem
Vierzehnten ein Cynismus und eine Indecenz gewesen.
[189]
Der Denker. — Er
ist ein Denker: das heisst, er versteht sich darauf, die
Dinge einfacher zu nehmen, als sie sind.
[189]
De denkern. — Hij is een denker: dat wil
zeggen, hij is er goed in, de dingen eenvoudiger te nemen,
dan ze zijn.
[190]
Gegen die Lobenden. —
A.: „Man wird nur von Seinesgleichen gelobt!“ B.: „Ja!
Und wer dich lobt, sagt zu dir: du bist Meinesgleichen!“
[190]
Tegen hen die loven. — A: Men wordt enkel door
zijn gelijken geloofd. B: Ja! wie u looft, zegt tot u: jij
bent gelijk aan mij.
[191]
Gegen manche Vertheidigung. —
Die perfideste Art, einer Sache zu schaden, ist,
sie absichtlich mit fehlerhaften Gründen vertheidigen.
[191]
Tegen menige verdediding. — De meest perfide
manier om een zaak te schaden is haar opzettelijk met
foutieve argumenten verdedigen.
[192]
Die Gutmüthigen. —
Was unterscheidet jene Gutmüthigen, denen Wohlwollen aus
dem Gesichte strahlt, von den anderen Menschen? Sie
fühlen sich in Gegenwart einer neuen Person wohl und
sind schnell in sie verliebt; sie wollen ihr dafür wohl,
ihr erstes Urtheil ist „sie gefällt mir“. Bei ihnen
folgt auf einander: Wunsch der Aneignung (sie machen
sich wenig Scrupel über den Werth des Anderen), rasche
Aneignung, Freude am Besitz und Handeln zu Gunsten des
Besessenen.
[193]
Kant’s Witz. —
Kant wollte auf eine „alle Welt“ vor den Kopf stossende
Art beweisen, dass „alle Welt“ Recht habe: — das war der
heimliche Witz dieser Seele. Er schrieb gegen die
Gelehrten zu Gunsten des Volks-Vorurtheils, aber für
Gelehrte und nicht für das Volk.
[194]
Der „Offenherzige“. —
Jener Mensch handelt wahrscheinlich immer nach
verschwiegenen Gründen: denn er trägt immer mittheilbare
Gründe auf der Zunge und beinahe in der offnen Hand.
[195]
Zum Lachen! —
Seht hin! Seht hin! Er läuft von den Menschen weg —: diese aber folgen
ihm nach, weil er vor
ihnen herläuft, — so sehr sind sie Heerde!
[195]
Om te lachen. — Kijk daar eens! Kijk nou! Hij
loopt van de mensen weg -: Maar zij blijven hem
volgen, omdat hij voor hen uitgaat, — zozeer
zij zij een kudde.
[196]
Grenze unseres Hörsinns. —
Man hört nur die Fragen, auf welche man im Stande
ist, eine Antwort zu finden.
[196]
Grenzen aan wat we kunnen horen. — Men hoort
alleen de vragen waarop men in staat is een antwoord te
vinden.
[197]
Darum Vorsicht! —
Nichts theilen wir so gern an Andere mit, als das Siegel
der Verschwiegenheit — sammt dem, was darunter ist.
[197]
Daarom opgepast!. — Niets delen we zo graag met
anderen als het zegel der geheimhouding — met inbegrip van
alles wat daaronder ligt.
[198]
Verdruss des Stolzen. —
Der Stolze hat selbst an Denen, welche ihn vorwärts
bringen, seinen Verdruss: er blickt böse auf die Pferde
seines Wagens.
[199]
Freigebigkeit. —
Freigebigkeit ist bei Reichen oft nur eine Art
Schüchternheit.
[200]
Lachen. — Lachen
heisst: schadenfroh sein, aber mit gutem Gewissen.
[200]
Lachen. — Lachen is leedvermaak, maar met een
goed geweten.
[201]
Im Beifall. — Im
Beifall ist immer eine Art Lärm: selbst in dem Beifall,
den wir uns selber zollen.
[201]
Bijval. — Bijval gaat altijd gepaard met een
zekere luidruchtigheid — zelfs als we onszelf bijvallen.”
Opm. "Applaus is altijd
lawaaiig" overwoog ik even, maar de tautologische dreiging
weerhield me.
[202]
Ein Verschwender. —
Er hat noch nicht jene Armuth des Reichen, der seinen
ganzen Schatz schon einmal überzählt hat, — er
verschwendet seinen Geist mit der Unvernunft der
Verschwenderin Natur.
[203]
Hic niger est. —
Er hat für gewöhnlich keinen Gedanken, — aber für die
Ausnahme kommen ihm schlechte Gedanken.
[203]
Hic niger est. — In de regel denkt hij niets,
behalve bij uitzondering — dan komen er slechte gedachten.
[204]
Die Bettler und die Höflichkeit. —
„Man ist nicht unhöflich, wenn man mit
einem Steine an die Thüre klopft, welcher der Klingelzug
fehlt“ — so denken Bettler und Nothleidende aller Art;
aber Niemand giebt ihnen Recht.
[205]
Bedürfniss. — Das
Bedürfniss gilt als die Ursache der Entstehung: in
Wahrheit ist es oft nur eine Wirkung des Entstandenen.
[206]
Beim Regen. — Es
regnet, und ich gedenke der armen Leute, die sich jetzt
zusammen drängen, mit ihrer vielen Sorge und ohne
Uebung, diese zu verbergen, also Jeder bereit und guten
Willens, dem Andern wehe zu thun und sich auch bei
schlechtem Wetter eine erbärmliche Art von Wohlgefühl zu
machen. — Das, nur das ist die Armuth der Armen!
[207]
Der Neibold. —
Das ist ein Neidbold, — dem muss man keine Kinder
wünschen; er würde auf sie neidisch sein, weil er nicht
mehr Kind sein kann.
[208]
Grosser Mann! —
Daraus, dass einer „ein grosser Mann“ ist, darf man noch
nicht schliessen, dass er ein Mann ist; vielleicht ist
es nur ein Knabe, oder ein Chamäleon aller Lebensalter,
oder ein verhextes Weiblein.
[209]
Eine Art, nach Gründen zu fragen.
— Es giebt eine Art, uns nach unseren
Gründen zu fragen, bei der wir nicht nur unsre besten
Gründe vergessen, sondern auch einen Trotz und
Widerwillen gegen Gründe überhaupt in uns erwachen
fühlen: — eine sehr verdummende Art zu fragen und recht
ein Kunstgriff tyrannischer Menschen!
[210]
Maass im Fleisse. —
Man muss den Fleiss seines Vaters nicht überbieten
wollen — das macht krank.
[211]
Geheime Feinde. —
Einen geheimen Feind sich halten können — das ist ein
Luxus, für den die Moralität selbst hochgesinnter
Geister nicht reich genug zu sein pflegt.
[212]
Sich nicht täuschen lassen. —
Sein Geist hat schlechte Manieren, er ist hastig
und stottert immer vor Ungeduld: so ahnt man kaum, in
welcher langathmigen und breitbrüstigen Seele er zu
Hause ist.
[213]
Der Weg zum Glücke. —
Ein Weiser fragte einen Narren, welches der Weg zum
Glücke sei. Dieser antwortete ohne Verzug, wie Einer,
der nach dem Wege zur nächsten Stadt gefragt wird:
„Bewundere dich selbst und lebe auf der Gasse!“ „Halt,
rief der Weise, du verlangst zu viel, es genügt schon
sich selber zu bewundern!“ Der Narr entgegnete: „Aber
wie kann man beständig bewundern, ohne beständig zu
verachten?“
[214]
Der Glaube macht selig. —
Die Tugend giebt nur Denen Glück und eine Art
Seligkeit, welche den guten Glauben an ihre Tugend
haben: — nicht aber jenen feineren Seelen, deren Tugend
im tiefen Misstrauen gegen sich und alle Tugend besteht.
Zuletzt macht also auch hier „der Glaube selig!“ — und
wohlgemerkt, nicht
die Tugend!
[214]
Het geloof maakt zalig . — De deugd schenkt enkel
geluk en een soort zaligheid aan diegenen die vast geloven
in hun deugd — niet aan meer fijngevoelige zielen, wier
deugd bestaat in een diep wantrouwen jegens zichzelf en
alle deugdzaamheid. Uiteindelijk is het dus ook hier 'het
geloof dat zalig maakt!' — en dus niet de deugd.
[215]
Ideal und Stoff. —
Du hast da ein vornehmes Ideal vor Augen: aber bist
du auch ein so
vornehmer Stein, dass aus dir solch ein Götterbild
gebildet werden dürfte? Und ohne diess — ist all deine
Arbeit nicht eine barbarische Bildhauerei? Eine
Lästerung deines Ideals?
[216]
Gefahr in der Stimme. —
Mit einer sehr lauten Stimme im Halse, ist man fast
ausser Stande, feine Sachen zu denken.
[216]
Gevaar in de stem . — Met een zeer luide stem in
zijn keel is men vrijwel niet in staat subtiele zaken te
denken.
[217]
Ursache und Wirkung. —
Vor der Wirkung glaubt man an andere Ursachen, als nach
der Wirkung.
[217]
Oorzaak en gevolg . — Vóór het gevolg gelooft men
aan andere oorzaken dan erna.
[218]
Meine Antipathie. —
Ich liebe die Menschen nicht, welche, um überhaupt
Wirkung zu thun, zerplatzen müssen, gleich Bomben, und
in deren Nähe man immer in Gefahr ist, plötzlich das
Gehör — oder noch mehr zu verlieren.
[219]
Zweck der Strafe. —
Die Strafe hat den Zweck, Den zu bessern, welcher straft , — das
ist die letzte Zuflucht für die Vertheidiger der Strafe.
[220]
Opfer. — Ueber
Opfer und Aufopferung denken die Opferthiere anders, als
die Zuschauer: aber man hat sie von jeher nicht zu Worte
kommen lassen.
[221]
Schonung. — Väter
und Söhne schonen sich viel mehr unter einander, als
Mütter und Töchter.
[222]
Dichter und Lügner. —
Der Dichter sieht in dem Lügner seinen Milchbruder, dem
er die Milch weggetrunken hat; so ist Jener elend
geblieben und hat es nicht einmal bis zum guten Gewissen
gebracht.
[223]
Vicariat der Sinne. —
„Man hat auch die Augen um zu hören — sagte ein alter
Beichtvater, der taub wurde; und unter den Blinden ist
Der König, wer die längsten Ohren hat.“
[224]
Kritik der Thiere. —
Ich fürchte, die Thiere betrachten den Menschen als ein
Wesen Ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise
den gesunden Thierverstand verloren hat, — als das
wahnwitzige Thier, als das lachende Thier, als das
weinende Thier, als das unglückselige Thier.
[225]
Die Natürlichen. —
„Das Böse hat immer den grossen Effect für sich gehabt!
Und die Natur ist böse! Seien wir also natürlich!“ — so
schliessen im Geheimen die grossen Effecthascher der
Menschheit, welche man gar zu oft unter die grossen
Menschen gerechnet hat.
[226]
Die Misstrauischen und der Stil. —
Wir sagen die stärksten Dinge schlicht,
vorausgesetzt, dass Menschen um uns sind, die an unsere
Stärke glauben: — eine solche Umgebung erzieht zur
„Einfachheit des Stils“. Die Misstrauischen reden
emphatisch; die Misstrauischen machen emphatisch.
[227]
Fehlschluss, Fehlschuss. —
Er kann sich nicht beherrschen: und daraus
schliesst jene Frau, es werde leicht sein, ihn zu
beherrschen und wirft ihre Fangseile nach ihm aus; — die
Arme, die in Kürze seine Sclavin sein wird.
[228]
Gegen die Vermittelnden. —
Wer zwischen zwei entschlossenen Denkern vermitteln
will, ist gezeichnet als mittelmässig: er hat das Auge
nicht dafür, das Einmalige zu sehen; die Aehnlichseherei
und Gleichmacherei ist das Merkmal schwacher Augen.
[229]
Trotz und Treue. —
Er hält aus Trotz an einer Sache fest, die ihm
durchsichtig geworden ist, — er nennt es aber „Treue“.
[230]
Mangel an Schweigsamkeit. —
Sein ganzes Wesen
überredet nicht — das kommt daher, dass
er nie eine gute Handlung, die er that, verschwiegen
hat.
[231]
Die „Gründlichen“. —
Die Langsamen der Erkenntniss meinen, die Langsamkeit
gehöre zur Erkenntniss.
[232]
Träumen. — Man
träumt gar nicht, oder interessant. — Man muss lernen,
ebenso zu wachen: — gar nicht, oder interessant.
[233]
Gefährlichster Gesichtspunct. —
Was ich jetzt thue oder lasse, ist für alles Kommende so
wichtig, als das grösste Ereigniss der Vergangenheit: in
dieser ungeheuren Perspective der Wirkung sind alle
Handlungen gleich gross und klein.
[234]
Trostrede eines Musicanten. —
„Dein Leben klingt den Menschen nicht in die Ohren:
für sie lebst du ein stummes Leben, und alle Feinheit
der Melodie, alle zarte Entschliessung im Folgen oder
Vorangehen, bleibt ihnen verborgen. Es ist wahr: du
kommst nicht auf breiter Strasse mit Regimentsmusik
daher, — aber desshalb haben diese Guten doch kein
Recht, zu sagen, es fehle deinem Lebenswandel an Musik.
Wer Ohren hat, der höre.“
[235]
Geist und Charakter. —
Mancher erreicht seinen Gipfel als Charakter, aber sein
Geist ist gerade dieser Höhe nicht angemessen — und
Mancher umgekehrt.
[236]
Um die Menge zu bewegen. —
Muss nicht Der, welcher die Menge bewegen will, der
Schauspieler seiner selber sein? Muss er nicht sich
selber erst in’s Grotesk-Deutliche übersetzen und seine
ganze Person und Sache in dieser Vergröberung und
Vereinfachung vortragen
?
[237]
Der Höfliche. —
„Er ist so höflich!“ — Ja, er hat immer einen Kuchen für
den Cerberus bei sich und ist so furchtsam, dass er
Jedermann für den Cerberus hält, auch dich und mich, —
das ist seine „Höflichkeit“.
[238]
Neidlos. — Er ist
ganz ohne Neid, aber es ist kein Verdienst dabei: denn
er will ein Land erobern, das Niemand noch besessen und
kaum Einer auch nur gesehen hat.
[239]
Der Freudlose. —
Ein einziger freudloser Mensch genügt schon, um einem
ganzen Hausstande dauernden Missmuth und trüben Himmel
zu machen; und nur durch ein Wunder geschieht es, dass
dieser Eine fehlt! — Das Glück ist lange nicht eine so
ansteckende Krankheit, — woher kommt das?
[240]
Am Meere. — Ich
würde mir kein Haus bauen (und es gehört selbst zu
meinem Glücke, kein Hausbesitzer zu sein!). Müsste ich
aber, so würde ich, gleich manchem Römer, es bis in’s
Meer hineinbauen, — ich möchte schon mit diesem schönen
Ungeheuer einige Heimlichkeiten gemeinsam haben.
[241]
Werk und Künstler. —
Dieser Künstler ist ehrgeizig und Nichts weiter: zuletzt
ist sein Werk nur ein Vergrösserungsglas, welches er
Jedermann anbietet, der nach ihm hinblickt.
[242]
Suum cuique. —
Wie gross auch die Habsucht meiner Erkenntniss ist: ich
kann aus den Dingen nichts Anderes herausnehmen, als was
mir schon gehört, — das Besitzthum Anderer bleibt in den
Dingen zurück. Wie ist es möglich, dass ein Mensch Dieb
oder Räuber sei!
[243]
Ursprung von „Gut“ und „Schlecht“.
— Eine Verbesserung erfindet nur Der,
welcher zu fühlen weiss: „Diess ist nicht gut“.
[243]
Over de oorsprong van "goed" en "kwaad" . —
Alleen wie weet wat het is om te voelen: "Dit is niet
goed..."., zal op dit punt iets kunnen verbeteren.
[244]
Gedanken und Worte. —
Man kann auch seine Gedanken nicht ganz in Worten
wiedergeben.
[244]
Gedachten en woorden. — Ook je gedachten kun
je niet geheel in woorden weergeven.
[245]
Lob in der Wahl. —
Der Künstler wählt seine Stoffe aus: das ist seine Art
zu loben.
[245]
Loven door te kiezen. — De kunstenaar kiest
zijn onderwerpen uit: Dat is zijn manier om lof te
betuigen.
[246]
Mathematik. — Wir
wollen die Feinheit und Strenge der Mathematik in alle
Wissenschaften hineintreiben, so weit diess nur irgend
möglich ist, nicht im Glauben, dass wir auf diesem Wege
die Dinge erkennen werden, sondern um damit unsere
menschliche Relation zu den Dingen festzustellen . Die
Mathematik ist nur das Mittel der allgemeinen und
letzten Menschenkenntniss.
[246]
Wiskunde — mathematica. — Wij willen de
precisie en gestrengheid van de wiskunde in alle
wetenschappen doorvoeren, voor zover dit maar enigszins
mogelijk is. Niet vanuit het geloof dat we we langs deze
weg de dingen echt zullen kennen ( Erkenntnis
= inzicht), maar om daarmee onze menselijke relatie tot de
dingen te vast te leggen. Wiskunde is slechts
het middel om tot algemene en uiteindeljke mensenkennis
te komen.
[247]
Gewohnheit. —
Alle Gewohnheit macht unsere Hand witziger und unseren
Witz unbehender.
[247]
Gewenning. — Elke vorm van gewenning maakt
onze hand scherpzinniger, en onze scherpzinnigheid
onhandiger.
Opm. onvertaalbaar: 'Witz' is
immers ook geestigheid, grap.
[248]
Bücher. — Was ist
an einem Buche gelegen, das uns nicht einmal über alle
Bücher hinweg trägt?
[248]
Boeken. — Wat voor waarde heeft een boek,
dat ons niet eens boven alle boeken uit doet stijgen?
[249]
Der Seufzer des Erkennenden. —
„Oh über meine Habsucht! In dieser Seele wohnt
keine Selbstlosigkeit, — vielmehr ein Alles begehrendes
Selbst, welches durch viele Individuen wie durch
seine Augen sehen
und wie mit seinen
Händen greifen möchte, — ein auch die ganze
Vergangenheit noch zurückholendes Selbst, welches Nichts
verlieren will, was ihm überhaupt gehören könnte! Oh
über diese Flamme meiner Habsucht! Oh, dass ich in
hundert Wesen wiedergeboren würde!“ — Wer diesen Seufzer
nicht aus Erfahrung kennt, kennt auch die Leidenschaft
des Erkennenden nicht.
[249]
De verzuchting van
de kenniszoeker. — “O, die hebzucht van
mij! In deze ziel woont geen onbaatzuchtigheid — veeleer
een alles begerend Zelf, dat middels vele individuen wil
kijken alsof met zijn ogen, en wil grijpen
als met zijn handen — een Zelf dat zelfs het
hele verleden nog zou terughaalt, dat niets verliezen wil
van wat het maar enigszins zou kunnen toebehoren! O, deze
vlam van mijn hebzucht! O, mocht ik in honderd wezens
wedergeboren worden!” Wie deze verzuchting niet uit
ervaring kent, kent ook de hartstocht van de kenniszoeker
niet.
[250]
Schuld. — Obschon
die scharfsinnigsten Richter der Hexen und sogar die
Hexen selber von der Schuld der Hexerei überzeugt waren,
war die Schuld trotzdem nicht vorhanden. So steht es mit
aller Schuld.
[250]
Schuld. — Hoewel de scherpzinnigste
rechters van de heksen en zelfs de heksen zelf van de
schuldigheid van de hekserij overtuigd waren, was er
nochtans geen schuld voorhanden. Zo is het met alle
schuld.
[251]
Verkannte Leidende. —
Die grossartigen Naturen leiden anders, als ihre
Verehrer sich einbilden: sie leiden am härtesten durch
die unedlen, kleinlichen Wallungen mancher bösen
Augenblicke, kurz, durch ihren Zweifel an der eigenen
Grossartigkeit, — nicht aber durch die Opfer und
Martyrien, welche ihre Aufgabe von ihnen verlangt. So
lange Prometheus Mitleid mit den Menschen hat und sich
ihnen opfert, ist er glücklich und gross in sich; aber
wenn er neidisch auf Zeus und die Huldigungen wird,
welche Jenem die Sterblichen bringen, — da leidet er!
[252]
Lieber schuldig. —
„Lieber schuldig bleiben, als mit einer Münze zahlen,
die nicht unser Bild trägt!“ — so will es unsere
Souveränität.
[252]
Liever schuldig. "Liever schulden hebben
dan met een munt waarop een andere beeltenaar staat
betalen!" — Zo wil het onze souvereiniteit.
[253]
Immer zu Hause. —
Eines Tages erreichen wir unser Ziel — und weisen
nunmehr mit Stolz darauf hin, was für lange Reisen wir
dazu gemacht haben. In Wahrheit merkten wir nicht, dass
wir reisten. Wir kamen aber dadurch so weit, dass wir an
jeder Stelle wähnten, zu
Hause zu sein.
[253]
Altijd thuis. — Op een zekere dag bereiken
we ons doel — en van dan af aan wijzen we er
trots op, wat voor lange reizen we daartoe gemaakt hebben.
In werkelijkheid hadden we niet door dat we op reis waren.
We zijn zover geraakt, doordat we op elke plek meenden
thuis te zijn.
[254]
Gegen die Verlegenheit. —
Wer immer tief beschäftigt ist, ist über alle
Verlegenheit hinaus.
[254]
niet in verlegenheid raken. — Wie steeds
druk bezig is, geraakt nooit in verlegenheid.
opm. "Verlegenheit" heeft in
het Duits geen associatie met schuchterheid (zoals het
Nederlandse 'verlegenheid'). Enkel met tekortschieten,
hachelijkheid)
[255]
Nachahmer. — A.:
„Wie? Du willst keine Nachahmer?“ B.: „Ich will nicht,
dass man mir Etwas nachmache, ich will, dass Jeder sich
Etwas vormache: das Selbe, was ich thue.“ A.: „Also —?“
[255]
Imitatoren- ....
( woordspel 'mir etwas nachmachen' = mij in
iets nadoen — versus sich etwas vormachen'(= zichzelf iets
wijsmaken.)
[256]
Hautlichkeit. —
Alle Menschen der Tiefe haben ihre Glückseligkeit darin,
einmal den fliegenden Fischen zu gleichen und auf den
äussersten Spitzen der Wellen zu spielen; sie schätzen
als das Beste an den Dingen, — dass sie eine Oberfläche
haben: ihre Hautlichkeit — sit venia verbo.
[257]
Aus der Erfahrung. —
Mancher weiss nicht, wie reich er ist, bis er erfährt,
was für reiche Menschen an ihm noch zu Dieben werden.
[257]
Uit ervaring. — Pas als je ervaart dat
rijken jou willen bestelen, besef je hoe rijk je bent.
[258]
Die Leugner des Zufalls. —
Kein Sieger glaubt an den Zufall.
[258]
Zij die het toeval ontkennen. — Geen enkele
winnaar gelooft aan het toeval.
[259]
Aus dem Paradiese. —
„Gut und böse sind die Vorurtheile Gottes“ — sagte die
Schlange.
[259]
Uit het paradijs. — "Goed en kwaad zijn de
vooroordelen van God" — zei de slang.
[260]
Ein Mal eins. —
Einer hat immer Unrecht: aber mit Zweien beginnt die
Wahrheit. — Einer kann sich nicht beweisen: aber Zweie
kann man bereits nicht widerlegen.
[260]
Eén maal één. — Eén heeft altijd ongelijk;
maar met twee begint de waarheid. — Eén kan zichzelf niet
bewijzen; maar twee kan men al niet meer weerleggen.
[261]
Originalität. —
Was ist Originalität? Etwas sehen , das noch keinen
Namen trägt, noch nicht genannt werden kann, ob es
gleich vor Aller Augen liegt. Wie die Menschen
gewöhnlich sind, macht ihnen erst der Name ein Ding
überhaupt sichtbar. — Die Originalen sind zumeist auch
die Namengeber gewesen.
[261]
Originaliteit. — Wat is orginaliteit? Iets
zien , dat nog geen naam draagt, nog niet
genoemd kan worden, hoewel het in het oog springt.
Gewoontedieren als de mensen zijn, maakt een naam voor hen
de dingen pas echt zichtbaar. — Originele mensen zijn
meestal ook naamgevers geweest.
[262]
Sub specie aeterni. —
A.: „Du entfernst dich immer schneller von den Lebenden:
bald werden sie dich aus ihren Listen streichen!“ — B.:
„Es ist das einzige Mittel, um an dem Vorrecht der
Todten theilzuhaben.“ — A.: „An welchem Vorrecht?“ — B.:
„Nicht mehr zu sterben.“
[262]
Sub specie aeterni. — A: "Je verwijdert je
steeds sneller van de levenden: straks schrappen ze je nog
van hun lijsten!" — B: "dat is de enige manier om te
kunnen delen in het voorrecht van de doden." — A.: "Welk
voorrecht?" — B: "Niet meer te sterven."
[263]
Ohne Eitelkeit. —
Wenn wir lieben, so wollen wir, dass unsere Mängel
verborgen bleiben, — nicht aus Eitelkeit, sondern, weil
das geliebte Wesen nicht leiden soll. Ja, der Liebende
möchte ein Gott scheinen, — und auch diess nicht aus
Eitelkeit.
[263]
Zonder ijdelheid. — Als we liefhebben, dan
willen we dat onze gebreken verborgen blijven, —
niet uit ijdelheid, maar om het geliefde wezen lijden te
besparen. Ja, wie liefheeft zou graag een God lijken, — en
ook die niet uit ijdelheid.
[264]
Was wir thun. —
Was wir thun, wird nie verstanden, sondern immer nur
gelobt und getadelt.
[264]
Wat wij doen wordt nooit begrepen, maar
altijd enkel geloofd of veroordeeld.
[265]
Letzte Skepsis. —
Was sind denn zuletzt die Wahrheiten des Menschen? — Es
sind die unwiderlegbaren
Irrthümer des Menschen.
[265]
Laatste skepsis. — Wat zijn nu uiteindelijk
de waarheden van de mens? — Zijn onweerlegbare
dwalingen.
[266]
Wo Grausamkeit noth thut. —
Wer Grösse hat, ist grausam gegen seine Tugenden
und Erwägungen zweiten Ranges.
[266]
Waar wreedheid nodig is. — Wie grootheid
bezit, is wreed jegens zijn tweederangs deugden en
overwegingen.
[267]
Mit einem grossen Ziele. —
Mit einem grossen Ziele ist man sogar der
Gerechtigkeit überlegen, nicht nur seinen Thaten und
seinen Richtern.
[267]
Met een groot doel staat men zelfs boven de
rechtvaardigheid, niet enkel boven z'n daden en z'n
rechters.
[268]
Was macht heroisch? —
Zugleich seinem höchsten Leide und seiner höchsten
Hoffnung entgegengehn.
[268]
Wat maakt van de mens een held? — Tegelijk
zijn hoogste pijn en zijn hoogste verwachting tegemoetgaan
[269]
Woran glaubst du? —
Daran: dass die Gewichte aller Dinge neu bestimmt werden
müssen.
[269]
Waaraan hecht je geloof — Hieraan:
dat het gewicht van alle dingen opnieuw bepaald moet
worden..
[270]
Was sagt dein Gewissen? —
„Du sollst der werden, der du bist.“
[270]
Wat zegt je geweten? "Jij moet diegene
worden, die je bent" (of korter: "Word, wie je bent")
[271]
Wo liegen deine grössten Gefahren?
— Im Mitleiden.
[271]
Waarin schuilen voor jou de grootste gevaren
? — In het medelijden.
[272]
Was liebst du an Anderen? —
Meine Hoffnungen.
[272]
Wat bemin je in andere mensen? — Mijn
verwachtingen.
[273]
Wen nennst du schlecht? —
Den, der immer beschämen will.
[273]
Wie noem je slecht? — Hij die altijd iemand
anders in een ongemakkelijke positie wil manoeuvreren.
Opm. "beschämen" is in het
Duits en het Nederlands eigenlijk een breed existentieel
begrip. Iemand In een toestand brengen die schaamte
veroorzaakt, te schande maken, in verlegenheid brengen (
embarrass) mentaal klemzetten, vernederen.)
[274]
Was ist dir das Menschlichste? —
Jemandem Scham ersparen.
[274]
Wat is voor jou het meest menselijke? —
Iemand schaamte besparen.
[275]
Was ist das Siegel der erreichten
Freiheit? — Sich nicht mehr vor sich
selber schämen.
[275]
Wat is het zegel op verworven vrijheid? —
Zich niet langer voor zich zelf schamen.
Der du mit dem Flammenspeere
Meiner Seele Eis zertheilt,
Dass sie brausend nun zum Meere
Ihrer höchsten Hoffnung eilt:
Heller stets und stets gesunder,
Frei im liebevollsten Muss: —
Also preist sie deine Wunder,
Schönster Januarius!
Genua im Januar
1882.
Gij die met uw vlammenspeer
mijn in ijs verkilde ziel doorklieft ,
Zodat ze bruist nu, en naar de zee
van haar hoogste hope vliedt,
helderder, en steeds gezonder,
onweerstaanbaar vrij,
En ze roept, verwonderd:
Januarius, hoe schoon zijt gij.
Genua, januari 1882
[276]
Zum neuen Jahre. —
Noch lebe ich, noch denke ich: ich muss noch leben, denn
ich muss noch denken. Sum, ergo cogito: cogito, ergo sum.
Heute erlaubt sich Jedermann seinen Wunsch und liebsten
Gedanken auszusprechen: nun, so will auch ich sagen, was
ich mir heute von mir selber wünschte und welcher Gedanke
mir dieses Jahr zuerst über das Herz lief, — welcher
Gedanke mir Grund, Bürgschaft und Süssigkeit alles
weiteren Lebens sein soll! Ich will immer mehr lernen, das
Nothwendige an den Dingen als das Schöne sehen: — so werde
ich Einer von Denen sein, welche die Dinge schön machen.
Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! Ich will keinen
Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht anklagen,
ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. Wegsehen sei meine einzige
Verneinung! Und, Alles in Allem und Grossen: ich will
irgendwann einmal nur noch ein Ja-sagender sein!
[276]
Op het nieuwe jaar. — Nog leef ik, nog denk
ik: ik moet nog leven, want ik moet nog denken. Sum, ergo
cogito: cogito, ergo sum. Vandaag mag iedereen zijn wensen
en liefste gedachten uitspreken: Welaan, dan wil ook ik
eens zeggen wat ik mezelf nu toewens en welke gedachte mij
dit jaar als eerste door het hart schoot — welke gedachte
mijn leven van nu af aan zou moeten gronden, borgen en
veraangenamen: Ik wil steeds beter leren zien dat het
noodwendige van de dingen tegelijk ook het mooie is. — dan
behoor ik tot degenen die de dingen mooi maken. Amor
fati: dat zij van nu af aan mijn liefde! Ik wil
geen oorlog voeren tegen het lelijke. Ik wil niet
aanklagen, ik wil zelfs de aanklagers niet aanklagen.
Wegkijken zij mijn enige ontkenning ! Alles
tesamen gevat: ik wil ooit nog eens alleen maar een
ja-zegger zijn!
Opm. weg-sehen (wegkijken), vergelijk 280 :
bei-Seitegehen.
[277]
Persönliche Providenz. —
Es giebt einen gewissen hohen Punct des Lebens:
haben wir den erreicht, so sind wir mit all unserer
Freiheit, und so sehr wir dem schönen Chaos des Daseins
alle fürsorgende Vernunft und Güte abgestritten haben,
noch einmal in der grössten Gefahr der geistigen
Unfreiheit und haben unsere schwerste Probe abzulegen.
Jetzt nämlich stellt sich erst der Gedanke an eine
persönliche Providenz mit der eindringlichsten Gewalt
vor uns hin und hat den besten Fürsprecher, den
Augenschein, für sich, jetzt wo wir mit Händen greifen,
dass uns alle, alle Dinge, die uns treffen, fortwährend
zum Besten gereichen
. Das Leben jedes Tages und jeder Stunde scheint
Nichts mehr zu wollen, als immer nur diesen Satz neu
beweisen; sei es was es sei, böses wie gutes Wetter, der
Verlust eines Freundes, eine Krankheit, eine
Verleumdung, das Ausbleiben eines Briefes, die
Verstauchung eines Fusses, ein Blick in einen
Verkaufsladen, ein Gegenargument, das Aufschlagen eines
Buches, ein Traum, ein Betrug: es erweist sich sofort
oder sehr bald nachher als ein Ding, das „nicht fehlen
durfte“, — es ist voll tiefen Sinnes und Nutzens gerade
für uns !
Giebt es eine gefährlichere Verführung, den Göttern
Epikur’s, jenen sorglosen Unbekannten, den Glauben zu
kündigen und an irgend eine sorgenvolle und kleinliche
Gottheit zu glauben, welche selbst jedes Härchen auf
unserem Kopfe persönlich kennt und keinen Ekel in der
erbärmlichsten Dienstleistung findet? Nun — ich meine
trotzalledem! wir wollen die Götter in Ruhe lassen und
die dienstfertigen Genien ebenfalls und uns mit der
Annahme begnügen, dass unsere eigene practische und
theoretische Geschicklichkeit im Auslegen und
Zurechtlegen der Ereignisse jetzt auf ihren Höhepunct
gelangt sei. Wir wollen auch nicht zu hoch von dieser
Fingerfertigkeit unserer Weisheit denken, wenn uns
mitunter die wunderbare Harmonie allzusehr überrascht,
welche beim Spiel auf unserem Instrumente entsteht: eine
Harmonie, welche zu gut klingt, als dass wir es wagten,
sie uns selber zuzurechnen. In der That, hier und da
spielt Einer mit
uns — der liebe Zufall: er führt uns gelegentlich
die Hand, und die allerweiseste Providenz könnte keine
schönere Musik erdenken, als dann dieser unserer
thörichten Hand gelingt.
[277]
Persoonlijke voorzienigheid. — Er is zoiets
als een hoogtepunt in het leven, dat — als we het hebben
bereikt- ons met al onze vrijheid, hoezeer we ook aan de
schone chaos van het bestaan alle zorgzame redelijkheid en
goedheid hebben ontzegd, opnieuw in het grootste gevaar
brengt, dat van de geestelijke onvrijheid. Dan moeten we
we onze zwaarste proef afleggen. Nu worden we namelijk op
de meest indringende wijze geconfronteerd met de gedachte
aan een persoonlijke voorzienigheid. En de beste advocaat,
'dat het zich zo laat aanzien', spreekt voor haar, nu wij
met de handen tasten dat alle, alle dingen, die ons
overkomen, ons voortdurend ten goede komen...
Opm. Voorzienigheid is een theologische term providentia
Dei , het geloof dat God alles (ook het kwade) ten
goede kan en zal keren
.
[278]
Der Gedanke an den Tod. —
Es macht mir ein melancholisches Glück, mitten in diesem
Gewirr der Gässchen, der Bedürfnisse, der Stimmen zu
leben: wieviel Geniessen, Ungeduld, Begehren, wieviel
durstiges Leben und Trunkenheit des Lebens kommt da jeden
Augenblick an den Tag! Und doch wird es für alle diese
Lärmenden, Lebenden, Lebensdurstigen bald so stille sein!
Wie steht hinter Jedem sein Schatten, sein dunkler
Weggefährte! Es ist immer wie im letzten Augenblicke vor
der Abfahrt eines Auswandererschiffes: man hat einander
mehr zu sagen als je, die Stunde drängt, der Ozean und
sein ödes Schweigen wartet ungeduldig hinter alle dem
Lärme — so begierig, so sicher seiner Beute. Und Alle,
Alle meinen, das Bisher sei Nichts oder Wenig, die nahe
Zukunft sei Alles: und daher diese Hast, diess Geschrei,
dieses Sich-Uebertäuben und Sich-Uebervortheilen! Jeder
will der Erste in dieser Zukunft sein, — und doch ist Tod
und Todtenstille das einzig Sichere und das Allen
Gemeinsame dieser Zukunft! Wie seltsam, dass diese einzige
Sicherheit und Gemeinsamkeit fast gar Nichts über die
Menschen vermag und dass sie
am Weitesten davon entfernt sind, sich
als die Brüderschaft des Todes zu fühlen! Es macht mich
glücklich, zu sehen, dass die Menschen den Gedanken an den
Tod durchaus nicht denken wollen! Ich möchte gern Etwas
dazu thun, ihnen den Gedanken an das Leben noch hundertmal
denkenswerther
zu machen.
[278]
De gedachte aan de dood. — Het schenkt mij
een melancholisch geluk om te leven te midden van deze
wirwar van steegjes, van behoeften, van stemmen: hoeveel
genot, ongeduld en verlangen, hoeveel dorstig leven en
dronkenschap van het leven komt daar elk moment aan de
dag! En toch zal het voor al deze luidruchtige, levende,
levenslustige mensen weldra heel stil zijn! Achter ieder
van hen doemt zijn schaduw op, zijn duistere reisgenoot!
Altijd opnieuw is het, zoals in het laatste ogenblik vóór
het vertrek van een emigrantenschip: Men heeft elkaar meer
te zeggen dan ooit, de tijd dringt, de oceaan met zijn
doodse stilte ligt achter al dat rumoer al ongeduldig te
wachten – zo begerig, zo zeker van zijn buit! En allen,
allen denken, dat wat tot nu toe is geweest, niets is of
weinig; en de nabije toekomst alles zal zijn. Vandaar die
haast, dat geroep, dat elkaar overstemmen en voorsteken!
Iedereen wil de eerste zijn in die toekomst – en toch zijn
de dood en de stilte die daar heerst het enige zekere en
enige gemeenschappelijke dat ze in die toekomst hebben
zullen! Merkwaardig, dat juist het enige dat alle mensen
zeker en gemeenschappelijk is, hen toch niet echt
bezighoudt en dat het heel ver van hen
afstaat zich een broederschap des doods te voelen! Het
maakt me gelukkig, te zien, dat de mensen de gedachte aan
de dood volstrekt niet willen doordenken! Ik zou graag een
bijdrage daaraan willen leveren door voor hen de gedachte
aan het leven nog 100x gedenkwaardiger ( de moeite van het overdenken,
nadenken, doordenken waard) te maken.
De
cogitatione mortis . —
Felicitas tristi s me subit, dum
in his angiportis, inter clamores, inter studia et
cupiditates mortalium versor. Quanta voluptas, quanta
impatientia, quantum sitiens vivere ac vitae ebrietas
cotidie hic effertur in lucem! Et tamen, brevi cunctis his
tumultuantibus, viventibus, vitam sitientibus silentium erit
profundum. Post unumquemque umbra stat, comes obscurus ac
tacitus itineris. Semper hoc
loco simile est ac si in ipso momento discessus navis
migrantium staremus: plus inter se loquuntur homines quam
unquam antea, hora urget, oceanus autem, taciturnus et
vastus, post omnem hunc strepitum exspectat, praedam suam
avidus et certus. Omnes, omnes
existimant praeterita nihil vel parum fuisse, futurum autem
proximum esse totum: hinc festinatio, hinc clamor, hinc
invicem superare ac superstrepere volunt! Unusquisque cupit
primus in illa futura esse — et tamen mors et mortis
silentium sola sunt certa, sola omnibus communia in illa
futura!
Mira res!
Hoc unum certum, hoc commune genus humanum vix tangit, et
longissime absunt a sensu quod fratres mortis sint.
Me tamen
iuvat videre homines mortis memoriam recusantes: ego vero
velim efficere ut vitam ipsam centies digniorem cogitatione
faciam. (vertaling door Seneca (chatgpt 5), over hem:
zie lied 34: primum scribere, deinde philosophari
)
[279]
Sternen-Freundschaft. — Wir waren Freunde
und sind uns fremd geworden. Aber das ist recht so und wir
wollen’s uns nicht verhehlen und verdunkeln, als ob wir
uns dessen zu schämen hätten. Wir sind zwei Schiffe, deren
jedes sein Ziel und seine Bahn hat; wir können uns wohl
kreuzen und ein Fest miteinander feiern, wie wir es gethan
haben, — und dann lagen die braven Schiffe so ruhig in
Einem Hafen und in Einer Sonne, dass es scheinen mochte,
sie seien schon am Ziele und hätten Ein Ziel gehabt. Aber
dann trieb uns die allmächtige Gewalt unserer Aufgabe
wieder auseinander, in verschiedene Meere und
Sonnenstriche und vielleicht sehen wir uns nie wieder, —
vielleicht auch sehen wir uns wohl, aber erkennen uns
nicht wieder: die verschiedenen Meere und Sonnen haben uns
verändert! Dass wir uns fremd werden müssen, ist das
Gesetz über
uns: ebendadurch sollen wir uns auch ehrwürdiger werden!
Ebendadurch soll der Gedanke an unsere ehemalige
Freundschaft heiliger werden! Es giebt wahrscheinlich eine
ungeheure unsichtbare Curve und Sternenbahn, in der unsere
so verschiedenen Strassen und Ziele als kleine Wegstrecken
einbegriffen
sein mögen, — erheben wir uns zu diesem Gedanken! Aber
unser Leben ist zu kurz und unsere Sehkraft zu gering, als
dass wir mehr als Freunde im Sinne jener erhabenen
Möglichkeit sein könnten. — Und so wollen wir an unsere
Sternen-Freundschaft
glauben , selbst wenn wir einander
Erden-Feinde sein müssten.
[279]
Sterrenvriendschap
We zijn vrienden geweest en van elkaar vervreemd. Maar dat
is goed zo, laten we het niet wegstoppen of donkerder
maken dan het is, alsof we ons daarvoor zouden moeten
schamen. We zijn twee schepen, elk met een eigen
bestemming/doel en een eigen koers daarheen; we kunnen
elkaar wel kruisen en samen een feest vieren, zoals we ook
hebben gedaan – en toen lagen die brave schepen zo rustig
in één haven en in één zon, dat het wel leek, dat ze hun
bestemming/doel al hadden bereikt, en dat die bestemming
dezelfde was. Maar vervolgens dreef de almachtige kracht
van onze opdracht ons weer uiteen, naar verschillende
zeeën en zonnestreken, en misschien zien we elkaar nooit
meer terug – of we zien elkaar wel terug, maar herkennen
elkaar niet meer: de verschillende zeeën en zonnen hebben
ons veranderd! Dat we vreemden voor elkaar moeten worden,
dat is de wet boven ons : Precies daarom
zouden we we elkaar meer eer moeten bewijzen ! En zouden
we de gedachte(nis) aan onze vroegere vriendschap nog meer
moeten heiligen! Wellicht bestaat er een enorme,
onzichtbare boog en sterrenbaan, waarin onze zo
verschillende wegen en bestemmingen als deeltrajecten toch
zijn inbegrepen – laten we ons tot deze
gedachte verheffen! Maar ons leven is te kort en ons
gezichtsvermogen te gering, om meer te kunnen zijn dan
vrienden in de zin van die verheven mogelijkheid. – Laten
we dus in onze sterrenvriendschap geloven ,
zelfs als we elkaars aardse vijanden zouden moeten zijn.
[280]
Architektur der Erkennenden. —
Es bedarf einmal und wahrscheinlich bald einmal der
Einsicht, was vor Allem unseren grossen Städten fehlt:
stille und weite, weitgedehnte Orte zum Nachdenken, Orte
mit hochräumigen langen Hallengängen für schlechtes oder
allzu sonniges Wetter, wohin kein Geräusch der Wagen und
der Ausrufer dringt und wo ein feinerer Anstand selbst dem
Priester das laute Beten untersagen würde: Bauwerke und
Anlagen, welche als Ganzes die Erhabenheit des
Sich-Besinnens und Bei-Seitegehens ausdrücken. Die Zeit
ist vorbei, wo die Kirche das Monopol des Nachdenkens
besass, wo die vita contemplativa immer zuerst vita
religiosa sein musste: und Alles, was die Kirche gebaut
hat, drückt diesen Gedanken aus. Ich wüsste nicht, wie wir
uns mit ihren Bauwerken, selbst wenn sie ihrer kirchlichen
Bestimmung entkleidet würden, genügen lassen könnten;
diese Bauwerke reden eine viel zu pathetische und
befangene Sprache, als Häuser Gottes und Prunkstätten
eines überweltlichen Verkehrs, als dass wir Gottlosen hier
unsere Gedanken
denken könnten. Wir wollen
uns in Stein und Pflanze übersetzt haben,
wir wollen in uns
spazieren gehen, wenn wir in diesen Hallen und Gärten
wandeln.
[280]
Architectuur die te denken geeft. — Ooit,
en waarschijnlijk al snel, zal er inzicht nodig zijn in
wat onze grote steden bovenal ontberen: stille, ruime,
uitgestrekte plaatsen om na te denken; plaatsen met hoge
en lange zuilengangen voor slecht of al te zonnig weer,
waar verkeerslawaai en verkoopspraatjes ( lett:
geroep van de marktkramer ) niet doordringen, en
waar een nieuwe fijngevoeligheid ( ein feinerer
Anstand ) ook de priester ervan weerhoudt hardop
te bidden: bouwwerken en andere inplantingen (
AnlagAnlage ) die als geheel de verhevenheid van
het ‘zich-bezinnen’ en ‘afstand-nemen’ / 'een stap opzij
zetten'( bei-Seitegehenn> ) uitdrukken. De
tijd is voorbij, waarin de Kerk het monopolie op nadenken
bezat, waarin de vita contemplativa eerst en vooral vita
religiosa moest zijn. Alles wat de Kerk gebouwd heeft,
brengt deze gedachte tot uitdrukking. Zelfs als deze
gebouwen van hun kerkelijke bestemming ontdaan zijn, dan
nog spreken ze een veel te pathetische en bevangen taal –
huizen van God blijven het, schouwtonelen van een
bovenwereldlijke omgang. Ze voldoen gewoonweg niet aan de
criteria van gebouwen die wij nodig hebben, wij, godloze
mensen. Deze gebouwen laten ons niet toe onze
gedachten te denken. Wij willen ons
in steen en plant vertaald zien. Wij
willen in ons gaan wandelen als wij in deze
hallen en tuinen vertoeven.
Opm. een erfgoedpreek over dit aformisme voor
Open Monumentendag
[281]
Das Ende zu finden wissen. — Die Meister
des ersten Ranges geben sich dadurch zu erkennen, dass sie
im Grossen wie im Kleinen auf eine vollkommene Weise das
Ende zu finden wissen, sei es das Ende einer Melodie oder
eines Gedankens, sei es der fünfte Act einer Tragödie oder
Staats-Action. Die ersten der zweiten Stufe werden immer
gegen das Ende hin unruhig, und fallen nicht in so stolzem
ruhigem Gleichmaasse in’s Meer ab, wie zum Beispiel das
Gebirge bei Porto fino — dort, wo die Bucht von Genua ihre
Melodie zu Ende singt.
[281]
Het einde weten te vinden.
— De meesters van de eerste rang kun je hieraan
herkennen dat ze zowel in het grote als het kleine op een
volkomen wijze het einde weten te vinden, of dat nu het
einde van een melodie of een gedachte is, of het vijfde
bedrijf van een tragedie of een politiek klucht. De besten
van de tweede rang worden altijd onrustig tegen het einde,
en glijden niet zo trots en rustig in de zee als
bijvoorbeeld het gebergte bij Porto Fino — daar waar de
baai van Genua haar melodie ten einde zingt
[282]
Der Gang. — Es giebt
Manieren des Geistes, an denen auch grosse Geister
verrathen, dass sie vom Pöbel oder Halbpöbel herkommen: —
der Gang und Schritt ihrer Gedanken ist es namentlich, der
den Verräther macht; sie können nicht gehen . So konnte auch
Napoleon zu seinem tiefen Verdrusse nicht fürstenmässig
und „legitim“ gehen, bei Gelegenheiten, wo man es
eigentlich verstehen muss, wie bei grossen
Krönungs-Processionen und Aehnlichem: auch da war er immer
nur der Anführer einer Colonne — stolz und hastig zugleich
und sich dessen sehr bewusst. — Man hat Etwas zum Lachen,
diese Schriftsteller zu sehen, welche die faltigen
Gewänder der Periode um sich rauschen machen: sie wollen
so ihre Füsse
verdecken.
[282]
De tred . — Er zijn gedragingen van de
geest, waarmee ook grote geesten verraden dat ze afkomstig
zijn uit het gepeupel of het halve gepeupel: het zijn met
name de gang en de tred van hun gedachten die hen
verraden; ze kunnen niet gaan (
schrijden) . Zo kon ook Napoleon tot zijn grote
ergernis niet vorstelijk en ‘legitiem’ gaan (
schrijden ) bij gelegenheden waar je dat
eigenlijk wel zou moeten kunnen, zoals bij grote
kroningsprocessies en dergelijke: ook daar was hij altijd
slechts de aanvoerder van een kolonne — trots en gehaast
tegelijk en zich daarvan ten zeerste bewust. — Het is
grappig om te zien hoe schrijvers de geplooide gewaden van
de volzin om zich heen laten ruisen: zo willen ze hun
voeten aan het oog onttrekken.
[283]
Vorbereitende Menschen. —
Ich begrüsse alle Anzeichen dafür, dass ein
männlicheres, ein kriegerisches Zeitalter anhebt, das
vor allem die Tapferkeit wieder zu Ehren bringen wird!
Denn es soll einem noch höheren Zeitalter den Weg bahnen
und die Kraft einsammeln, welche jenes einmal nöthig
haben wird, — jenes Zeitalter, das den Heroismus in die
Erkenntniss trägt und
Kriege führt um der Gedanken und ihrer
Folgen willen. Dazu bedarf es für jetzt vieler
vorbereitender tapferer Menschen, welche doch nicht aus
dem Nichts entspringen können — und ebensowenig aus dem
Sand und Schleim der jetzigen Civilisation und
Grossstadt-Bildung: Menschen, welche es verstehen,
schweigend, einsam, entschlossen, in unsichtbarer
Thätigkeit zufrieden und beständig zu sein: Menschen,
die mit innerlichem Hange an allen Dingen nach dem
suchen, was an ihnen zu
überwinden ist: Menschen, denen
Heiterkeit, Geduld, Schlichtheit und Verachtung der
grossen Eitelkeiten ebenso zu eigen ist, als Grossmuth
im Siege und Nachsicht gegen die kleinen Eitelkeiten
aller Besiegten: Menschen mit einem scharfen und freien
Urtheile über alle Sieger und über den Antheil des
Zufalls an jedem Siege und Ruhme: Menschen mit eigenen
Festen, eigenen Werktagen, eigenen Trauerzeiten, gewohnt
und sicher im Befehlen und gleich bereit, wo es gilt, zu
gehorchen, im Einen wie im Anderen gleich stolz, gleich
ihrer eigenen Sache dienend: gefährdetere Menschen,
fruchtbarere Menschen, glücklichere Menschen! Denn,
glaubt es mir! — das Geheimniss, um die grösste
Fruchtbarkeit und den grössten Genuss vom Dasein
einzuernten, heisst:
gefährlich leben ! Baut eure Städte an
den Vesuv! Schickt eure Schiffe in unerforschte Meere!
Lebt im Kriege mit Euresgleichen und mit euch selber!
Seid Räuber und Eroberer, so lange ihr nicht Herrscher
und Besitzer sein könnt, ihr Erkennenden! Die Zeit geht
bald vorbei, wo es euch genug sein durfte, gleich
scheuen Hirschen in Wäldern versteckt zu leben! Endlich
wird die Erkenntniss die Hand nach dem ausstrecken, was
ihr gebührt: — sie wird
herrschen und besitzen wollen, und ihr
mit ihr!
[284]
Der Glaube an sich. —
Wenige Menschen überhaupt haben den Glauben an sich: —
und von diesen Wenigen bekommen ihn die Einen mit, als
eine nützliche Blindheit oder theilweise Verfinsterung
ihres Geistes — (was würden sie erblicken, wenn sie sich
selber auf den Grund
sehen könnten!), die Anderen müssen ihn sich erst
erwerben: Alles, was sie Gutes, Tüchtiges, Grosses thun,
ist zunächst ein Argument gegen den Skeptiker, der in
ihnen haust: es gilt,
diesen zu überzeugen oder zu überreden,
und dazu bedarf es beinahe des Genie’s. Es sind die
grossen Selbst-Ungenügsamen.
[285]
Excelsior! — „Du
wirst niemals mehr beten, niemals mehr anbeten, niemals
mehr im endlosen Vertrauen ausruhen — du versagst es
dir, vor einer letzten Weisheit, letzten Güte, letzten
Macht stehen zu bleiben und deine Gedanken abzuschirren
— du hast keinen fortwährenden Wächter und Freund für
deine sieben Einsamkeiten — du lebst ohne den Ausblick
auf ein Gebirge, das Schnee auf dem Haupte und Gluthen
in seinem Herzen trägt — es giebt für dich keinen
Vergelter, keinen Verbesserer letzter Hand mehr — es
giebt keine Vernunft in dem mehr, was geschieht, keine
Liebe in dem, was dir geschehen wird — deinem Herzen
steht keine Ruhestatt mehr offen, wo es nur zu finden
und nicht mehr zu suchen hat, du wehrst dich gegen
irgend einen letzten Frieden, du willst die ewige
Wiederkunft von Krieg und Frieden: — Mensch der
Entsagung, in Alledem willst du entsagen? Wer wird dir
die Kraft dazu geben? Noch hatte Niemand diese Kraft!“ —
Es giebt einen See, der es sich eines Tages versagte,
abzufliessen, und einen Damm dort aufwarf, wo er bisher
abfloss: seitdem steigt dieser See immer höher.
Vielleicht wird gerade jene Entsagung uns auch die Kraft
verleihen, mit der die Entsagung selber ertragen werden
kann; vielleicht wird der Mensch von da an immer höher
steigen, wo er nicht mehr in einen Gott ausfliesst .
[285]
Excelsior!
— "Gij zult nooit meer bidden, nooit meer aanbidden, nooit
meer in eindeloos vertrouwen tot rust komen
— gij staat het uzelf niet toe, om voor een laatste
wijsheid, ultieme goedheid, of hoogste macht halt te
houden en uw gedachten uit te spannen
— gij hebt geen voortdurende wachter en vriend voor uw
zeven eenzaamheden
— gij leeft zonder uitzicht op een gebergte, dat sneeuw op
zijn hoofd en vuur in zijn hart heeft
— er bestaat voor u geen vergelder, geen allerlaatste
verbeteraar meer
— er is geen redelijkheid meer in wat gebeurt, geen liefde
in wat u zal overkomen
— voor uw hart is geen rustplaats meer open, waar het
enkel hoeft te vinden en niet langer te zoeken, gij verzet
u tegen welke uiteindelijke vrede dan ook [...]
gij mens der verzaking [...] Wellicht zult gij steeds
hoger opstijgen, als gij niet meer in een God uitvloeit
[286]
Zwischenrede. —
Hier sind Hoffnungen; was werdet ihr aber von ihnen
sehen und hören, wenn ihr nicht in euren eigenen Seelen
Glanz und Gluth und Morgenröthen erlebt habt? Ich kann
nur erinnern — mehr kann ich nicht! Steine bewegen,
Thiere zu Menschen machen — wollt ihr das von mir? Ach,
wenn ihr noch Steine und Thiere seid, so sucht euch erst
euren Orpheus!
[286]
intermezzo. — Er valt
wat te hopen: wat zult gij daar echter van zien en horen,
als ge niet in uw eigen ziel glans en gloed en ochtengloren
hebt beleefd? Ik kan er alleen maar aan herinneren — meer
kan ik niet! Stenen doen bewegen, dieren in mensen
veranderen — verlangt gij dat van mij? Ach, als ge nog steen
en dier zijt, ga dan eerst maar eens op zoek naar uw eigen
Orpheus.
opm. De voorganger van de vrolijke wetenschap heet niet voor niets:
Ochtendgloren
[287]
Lust an der Blindheit. —
„Meine Gedanken, sagte der Wanderer zu seinem
Schatten, sollen mir anzeigen, wo ich stehe: aber sie
sollen mir nicht verrathen, wohin ich gehe . Ich
liebe die Unwissenheit um die Zukunft und will nicht an
der Ungeduld und dem Vorwegkosten verheissener Dinge zu
Grunde gehen.“
[287]
Van blindheid genieten. — '' Mijn gedachten,
zei de wandelaar tot zijn schaduw, moeten me laten zien waar
ik sta: maar ze mogen met niet verklappen waar ik
heenga . Ik houd ervan dat de toekomst ongewis is,
en wil niet aan het ongeduld en het voorproeven van beloofde
zaken te gronde gaan.
[288]
Hohe Stimmungen. —
Mir scheint es, dass die meisten Menschen an hohe
Stimmungen überhaupt nicht glauben, es sei denn für
Augenblicke, höchstens Viertelstunden, — jene Wenigen
ausgenommen, welche eine längere Dauer des hohen Gefühls
aus Erfahrung kennen. Aber gar der Mensch Eines hohen
Gefühls, die Verkörperung einer einzigen grossen
Stimmung sein — das ist bisher nur ein Traum und eine
entzückende Möglichkeit gewesen: die Geschichte giebt
uns noch kein sicheres Beispiel davon. Trotzdem könnte
sie einmal auch solche Menschen gebären — dann, wenn
eine Menge günstige Vorbedingungen geschaffen und
festgestellt worden sind, die jetzt auch der
glücklichste Zufall nicht zusammenzuwürfeln vermag.
Vielleicht wäre diesen zukünftigen Seelen eben Das der
gewöhnliche Zustand, was bisher als die mit Schauder
empfundene Ausnahme hier und da einmal in unseren Seelen
eintrat: eine fortwährende Bewegung zwischen hoch und
tief und das Gefühl von hoch und tief, ein beständiges
Wie-auf-Treppen-steigen und zugleich
Wie-auf-Wolken-ruhen.
[289]
Auf die Schiffe! —
Erwägt man, wie auf jeden Einzelnen eine philosophische
Gesammt-Rechtfertigung seiner Art, zu leben und zu
denken, wirkt — nämlich gleich einer wärmenden,
segnenden, befruchtenden, eigens ihm leuchtenden Sonne,
wie sie unabhängig von Lob und Tadel, selbstgenugsam,
reich, freigebig an Glück und Wohlwollen macht, wie sie
unaufhörlich das Böse zum Guten umschafft, alle Kräfte
zum Blühen und Reifwerden bringt und das kleine und
grosse Unkraut des Grams und der Verdriesslichkeit gar
nicht aufkommen lässt: — so ruft man zuletzt verlangend
aus: oh dass doch viele solche neue Sonnen noch
geschaffen würden! Auch der Böse, auch der Unglückliche,
auch der Ausnahme-Mensch soll seine Philosophie, sein
gutes Recht, seinen Sonnenschein haben! Nicht Mitleiden
mit ihnen thut noth! — diesen Einfall des Hochmuths
müssen wir verlernen, so lange auch bisher die
Menschheit gerade an ihm gelernt und geübt hat — keine
Beichtiger, Seelenbeschwörer und Sündenvergeber haben
wir für sie aufzustellen! Sondern eine neue Gerechtigkeit thut noth!
Und eine neue Losung! Und neue Philosophen! Auch die
moralische Erde ist rund! Auch die moralische Erde hat
ihre Antipoden! Auch die Antipoden haben ihr Recht des
Daseins! Es giebt noch eine andere Welt zu entdecken —
und mehr als eine! Auf die Schiffe, ihr Philosophen!
[290]
Eins ist Noth. —
Seinem Charakter „Stil geben“ — eine grosse und seltene
Kunst! Sie übt Der, welcher Alles übersieht, was seine
Natur an Kräften und Schwächen bietet, und es dann einem
künstlerischen Plane einfügt, bis ein Jedes als Kunst
und Vernunft erscheint und auch die Schwäche noch das
Auge entzückt. Hier ist eine grosse Masse zweiter Natur
hinzugetragen worden, dort ein Stück erster Natur
abgetragen: — beidemal mit langer Uebung und täglicher
Arbeit daran. Hier ist das Hässliche, welches sich nicht
abtragen liess, versteckt, dort ist es in’s Erhabene
umgedeutet. Vieles Vage, der Formung Widerstrebende ist
für Fernsichten aufgespart und ausgenutzt worden: — es
soll in das Weite und Unermessliche hinaus winken.
Zuletzt, wenn das Werk vollendet ist, offenbart sich,
wie es der Zwang des selben Geschmacks war, der im
Grossen und Kleinen herrschte und bildete: ob der
Geschmack ein guter oder ein schlechter war, bedeutet
weniger, als man denkt, — genug, dass es Ein Geschmack
ist! — Es werden die starken, herrschsüchtigen Naturen
sein, welche in einem solchen Zwange, in einer solchen
Gebundenheit und Vollendung unter dem eigenen Gesetz
ihre feinste Freude geniessen; die Leidenschaft ihres
gewaltigen Wollens erleichtert sich beim Anblick aller
stilisirten Natur, aller besiegten und dienenden Natur;
auch wenn sie Paläste zu bauen und Gärten anzulegen
haben, widerstrebt es ihnen, die Natur frei zu geben. —
Umgekehrt sind es die schwachen, ihrer selber nicht
mächtigen Charaktere, welche die Gebundenheit des Stils
hassen :
sie fühlen, dass, wenn ihnen dieser bitterböse Zwang
auferlegt würde, sie unter ihm gemein werden müssten: —
sie werden Sclaven, sobald sie dienen, sie hassen das
Dienen. Solche Geister — es können Geister ersten Ranges
sein — sind immer darauf aus, sich selber und ihre
Umgebungen als freie
Natur — wild, willkürlich, phantastisch,
unordentlich, überraschend — zu gestalten oder
auszudeuten: und sie thun wohl daran, weil sie nur so
sich selber wohlthun! Denn Eins ist Noth: dass der
Mensch seine Zufriedenheit mit sich erreiche — sei es nun
durch diese oder jene Dichtung und Kunst: nur dann erst
ist der Mensch überhaupt erträglich anzusehen! Wer mit
sich unzufrieden ist, ist fortwährend bereit, sich dafür
zu rächen: wir Anderen werden seine Opfer sein, und sei
es auch nur darin, dass wir immer seinen hässlichen
Anblick zu ertragen haben. Denn der Anblick des
Hässlichen macht schlecht und düster.
[291]
Genua. — Ich habe
mir diese Stadt, ihre Landhäuser und Lustgärten und den
weiten Umkreis ihrer bewohnten Höhen und Hänge eine gute
Weile angesehen; endlich muss ich sagen: ich sehe
Gesichter aus
vergangenen Geschlechtern, — diese Gegend ist mit den
Abbildern kühner und selbstherrlicher Menschen übersäet.
Sie haben gelebt
und haben fortleben wollen — das sagen sie mir mit
ihren Häusern, gebaut und geschmückt für Jahrhunderte
und nicht für die flüchtige Stunde: sie waren dem Leben
gut, so böse sie oft gegen sich gewesen sein mögen. Ich
sehe immer den Bauenden, wie er mit seinen Blicken auf
allem fern und nah um ihn her Gebauten ruht und ebenso
auf Stadt, Meer und Gebirgslinien, wie er mit diesem
Blick Gewalt und Eroberung ausübt: Alles diess will er
seinem Plane
einfügen und zuletzt zu seinem Eigenthum machen,
dadurch dass es ein Stück desselben wird. Diese ganze
Gegend ist mit dieser prachtvollen unersättlichen
Selbstsucht der Besitz- und Beutelust überwachsen; und
wie diese Menschen in der Ferne keine Grenze anerkannten
und in ihrem Durste nach Neuem eine neue Welt neben die
alte hinstellten, so empörte sich auch in der Heimat
immer noch Jeder gegen Jeden und erfand eine Weise,
seine Ueberlegenheit auszudrücken und zwischen sich und
seinen Nachbar seine persönliche Unendlichkeit
dazwischen zu legen. Jeder eroberte sich seine Heimat
noch einmal für sich, indem er sie mit seinen
architektonischen Gedanken überwältigte und gleichsam
zur Augenweide seines Hauses umschuf. Im Norden imponirt
das Gesetz und die allgemeine Lust an Gesetzlichkeit und
Gehorsam, wenn man die Bauweise der Städte ansieht: man
erräth dabei jenes innerliche Sich-Gleichsetzen,
Sich-Einordnen, welches die Seele aller Bauenden
beherrscht haben muss. Hier aber findest du, um jede
Ecke biegend, einen Menschen für sich, der das Meer, das
Abenteuer und den Orient kennt, einen Menschen, welcher
dem Gesetze und dem Nachbar wie einer Art von
Langerweile abhold ist und der alles schon Begründete,
Alte mit neidischen Blicken misst: er möchte, mit einer
wundervollen Verschmitztheit der Phantasie, diess Alles
mindestens im Gedanken noch einmal neu gründen, seine
Hand darauf-, seinen Sinn hineinlegen — sei es auch nur
für den Augenblick eines sonnigen Nachmittags, wo seine
unersättliche und melancholische Seele einmal Sattheit
fühlt, und seinem Auge nur Eigenes und nichts Fremdes
mehr sich zeigen darf.
[292]
An die Moral-Prediger. —
Ich will keine Moral machen, aber Denen, welche es
thun, gebe ich diesen Rath: wollt ihr die besten Dinge
und Zustände zuletzt um alle Ehre und Werth bringen, so
fahrt fort, sie in den Mund zu nehmen, wie bisher!
Stellt sie an die Spitze eurer Moral und redet von früh
bis Abend von dem Glück der Tugend, von der Ruhe der
Seele, von der Gerechtigkeit und der immanenten
Vergeltung: so wie ihr es treibt, bekommen alle diese
guten Dinge dadurch endlich eine Popularität und ein
Geschrei der Gasse für sich: aber dann wird auch alles
Gold daran abgegriffen sein und mehr noch: alles Gold
darin wird sich in
Blei verwandelt haben. Wahrlich, ihr versteht euch auf
die umgekehrte Kunst der Alchymie, auf die Entwerthung
des Werthvollsten! Greift einmal zum Versuche nach einem
andern Recepte, um nicht wie bisher das Gegentheil von
dem, was ihr sucht, zu erreichen: leugnet jene guten
Dinge, entzieht ihnen den Pöbel-Beifall und den leichten
Umlauf, macht sie wieder zu verborgenen
Schamhaftigkeiten einsamer Seelen, sagt, Moral sei etwas Verbotenes
! Vielleicht gewinnt ihr so die Art von Menschen für
diese Dinge, auf welche einzig Etwas ankommt, ich meine
die Heroischen
. Aber dann muss Etwas zum Fürchten daran sein und
nicht, wie bisher, zum Ekeln! Möchte man nicht heute in
Hinsicht der Moral sagen, wie Meister Eckardt: „ich
bitte Gott, dass er mich quitt mache Gottes!“
[293]
Unsere Luft. —
Wir wissen es wohl: wer nur wie im Spazierengehen einmal
einen Blick nach der Wissenschaft hin thut, nach Art der
Frauen und leider auch vieler Künstler: für den hat die
Strenge ihres Dienstes, diese Unerbittlichkeit im
Kleinen wie im Grossen, diese Schnelligkeit im Wägen,
Urtheilen, Verurtheilen etwas Schwindel- und
Furchteinflössendes. Namentlich erschreckt ihn, wie hier
das Schwerste gefordert, das Beste gethan wird, ohne
dass dafür Lob und Auszeichnungen da sind, vielmehr, wie
unter Soldaten, fast nur Tadel und scharfe Verweise
laut werden , — denn
das Gutmachen gilt als die Regel, das Verfehlte als die
Ausnahme; die Regel aber hat hier wie überall einen
schweigsamen Mund. Mit dieser „Strenge der Wissenschaft“
steht es nun wie mit der Form und Höflichkeit der
allerbesten Gesellschaft: — sie erschreckt den
Uneingeweihten. Wer aber an sie gewöhnt ist, mag gar
nicht anderswo leben, als in dieser hellen,
durchsichtigen, kräftigen, stark elektrischen Luft, in
dieser männlichen
Luft. Ueberall sonst ist es ihm nicht reinlich und
luftig genug: er argwöhnt, dass dort seine beste Kunst
Niemandem recht von Nutzen und ihm selber nicht zur
Freude sein werde, dass unter Missverständnissen ihm
sein halbes Leben durch die Finger schlüpfe, dass
fortwährend viel Vorsicht, viel Verbergen und
Ansichhalten noth thue, — lauter grosse und unnütze
Einbussen an Kraft! In
diesem strengen und klaren Elemente
aber hat er seine Kraft ganz: hier kann er fliegen! Wozu
sollte er wieder hinab in jene trüben Gewässer, wo man
schwimmen und waten muss und seine Flügel missfarbig
macht! — Nein! Da ist es zu schwer für uns, zu leben:
was können wir dafür, dass wir für die Luft, die reine
Luft geboren sind, wir Nebenbuhler des Lichtstrahls, und
dass wir am liebsten auf Aetherstäubchen, gleich ihm,
reiten würden und nicht von der Sonne weg, sondern
zu der Sonne hin !
Das aber können wir nicht: — so wollen wir denn thun,
was wir einzig können: der Erde Licht bringen, „das
Licht der Erde“ sein! Und dazu haben wir unsere Flügel
und unsere Schnelligkeit und Strenge, um dessenthalben
sind wir männlich und selbst schrecklich, gleich dem
Feuer. Mögen Die uns fürchten, welche sich nicht an uns
zu wärmen und zu erhellen verstehen!
[294]
Gegen die Verleumder der Natur. —
Das sind mir unangenehme Menschen, bei
denen jeder natürliche Hang sofort zur Krankheit wird,
zu etwas Entstellendem oder gar Schmählichem, —
diese haben uns zu
der Meinung verführt, die Hänge und Triebe des Menschen
seien böse; sie
sind die Ursache unserer grossen Ungerechtigkeit
gegen unsere Natur, gegen alle Natur! Es giebt genug
Menschen, die sich ihren Trieben mit Anmuth und
Sorglosigkeit überlassen
dürfen : aber sie thun es nicht, aus
Angst vor jenem eingebildeten „bösen Wesen“ der Natur!
Daher ist es
gekommen, dass so wenig Vornehmheit unter den Menschen
zu finden ist: deren Kennzeichen es immer sein wird, vor
sich keine Furcht zu haben, von sich nichts Schmähliches
zu erwarten, ohne Bedenken zu fliegen, wohin es uns
treibt — uns freigeborene Vögel! Wohin wir auch nur
kommen, immer wird es frei und sonnenlicht um uns sein.
[295]
Kurze Gewohnheiten. —
Ich liebe die kurzen Gewohnheiten und halte sie für das
unschätzbare Mittel,
viele Sachen und Zustände kennen zu
lernen und hinab bis auf den Grund ihrer Süssen und
Bitterkeiten; meine Natur ist ganz für kurze
Gewohnheiten eingerichtet, selbst in den Bedürfnissen
ihrer leiblichen Gesundheit und überhaupt soweit ich nur sehen
kann: vom Niedrigen bis zum Höchsten. Immer glaube ich,
diess werde
mich nun dauernd befriedigen — auch die kurze Gewohnheit
hat jenen Glauben der Leidenschaft, den Glauben an die
Ewigkeit — und ich sei zu beneiden, es gefunden und
erkannt zu haben: — und nun nährt es mich am Mittage und
am Abende und verbreitet eine tiefe Genügsamkeit um sich
und in mich hinein, sodass mich nach Anderem nicht
verlangt, ohne dass ich zu vergleichen oder zu verachten
oder zu hassen hätte. Und eines Tages hat es seine Zeit
gehabt: die gute Sache scheidet von mir, nicht als
Etwas, das mir nun Ekel einflösst — sondern friedlich
und an mir gesättigt, wie ich an ihm, und wie als ob wir
einander dankbar sein müssten und uns so die Hände zum
Abschied reichten. Und schon wartet das Neue an der
Thüre und ebenso mein Glaube — der unverwüstliche Thor
und Weise! — diess Neue werde das Rechte, das letzte
Rechte sein. So geht es mir mit Speisen, Gedanken,
Menschen, Städten, Gedichten, Musiken, Lehren,
Tagesordnungen, Lebensweisen. — Dagegen hasse ich die
dauernden
Gewohnheiten und meine, dass ein Tyrann in meine Nähe
kommt und dass meine Lebensluft sich verdickt , wo die
Ereignisse sich so gestalten, dass dauernde Gewohnheiten
daraus mit Nothwendigkeit zu wachsen scheinen: zum
Beispiel durch ein Amt, durch ein beständiges
Zusammensein mit den selben Menschen, durch einen festen
Wohnsitz, durch eine einmalige Art Gesundheit. Ja, ich
bin allem meinem Elend und Kranksein, und was nur immer
unvollkommen an mir ist, — im untersten Grunde meiner
Seele erkenntlich gesinnt, weil dergleichen mir hundert
Hinterthüren lässt, durch die ich den dauernden
Gewohnheiten entrinnen kann. — Das Unerträglichste
freilich, das eigentlich Fürchterliche, wäre mir ein
Leben ganz ohne Gewohnheiten, ein Leben, das fortwährend
die Improvisation verlangt: — diess wäre meine
Verbannung und mein Sibirien.
[296]
Der feste Ruf. —
Der feste Ruf war ehedem eine Sache der äussersten
Nützlichkeit; und wo nur immer die Gesellschaft noch vom
Heerden-Instinct beherrscht wird, ist es auch jetzt noch
für jeden Einzelnen am zweckmässigsten, seinen Charakter
und seine Beschäftigung als unveränderlich zu geben , — selbst wenn
sie es im Grunde nicht sind. „Man kann sich auf ihn
verlassen, er bleibt sich gleich“: — das ist in allen
gefährlichen Lagen der Gesellschaft das Lob, welches am
meisten zu bedeuten hat. Die Gesellschaft fühlt mit
Genugthuung, ein zuverlässiges, jederzeit bereites
Werkzeug in der
Tugend Dieses, in dem Ehrgeize Jenes, in dem Nachdenken
und der Leidenschaft des Dritten zu haben, — sie ehrt
diese Werkzeug-Natur
, diess Sich-Treubleiben, diese Unwandelbarkeit in
Ansichten, Bestrebungen, und selbst in Untugenden, mit
ihren höchsten Ehren. Eine solche Schätzung, welche
überall zugleich mit der Sittlichkeit der Sitte blüht
und geblüht hat, erzieht „Charaktere“ und bringt alles
Wechseln, Umlernen, Sich-Verwandeln in Verruf . Diess ist
nun jedenfalls, mag sonst der Vortheil dieser Denkweise
noch so gross sein, für
die Erkenntniss die allerschädlichste
Art des allgemeinen Urtheils: denn gerade der gute Wille
des Erkennenden, unverzagt sich jederzeit gegen seine bisherige
Meinung zu erklären und überhaupt in Bezug auf Alles,
was in uns fest
werden will, misstrauisch zu sein, — ist hier
verurtheilt und in Verruf gebracht. Die Gesinnung des
Erkennenden als im Widerspruch mit dem „festen Rufe“
gilt als unehrenhaft
, während die Versteinerung der Ansichten alle Ehre
für sich hat: — unter dem Banne solcher Geltung müssen
wir heute noch leben! Wie schwer lebt es sich, wenn man
das Urtheil vieler Jahrtausende gegen sich und um sich
fühlt! Es ist wahrscheinlich, dass viele Jahrtausende
die Erkenntniss mit dem schlechten Gewissen behaftet
war, und dass viel Selbstverachtung und geheimes Elend
in der Geschichte der grössten Geister gewesen sein
muss.
[297]
Widersprechen können. —
Jeder weiss jetzt, dass Widerspruch-Vertragen-können ein
hohes Zeichen von Cultur ist. Einige wissen sogar, dass
der höhere Mensch den Widerspruch gegen sich wünscht und
hervorruft, um einen Fingerzeig über seine ihm bisher
unbekannte Ungerechtigkeit zu bekommen. Aber das
Widersprechen- Können
, das erlangte gute
Gewissen bei der Feindseligkeit gegen das
Gewohnte, Ueberlieferte, Geheiligte, — das ist mehr als
jenes Beides und das eigentlich Grosse, Neue,
Erstaunliche unserer Cultur, der Schritt aller Schritte
des befreiten Geistes: wer weiss das? —
[297]
Kunnen tegenspreken . — Iedereen weet nu
wel, dat het kunnen verdragen van tegenspraak een teken
van hoge cultuur is. Sommigen weten zelfs dat de hogere
mens graag tegenspraak krijgt en ook bewust oproept. Voor
hem kan dat een vingerwijzing zijn met betrekking tot ee,
hem tot dan toe onbekende onrechtmatigheid. Maar het
kunnen tegenspreken, dat men zich een goed
geweten heeft verworven terwijl men al het
gebruikelijke, het overgeleverde, het geheiligde vijandig
gezind is. — dat is meer dan die eerste twee tesamen. Dat
is het echt grote, nieuwe, verbazingwekkende van onze
cultuur, de alles overtreffende stap/trap van de bevrijde
geest: wie weet dat? —
[298]
Seufzer. — Ich erhaschte diese Einsicht
unterwegs und nahm rasch die nächsten schlechten Worte,
sie festzumachen, damit sie mir nicht wieder davonfliege.
Und nun ist sie mir an diesen dürren Worten gestorben und
hängt und schlottert in ihnen — und ich weiss kaum mehr,
wenn ich sie ansehe, wie ich ein solches Glück haben
konnte, als ich diesen Vogel fieng.
[298]
Verzuchting . – Ik ving dit inzicht
onderweg op en greep snel de dichtstbijzijnde slechte
woorden om het vast te leggen, om te voorkomen dat het me
weer zou ontvliegen. En nu is het voor mijn ogen aan deze
dorre woorden gestorven en hangt en sloddert in hen – en
als ik ernaar kijk, weet ik nauwelijks meer, hoe ik zo
gelukkig kon zijn, toen ik deze vogel ving.
[299]
Was man den Künstlern ablernen soll. —
Welche Mittel haben wir, uns die Dinge schön, anziehend,
begehrenswerth zu machen, wenn sie es nicht sind? — und
ich meine, sie sind es an sich niemals! Hier haben wir von
den Aerzten Etwas zu lernen, wenn sie zum Beispiel das
Bittere verdünnen oder Wein und Zucker in den Mischkrug
thun; aber noch mehr von den Künstlern, welche eigentlich
fortwährend darauf aus sind, solche Erfindungen und
Kunststücke zu machen. Sich von den Dingen entfernen, bis
man Vieles von ihnen nicht mehr sieht und Vieles
hinzusehen muss, um sie
noch zu sehen — oder die Dinge um die
Ecke und wie in einem Ausschnitte sehen — oder sie so
stellen, dass sie sich theilweise verstellen und nur
perspectivische Durchblicke gestatten — oder sie durch
gefärbtes Glas oder im Lichte der Abendröthe anschauen —
oder ihnen eine Oberfläche und Haut geben, welche keine
volle Transparenz hat: das Alles sollen wir den Künstlern
ablernen und im Uebrigen weiser sein, als sie. Denn bei
ihnen hört gewöhnlich diese ihre feine Kraft auf, wo die
Kunst aufhört und das Leben beginnt; wir aber wollen die
Dichter unseres Lebens sein, und im Kleinsten und
Alltäglichsten zuerst.
[299]
Wat men van de kunstenaars moet leren.
Welke middelen hebben we om voor ons de dingen mooi,
aantrekkelijk, begerenswaardig te maken, als ze dat niet
zijn? – en ze zijn dat van zichzelf nooit, denk ik ! Hier
kunnen we iets leren van de artsen, die bijvoorbeeld het
bittere verdunnen of wijn en suiker in de mengkroes doen;
maar nog meer van de kunstenaars, die er eigenlijk
voortdurend op uit zijn zulke dingen uit te vinden,
kunststukken te verrichten. Zich van de dingen
verwijderen, totdat men veel ervan niet meer ziet en er
veel bij moet zien, om ze nog te zien – of de
dingen om de hoek en als in een uitsnede (gekadreerd?) te
zien – of ze zo voorstellen, dat ze zich gedeeltelijk
verstellen en enkel perspectivische doorkijkjes toestaan –
of ze door gekleurd glas of in het licht van het avondrood
bekijken – of ze een oppervlak en een huid geven die niet
helemaal transparant is: dat alles moeten we van de
kunstenaars leren en voor het overige wijzer zijn, dan
zij. Want bij hen houdt dit fijnzinnig vermogen gewoonlijk
op, waar de kunst ophoudt en het leven begint, maar
wij willen de dichters van ons leven zijn, en met
het kleinste en meest alledaagse beginnen
[300]
Vorspiele der Wissenschaft. —
Glaubt ihr denn, dass die Wissenschaften entstanden
und gross geworden wären, wenn ihnen nicht die Zauberer,
Alchymisten, Astrologen und Hexen vorangelaufen wären als
Die, welche mit ihren Verheissungen und Vorspiegelungen
erst Durst, Hunger und Wohlgeschmack an verborgenen und verbotenen
Mächten schaffen mussten? Ja, dass unendlich mehr hat
verheissen werden
müssen, als je erfüllt werden kann, damit überhaupt Etwas
im Reiche der Erkenntniss sich erfülle? — Vielleicht
erscheint in gleicher Weise, wie uns sich hier Vorspiele
und Vorübungen der Wissenschaft darstellen, die durchaus
nicht als solche geübt
und empfunden wurden, auch irgend einem fernen Zeitalter
die gesammte Religion
als Uebung und Vorspiel: vielleicht könnte sie das
seltsame Mittel dazu gewesen sein, dass einmal einzelne
Menschen die ganze Selbstgenügsamkeit eines Gottes und
alle seine Kraft der Selbsterlösung geniessen können: Ja!
— darf man fragen — würde denn der Mensch überhaupt ohne
jene religiöse Schule und Vorgeschichte es gelernt haben,
nach sich
Hunger und Durst zu spüren und aus sich Sattheit und Fülle zu
nehmen? Musste Prometheus erst wähnen , das Licht
gestohlen zu haben und
dafür büssen, — um endlich zu entdecken, dass er das Licht
geschaffen habe, indem er
nach dem Lichte begehrte , und dass nicht
nur der Mensch, sondern auch der Gott das Werk seiner Hände und Thon in
seinen Händen gewesen sei? Alles nur Bilder des Bildners?
— ebenso wie der Wahn, der Diebstahl, der Kaukasus, der
Geier und die ganze tragische Prometheia aller
Erkennenden?
[300]
wetenschappelijke preludes . — Geloven
jullie echt, dat de wetenschappen vanzelf zijn ontstaan en
tot bloei gekomen? Zou niet eerst een stoet tovenaars,
alchemisten, astrologen en heksen de weg voor hen hebben
moeten banen? Zij hebben immers met hun beloften en
illusies eerst dorst en honger naar verborgen en
verboden krachten gecreeërd. Eetlust, appetijt.
En er moest ook oneindig veel meer beloofd
worden dan er ooit vervuld zou kunnen worden, opdat er
tenminste toch nog iets van de grond zou komen in het rijk
der kennis — Wellicht komt — ooit — ook nog wel eens aan
het licht dat voor alles wat met religie te
maken heeft, iets soortgelijks geldt. Dat wil zeggen,
Wellicht was ook religie een oefening een voorspel, om van
goddelijke vermogens zoals zelfgenoegzaamheid en
zelfverlossing te kunnen proeven, net zoals zoals bij de
voorspelen en vooroefeningen van de wetenschap, die
natuurlijk helemaal niet als zodanig werden beoefend en
ervaren. Ja!, dan zou je je ook kunnen afvragen of de mens
zonder die religieuze school en voorgeschiedenis überhaupt
zou hebben geleerd om honger en dorst te voelen, en uit
zichzelf verzadiging en volheid te putten? Moest
Prometheus eerst in de waan verkeren dat hij
het licht had gestolen en daarvoor boeten —
om tenslotte te ontdekken dat hij het licht had geschapen
juist doordat hij het licht begeerde en dat
niet alleen de mens, maar ook de god het werk
van zijn handen en de klei in zijn handen
was? Allemaal beelden van de beeldhouwer? — net als de
waanzin, de diefstal, de Kaukasus, de gier, en de hele
tragische Prometheia van iedereen die kennis
zoekt?
[301]
Wahn der Contemplativen. —
Die hohen Menschen unterscheiden sich von den
niederen dadurch, dass sie unsäglich mehr sehen und
hören und denkend sehen und hören — und eben diess
unterscheidet den Menschen vom Thiere und die oberen
Thiere von den unteren. Die Welt wird für Den immer
voller, welcher in die Höhe der Menschlichkeit hinauf
wächst; es werden immer mehr Angelhaken des Interesses
nach ihm ausgeworfen; die Menge seiner Reize ist
beständig im Wachsen und ebenso die Menge seiner Arten
von Lust und Unlust, — der höhere Mensch wird immer
zugleich glücklicher und unglücklicher. Dabei aber
bleibt ein Wahn
sein beständiger Begleiter: er meint, als
Zuschauer und
Zuhörer vor das
grosse Schau- und Tonspiel gestellt zu sein, welches das
Leben ist: er nennt seine Natur eine contemplative und
übersieht dabei, dass er selber auch der eigentliche
Dichter und Fortdichter des Lebens ist, — dass er sich
freilich vom Schauspieler
dieses Drama’s, dem sogenannten handelnden
Menschen, sehr unterscheidet, aber noch mehr von einem
blossen Betrachter und Festgaste vor der Bühne. Ihm, als
dem Dichter, ist gewiss vis contemplativa und der
Rückblick auf sein Werk zu eigen, aber zugleich und
vorerst die vis creativa, welche dem handelnden Menschen
fehlt , was
auch der Augenschein und der Allerweltsglaube sagen mag.
Wir, die Denkend-Empfindenden, sind es, die wirklich und
immerfort Etwas machen
, das noch nicht da ist: die ganze ewig wachsende
Welt von Schätzungen, Farben, Gewichten, Perspectiven,
Stufenleitern, Bejahungen und Verneinungen. Diese von
uns erfundene Dichtung wird fortwährend von den
sogenannten practischen Menschen (unsern Schauspielern
wie gesagt) eingelernt, eingeübt, in Fleisch und
Wirklichkeit, ja Alltäglichkeit übersetzt. Was nur
Werth hat in der
jetzigen Welt, das hat ihn nicht an sich, seiner Natur
nach, — die Natur ist immer werthlos: — sondern dem hat
man einen Werth einmal gegeben, geschenkt, und
wir waren diese
Gebenden und Schenkenden! Wir erst haben die Welt,
die den Menschen Etwas angeht
, geschaffen! — Gerade dieses Wissen aber fehlt
uns, und wenn wir es einen Augenblick einmal erhaschen,
so haben wir es im nächsten wieder vergessen: wir
verkennen unsere beste Kraft und schätzen uns, die
Contemplativen, um einen Grad zu gering, — wir sind
weder so stolz, noch so glücklich
, als wir sein könnten.
[302]
Gefahr des Glücklichsten. —
Feine Sinne und einen feinen Geschmack haben; an
das Ausgesuchte und Allerbeste des Geistes wie an die
rechte und nächste Kost gewöhnt sein; einer starken,
kühnen, verwegenen Seele geniessen; mit ruhigem Auge und
festem Schritt durch das Leben gehen, immer zum
Aeussersten bereit, wie zu einem Feste und voll des
Verlangens nach unentdeckten Welten und Meeren, Menschen
und Göttern; auf jede heitere Musik hinhorchen, als ob
dort wohl tapfere Männer, Soldaten, Seefahrer sich eine
kurze Rast und Lust machen, und im tiefsten Genusse des
Augenblicks überwältigt werden von Thränen und von der
ganzen purpurnen Schwermuth des Glücklichen: wer möchte
nicht, dass das Alles gerade sein Besitz, sein
Zustand wäre! Es war das
Glück Homer’s ! Der Zustand Dessen, der
den Griechen ihre Götter, — nein, sich selber seine Götter erfunden
hat! Aber man verberge es sich nicht: mit diesem Glücke
Homer’s in der Seele ist man auch das leidensfähigste
Geschöpf unter der Sonne! Und nur um diesen Preis kauft
man die kostbarste Muschel, welche die Wellen des
Daseins bisher an’s Ufer gespült haben! Man wird als ihr
Besitzer immer feiner im Schmerz und zuletzt zu fein:
ein kleiner Missmuth und Ekel genügte am Ende, um Homer
das Leben zu verleiden. Er hatte ein thörichtes
Räthselchen, das ihm junge Fischer aufgaben, nicht zu
rathen vermocht! Ja, die kleinen Räthsel sind die Gefahr
der Glücklichsten! —
[303]
Zwei Glückliche. —
Wahrlich, dieser Mensch, trotz seiner Jugend, versteht
sich auf die
Improvisation des Lebens und setzt auch
den feinsten Beobachter in Erstaunen: — es scheint
nämlich, dass er keinen Fehlgriff thut, ob er schon
fortwährend das gewagteste Spiel spielt. Man wird an
jene improvisirenden Meister der Tonkunst erinnert,
denen auch der Zuhörer eine göttliche Unfehlbarkeit der Hand
zuschreiben möchte, trotzdem, dass sie sich hier und da
vergreifen, wie jeder Sterbliche sich vergreift. Aber
sie sind geübt und erfinderisch, und im Augenblicke
immer bereit, den zufälligsten Ton, wohin ein Wurf des
Fingers, eine Laune sie treibt, sofort in das
thematische Gefüge einzuordnen und dem Zufalle einen
schönen Sinn und eine Seele einzuhauchen. — Hier ist ein
ganz anderer Mensch: dem missräth im Grunde Alles, was
er will und plant. Das, woran er gelegentlich sein Herz
gehängt hat, brachte ihn schon einige Male an den
Abgrund und in die nächste Nähe des Unterganges; und
wenn er dem noch entwischte, so doch gewiss nicht nur
„mit einem blauen Auge“. Glaubt ihr, dass er darüber
unglücklich ist? Er hat längst bei sich beschlossen,
eigene Wünsche und Pläne nicht so wichtig zu nehmen.
„Gelingt mir Diess nicht, so redet er sich zu, dann
gelingt mir vielleicht Jenes; und im Ganzen weiss ich
nicht, ob ich nicht meinem Misslingen mehr zu Danke
verpflichtet bin, als irgend welchem Gelingen. Bin ich
dazu gemacht, eigensinnig zu sein und die Hörner des
Stieres zu tragen? Das, was mir Werth und Ergebniss
des Lebens ausmacht, liegt wo anders; mein Stolz und
ebenso mein Elend liegt wo anders. Ich weiss mehr vom
Leben, weil ich so oft daran war, es zu verlieren: und
eben darum habe
ich mehr vom Leben, als ihr Alle!“
[304]
Indem wir thun, lassen wir. —
Im Grunde sind mir alle jene Moralen zuwider,
welche sagen: „Thue diess nicht! Entsage! Ueberwinde
dich!“ — ich bin dagegen jenen Moralen gut, welche mich
antreiben, Etwas zu thun und wieder zu thun und von früh
bis Abend, und Nachts davon zu träumen, und an gar
Nichts zu denken als: diess gut zu thun, so gut als
es eben mir
allein möglich ist! Wer so lebt, von dem fällt
fortwährend Eins um das Andere ab, was nicht zu einem
solchen Leben gehört: ohne Hass und Widerwillen sieht er
heute Diess und morgen Jenes von sich Abschied nehmen,
den vergilbten Blättern gleich, welche jedes bewegtere
Lüftchen dem Baume entführt: oder er sieht gar nicht,
dass es Abschied nimmt, so streng blickt sein Auge nach
seinem Ziele und überhaupt vorwärts, nicht seitwärts,
rückwärts, abwärts. „Unser Thun soll bestimmen, was wir
lassen: indem wir thun, lassen wir“ — so gefällt es mir,
so lautet mein
placitum. Aber ich will nicht mit offenen Augen meine
Verarmung anstreben, ich mag alle negativen Tugenden
nicht, — Tugenden, deren Wesen das Verneinen und
Sichversagen selber ist.
[305]
Selbstbeherrschung. —
Jene Morallehrer, welche zuerst und zuoberst dem
Menschen anbefehlen, sich in seine Gewalt zu bekommen,
bringen damit eine eigenthümliche Krankheit über ihn:
nämlich eine beständige Reizbarkeit bei allen
natürlichen Regungen und Neigungen und gleichsam eine
Art Juckens. Was auch fürderhin ihn stossen, ziehen,
anlocken, antreiben mag, von innen oder von aussen her —
immer scheint es diesem Reizbaren, als ob jetzt seine
Selbstbeherrschung in Gefahr gerathe: er darf sich
keinem Instincte, keinem freien Flügelschlage mehr
anvertrauen, sondern steht beständig mit abwehrender
Gebärde da, bewaffnet gegen sich selber, scharfen und
misstrauischen Auges, der ewige Wächter seiner Burg, zu
der er sich gemacht hat. Ja, er kann gross damit sein! Aber
wie unausstehlich ist er nun für Andere geworden, wie
schwer für sich selber, wie verarmt und abgeschnitten
von den schönsten Zufälligkeiten der Seele! Ja auch von
aller weiteren Belehrung
! Denn man muss sich auf Zeiten verlieren
können, wenn man den Dingen, die wir nicht selber sind,
Etwas ablernen will.
[306]
Stoiker und Epikureer. —
Der Epikureer sucht sich die Lage, die Personen und
selbst die Ereignisse aus, welche zu seiner äusserst
reizbaren intellectuellen Beschaffenheit passen, er
verzichtet auf das Uebrige — das heisst das Allermeiste
—, weil es eine zu starke und schwere Kost für ihn sein
würde. Der Stoiker dagegen übt sich, Steine und Gewürm,
Glassplitter und Skorpionen zu verschlucken und ohne
Ekel zu sein; sein Magen soll endlich gleichgültig gegen
Alles werden, was der Zufall des Daseins in ihn
schüttet: — er erinnert an jene arabische Secte der
Assaua, die man in Algier kennen lernt; und gleich
diesen Unempfindlichen hat auch er gerne ein
eingeladenes Publicum bei der Schaustellung seiner
Unempfindlichkeit, dessen gerade der Epikureer gerne
enträth: — der hat ja seinen „Garten!“ Für Menschen, mit
denen das Schicksal improvisirt, für solche, die in
gewaltsamen Zeiten und abhängig von plötzlichen und
veränderlichen Menschen leben, mag der Stoicismus sehr
rathsam sein. Wer aber einigermaassen absieht , dass das
Schicksal ihm einen
langen Faden zu spinnen erlaubt, thut
wohl, sich epikureisch einzurichten; alle Menschen der
geistigen Arbeit haben es bisher gethan! Ihnen wäre es
nämlich der Verlust der Verluste, die feine Reizbarkeit
einzubüssen und die stoische harte Haut mit Igelstacheln
dagegen geschenkt zu bekommen.
[307]
Zu Gunsten der Kritik. —
Jetzt erscheint dir Etwas als Irrthum, das du
ehedem als eine Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit geliebt
hast: du stösst es von dir ab und wähnst, dass deine
Vernunft darin einen Sieg erfochten habe. Aber
vielleicht war jener Irrthum damals, als du noch ein
Anderer warst — du bist immer ein Anderer —, dir ebenso
nothwendig wie alle deine jetzigen „Wahrheiten“,
gleichsam als eine Haut, die dir Vieles verhehlte und
verhüllte, was du noch nicht sehen durftest. Dein neues
Leben hat jene Meinung für dich getödtet, nicht deine
Vernunft: du brauchst sie
nicht mehr , und nun bricht sie in sich
selbst zusammen, und die Unvernunft kriecht wie ein
Gewürm aus ihr an’s Licht. Wenn wir Kritik üben, so ist
es nichts Willkürliches und Unpersönliches, — es ist,
wenigstens sehr oft, ein Beweis davon, dass lebendige
treibende Kräfte in uns da sind, welche eine Rinde
abstossen. Wir verneinen und müssen verneinen, weil
Etwas in uns leben und sich bejahen will , Etwas, das wir
vielleicht noch nicht kennen, noch nicht sehen! — Diess
zu Gunsten der Kritik.
[308]
Die Geschichte jedes Tages. —
Was macht bei dir die Geschichte jedes Tages? Siehe
deine Gewohnheiten an, aus denen sie besteht: sind sie
das Erzeugniss zahlloser kleiner Feigheiten und
Faulheiten oder das deiner Tapferkeit und erfinderischen
Vernunft? So verschieden beide Fälle sind, es wäre
möglich, dass die Menschen dir das gleiche Lob spendeten
und dass du ihnen auch wirklich so wie so den gleichen
Nutzen brächtest. Aber Lob und Nutzen und
Respectabilität mögen genug für Den sein, der nur ein
gutes Gewissen haben will, — nicht aber für dich
Nierenprüfer, der du ein
Wissen um das Gewissen hast!
[309]
Aus der siebenten Einsamkeit. —
Eines Tages warf der Wanderer eine Thür hinter sich
zu, blieb stehen und weinte. Dann sagte er: „Dieser Hang
und Drang zum Wahren, Wirklichen, Un-Scheinbaren,
Gewissen! Wie bin ich ihm böse! Warum folgt mir gerade dieser
düstere und leidenschaftliche Treiber! Ich möchte
ausruhen, aber er lässt es nicht zu. Wie Vieles verführt
mich nicht, zu verweilen! Es giebt überall Gärten
Armidens für mich: und daher immer neue Losreissungen
und neue Bitternisse des Herzens! Ich muss den Fuss
weiter heben, diesen müden, verwundeten Fuss: und weil
ich muss, so habe ich oft für das Schönste, das mich
nicht halten konnte, einen grimmigen Rückblick, —
weil es mich nicht
halten konnte!“
[310]
Wille und Welle. — Wie
gierig kommt diese Welle heran, als ob es Etwas zu
erreichen gälte! Wie kriecht sie mit furchterregender Hast
in die innersten Winkel des felsigen Geklüftes hinein! Es
scheint, sie will Jemandem zuvorkommen; es scheint, dass
dort Etwas versteckt ist, das Werth, hohen Werth hat. —
Und nun kommt sie zurück, etwas langsamer, immer noch ganz
weiss vor Erregung, — ist sie enttäuscht? Hat sie
gefunden, was sie suchte? Stellt sie sich enttäuscht? —
Aber schon naht eine andere Welle, gieriger und wilder
noch als die erste, und auch ihre Seele scheint voll von
Geheimnissen und dem Gelüste der Schatzgräberei zu sein.
So leben die Wellen, — so leben wir, die Wollenden! — mehr
sage ich nicht. — So? Ihr misstraut mir? Ihr zürnt auf
mich, ihr schönen Unthiere? Fürchtet ihr, dass ich euer
Geheimniss ganz verrathe? Nun! Zürnt mir nur, hebt eure
grünen gefährlichen Leiber so hoch ihr könnt, macht eine
Mauer zwischen mir und der Sonne — so wie jetzt! Wahrlich,
schon ist Nichts mehr von der Welt übrig, als grüne
Dämmerung und grüne Blitze. Treibt es wie ihr wollt, ihr
Uebermüthigen, brüllt vor Lust und Bosheit — oder taucht
wieder hinunter, schüttet eure Smaragden hinab in die
tiefste Tiefe, werft euer unendliches weisses Gezottel von
Schaum und Gischt darüber weg — es ist mir Alles recht,
denn Alles steht euch so gut, und ich bin euch für Alles
so gut: wie werde ich euch
verrathen! Denn — hört es wohl! — ich kenne
euch und euer Geheimniss, ich kenne euer Geschlecht! Ihr
und ich, wir sind ja aus Einem Geschlecht! — Ihr und ich,
wir haben ja Ein Geheimniss!
[310]
Wil en golf (onvertaalbaar, want in het
Duits woordgelijkenis) — Hoe gulzig komt deze golf eraan,
alsof er iets te bereiken valt! Hoe kruipt ze met
vreeswekkende haast in de binnenste hoeken van de
rotskloof! Het lijkt wel alsof ze iemand vóór wil zijn;
het lijkt wel alsof daar iets verstopt is, iets van
waarde, grote waarde. – En nu komt ze terug, iets
langzamer, nog steeds helemaal wit van opwinding, – is ze
teleurgesteld? Heeft ze gevonden wat ze zocht? Is ze
teleurgesteld? – Maar daar komt al een andere golf aan,
nog gulziger en wilder dan de eerste, en ook haar ziel
lijkt vol te zijn van geheimen en de lusten van de
schatgraverij. Zo leven de golven ( Wellen )
– zo leven wij, de willenden (Wollenden) ! –
meer zeg ik niet. – Wat? Wantrouwt ge mij? Zijt ge toornig
op mij, gij schone ondieren ? Vreest gij, dat ik uw geheim
geheel verraad? Welnu, Stort uw toorn maar over mij uit,
richt uw groene, gevaarlijke lichamen maar op zo hoog ge
kunt, bouwt maar een muur tussen mij en de zon – zoals nu!
Waarlijk, er is al niets meer over van de wereld, dan
groene schemering en groene bliksemschichten. Drijf het
maar door, zoals ge wilt, gij overmoedigen, brul maar van
wellust en boosheid – of duikt weer onder, schut uw
smaragden af, de diepste diepte in, en werpt uw eindeloze
witte wirwar van opspattend schuim erover heen – ik vind
het allemaal best, want alles staat u zo goed en ik ben u
voor alles zo dankbaar: hoe zou ik u
verraden! Want – luister goed! – ik ken u en uw geheim, ik
ken uw geslacht/soort! Gij en ik, wij zijn immers uit één
geslacht! – Gij en ik, ons geheim is één.
[311]
Gebrochenes Licht. —
Man ist nicht immer tapfer, und wenn man müde wird, dann
jammert unser Einer auch wohl einmal in dieser Weise.
„Es ist so schwer, den Menschen wehe zu thun — oh, dass
es nöthig ist! Was nützt es uns, verborgen zu leben,
wenn wir nicht Das für uns behalten wollen, was
Aergerniss giebt? Wäre es nicht räthlicher, im Gewühle
zu leben und an den Einzelnen gutzumachen, was an Allen
gesündigt werden soll und muss? Thöricht mit dem Thoren,
eitel mit dem Eitelen, schwärmerisch mit dem Schwärmer
zu sein? Wäre es nicht billig, bei einem solchen
übermüthigen Grade der Abweichung im Ganzen? Wenn ich
von den Bosheiten Anderer gegen mich höre, — ist nicht
mein erstes Gefühl das einer Genugthuung? So ist es
recht! — scheine ich mir zu ihnen zu sagen — ich stimme
so wenig zu euch und habe so viel Wahrheit auf meiner
Seite: macht euch immerhin einen guten Tag auf meine
Kosten, so oft ihr könnt! Hier sind meine Mängel und
Fehlgriffe, hier ist mein Wahn, mein Ungeschmack, meine
Verwirrung, meine Thränen, meine Eitelkeit, meine
Eulen-Verborgenheit, meine Widersprüche! Hier habt ihr
zu lachen! So lacht denn auch und freut euch! Ich bin
nicht böse auf Gesetz und Natur der Dinge, welche
wollen, dass Mängel und Fehlgriffe Freude machen! —
Freilich, es gab einmal „schönere“ Zeiten, wo man sich
noch mit jedem einigermaassen neuen Gedanken so
unentbehrlich fühlen
konnte, um mit ihm auf die Strasse zu treten und
Jedermann zuzurufen: „Siehe! Das Himmelreich ist nahe
herbeigekommen!“ — Ich würde mich nicht vermissen, wenn
ich fehlte. Entbehrlich sind wir Alle!“ — Aber, wie
gesagt, so denken wir nicht, wenn wir tapfer sind; wir
denken nicht daran
.
[312]
Mein Hund. — Ich habe
meinem Schmerze einen Namen gegeben und rufe ihn „Hund“, —
er ist ebenso treu, ebenso zudringlich und schamlos,
ebenso unterhaltend, ebenso klug, wie jeder andere Hund —
und ich kann ihn anherrschen und meine bösen Launen an ihm
auslassen: wie es Andere mit ihren Hunden, Dienern und
Frauen machen.
[312]
Mijn hond. — Ik heb mijn pijn een naam gegeven en
noem/roep hem "hond", – hij is net zo trouw, net zo
opdringerig en schaamteloos, net zo onderhoudend, net zo
slim, als elke andere hond – en ik kan de baas over hem
spelen en mijn slechte stemmingen op hem afreageren: zoals
anderen met hun honden, bedienden en vrouwen doen.
[313]
Kein Marterbild. —
Ich will es machen wie Raffael und kein Marterbild mehr
malen. Es giebt der erhabenen Dinge genug, als dass man
die Erhabenheit dort aufzusuchen hätte, wo sie mit der
Grausamkeit in Schwesterschaft lebt; und mein Ehrgeiz
würde zudem kein Genügen daran finden, wenn ich mich zum
sublimen Folterknecht machen wollte.
[314]
Neue Hausthiere. —
Ich will meinen Löwen und meinen Adler um mich haben,
damit ich allezeit Winke und Vorbedeutungen habe, zu
wissen, wie gross oder wie gering meine Stärke ist. Muss
ich heute zu ihnen hinabblicken und mich vor ihnen
fürchten? Und wird die Stunde wiederkommen, wo sie zu
mir hinaufblicken und in Furcht? —
[315]
Vom letzten Stündlein. —
Stürme sind meine Gefahr: werde ich meinen Sturm
haben, an dem ich zu Grunde gehe, wie Oliver Cromwell an
seinem Sturme zu Grunde gieng? Oder werde ich verlöschen
wie ein Licht, das nicht erst der Wind ausbläst, sondern
das seiner selber müde und satt wurde, — ein
ausgebranntes Licht? Oder endlich: werde ich mich
ausblasen, um nicht auszubrennen? —
[315]
de laatste ure — Stormen zijn gevaarlijk
voor mij: zal ik mijn storm krijgen, waaraan ik te gronde
ga, zoals Oliver Cromwell ten onder ging aan zijn storm?
Of zal ik uitdoven als een licht dat niet door de wind
wordt uitgeblazen, maar dat zichzelf moe en zat werd – een
opgebrand licht? Of — laatste mogelijkheid : zal ik
uitblazen om niet op te branden? —
[316]
Prophetische Menschen. —
Ihr habt kein Gefühl dafür, dass prophetische Menschen
sehr leidende Menschen sind: ihr meint nur, es sei ihnen
eine schöne „Gabe“ gegeben, und möchtet diese wohl gern
selber haben, — doch ich will mich durch ein Gleichniss
ausdrücken. Wie viel mögen die Thiere durch die Luft- und
Wolken-Electricität leiden! Wir sehen, dass einige Arten
von ihnen ein prophetisches Vermögen hinsichtlich des
Wetters haben, zum Beispiel die Affen (wie man selbst noch
in Europa gut beobachten kann, und nicht nur in
Menagerien, nämlich auf Gibraltar). Aber wir denken nicht
daran, dass ihre Schmerzen
— für sie die Propheten sind! Wenn eine
starke positive Electricität plötzlich unter dem Einflusse
einer heranziehenden, noch lange nicht sichtbaren Wolke in
negative Electricität umschlägt und eine Veränderung des
Wetters sich vorbereitet, da benehmen sich diese Thiere
so, als ob ein Feind herannahe, und richten sich zur
Abwehr oder zur Flucht ein; meistens verkriechen sie sich,
— sie verstehen das schlechte Wetter nicht als Wetter,
sondern als Feind, dessen Hand sie schon fühlen !
[316]
Profetische mensen. — Jullie voelen niet
aan, dat profetische mensen lijdende mensen zijn: jullie
menen slechts, dat ze een mooie "gave" gekregen hebben, en
zouden die zelf ook wel willen hebben, — maar ik zal me
middels een gelijkenis uitspreken. Hoeveel moeten dieren
wel niet lijden door de elektriciteit die in de lucht en
wolken hangt! We zien dat sommige soorten een profetisch
vermogen hebben met betrekking tot het weer, bijvoorbeeld
apen (zoals men zelfs in Europa nog prima kan observeren,
en niet alleen in dierentuinen, namelijk op Gibraltar).
Maar we denken er niet aan dat hun pijnen —
voor hen de profeten zijn! Wanneer een sterke positieve
elektrische lading plotseling onder invloed van een
naderende, nog lang niet zichtbare wolk in negatieve
elektriciteit omslaat en er een verandering in het weer op
komst is, dan gedragen deze dieren zich alsof er een
vijand nadert en maken ze zich op om zich te verdedigen of
te vluchten; meestal verstoppen ze zich – ze zien het
slechte weer niet als weer, maar als een vijand van wie ze
de hand al voelen !
[317]
Rückblick. — Wir
werden uns des eigentlichen Pathos jeder Lebensperiode
selten als eines solchen bewusst, so lange wir in ihr
stehen, sondern meinen immer, es sei der einzig uns
nunmehr mögliche und vernünftige Zustand und durchaus
Ethos , nicht Pathos —
mit den Griechen zu reden und zu trennen. Ein paar Töne
von Musik riefen mir heute einen Winter und ein Haus und
ein höchst einsiedlerisches Leben in’s Gedächtniss zurück
und zugleich das Gefühl, in dem ich damals lebte: — ich
meinte ewig so fortleben zu können. Aber jetzt begreife
ich, dass es ganz und gar Pathos und Leidenschaft war, ein
Ding, vergleichbar dieser schmerzhaft-muthigen und
trostsichern Musik, — dergleichen darf man nicht auf Jahre
oder gar auf Ewigkeiten haben: man würde für diesen
Planeten damit zu „überirdisch“.
[317]
Terugblik. — Het is maar heel zelden, dat
we ons bewust worden van wat werkelijk het pathos was in
elke levensfase, zolang we ons daarin bevinden, maar zijn
altijd van mening dat het de enige mogelijke en redelijke
toestand is, en zeker geen pathos, maar ethos
— om met de Grieken te spreken en te onderscheiden. Een
paar tonen muziek riepen me vandaag een winter en een huis
en een zeer kluizenaarsachtig leven terug in herinnering
en tegelijk het gevoel waarin ik toen leefde: — ik dacht
eeuwig zo te kunnen voortleven. Maar nu begrijp ik dat het
een en al pathos en passie ( Leidenschaft)
was, vergelijkbaar met deze pijnlijk-moedige en
troostrijke muziek – zoiets mag je niet jarenlang, laat
staan voor eeuwig bezitten: je zou daarmee voor deze
planeet te "bovenaards" worden.
opmerking: pathos is 'aangedaan
zijn' door emoties. Iets dat je ondergaat, passief. Dat
hoor iik ook in het woord 'Leidenschaft/passie'; in
een ethos voel je je thuis, dat spreekt voor zich.
[318]
Weisheit im Schmerz. —
Im Schmerz ist soviel Weisheit wie in der Lust: er
gehört gleich dieser zu den arterhaltenden Kräften
ersten Ranges. Wäre er diess nicht, so würde er längst
zu Grunde gegangen sein; dass er weh thut, ist kein
Argument gegen ihn, es ist sein Wesen. Ich höre im
Schmerze den Commandoruf des Schiffscapitains: „zieht
die Segel ein!“ Auf tausend Arten die Segel zu stellen,
muss der kühne Schifffahrer „Mensch“ sich eingeübt
haben, sonst wäre es gar zu schnell mit ihm vorbei, und
der Ozean schlürfte ihn zu bald hinunter. Wir müssen
auch mit verminderter Energie zu leben wissen: sobald
der Schmerz sein Sicherheitssignal giebt, ist es an der
Zeit, sie zu vermindern, — irgend eine grosse Gefahr,
ein Sturm ist im Anzuge, und wir thun gut, uns so wenig
als möglich „aufzubauschen“. — Es ist wahr, dass es
Menschen giebt, welche beim Herannahen des grossen
Schmerzes gerade den entgegengesetzten Commandoruf
hören, und welche nie stolzer, kriegerischer und
glücklicher dreinschauen, als wenn der Sturm
heraufzieht; ja, der Schmerz selber giebt ihnen ihre
grössten Augenblicke! Das sind die heroischen Menschen,
die grossen
Schmerzbringer der Menschheit: jene
Wenigen oder Seltenen, die eben die selbe Apologie
nöthig haben, wie der Schmerz überhaupt, — und wahrlich!
man soll sie ihnen nicht versagen! Es sind
arterhaltende, artfördernde Kräfte ersten Ranges: und
wäre es auch nur dadurch, dass sie der Behaglichkeit
widerstreben und vor dieser Art Glück ihren Ekel nicht
verbergen.
[319]
Als Interpreten unserer
Erlebnisse. — Eine Art von Redlichkeit
ist allen Religionsstiftern und Ihresgleichen fremd
gewesen: — sie haben nie sich aus ihren Erlebnissen eine
Gewissenssache der Erkenntniss gemacht. „Was habe ich
eigentlich erlebt? Was gieng damals in mir und um mich
vor? War meine Vernunft hell genug? War mein Wille gegen
alle Betrügereien der Sinne gewendet und tapfer in
seiner Abwehr des Phantastischen?“ — so hat Keiner von
ihnen gefragt, so fragen alle die lieben Religiösen auch
jetzt noch nicht: sie haben vielmehr einen Durst nach
Dingen, welche wider die
Vernunft sind, und wollen es sich nicht
zu schwer machen, ihn zu befriedigen, — so erleben sie
denn „Wunder“ und „Wiedergeburten“ und hören die Stimmen
der Englein! Aber wir, wir Anderen, Vernunft-Durstigen,
wollen unseren Erlebnissen so streng in’s Auge sehen,
wie einem wissenschaftlichen Versuche, Stunde für
Stunde, Tag um Tag! Wir selber wollen unsere Experimente
und Versuchs-Thiere sein.
[319]
Als interpreten van onze belevenissen . —
Een type eerlijkheid was alle stichters van religies en
hun soortgenoten vreemd: — zij hebben nooit van hun
belevenisseneen een gewetenszaak gemaakt qua kennis. "Wat
heb ik eigenlijk beleefd? Wat ging er toen in mij om en
wat gebeurde er om mij heen? Was mijn verstand helder
genoeg? Was mijn wil tegen alle zintuiglijk bedrog
gekeerd, dapper in zijn verzet tegen het fantastische?” —
Dat heeft geen van hen zich afgevraagd, en dat vragen al
die lieve religieuze mensen zich ook nu nog niet af: zij
hebben veeleer een dorst naar dingen die tegen het
verstand indruisen, en willen het zichzelf niet
te moeilijk maken om die (dorst) te bevredigen — dus
beleven ze “wonderen” en “wedergeboorten” en horen de
engelen zingen! Maar wij, de anderen, die dorsten naar
rede, willen onze ervaringen net zo gestreng onder ogen
zien, als ware het een wetenschappelijke proef, uur na
uur, dag na dag! Wij willen zelf onze experimenten en
proefdieren zijn.
[320]
Beim Wiedersehen. —
A.: Verstehe ich dich noch ganz? Du suchst? Wo ist
inmitten der jetzt wirklichen Welt dein Winkel und Stern?
Wo kannst du
dich in die Sonne legen, sodass auch dir ein Ueberschuss
von Wohl kommt und dein Dasein sich rechtfertigt? Möge
das Jeder für sich selber thun — scheinst du mir zu
sagen — und das Reden in’s Allgemeine, das Sorgen für
den Anderen und die Gesellschaft sich aus dem Sinne
schlagen! — B.: Ich will mehr, ich bin kein Suchender.
Ich will für mich eine eigene Sonne schaffen.
[321]
Neue Vorsicht. — Lasst
uns nicht mehr so viel an Strafen, Tadeln und Bessern
denken! Einen Einzelnen werden wir selten verändern; und
wenn es uns gelingen sollte, so ist vielleicht unbesehens
auch Etwas mitgelungen: wir
sind durch ihn verändert worden! Sehen wir
vielmehr zu, dass unser eigener Einfluss auf alles Kommende seinen
Einfluss aufwiegt und überwiegt! Ringen wir nicht im
directen Kampfe! — und das ist auch alles Tadeln, Strafen
und Bessernwollen. Sondern erheben wir uns selber um so
höher! Geben wir unserm Vorbilde immer leuchtendere
Farben! Verdunkeln wir den Andern durch unser Licht! Nein!
Wir wollen nicht um seinetwillen selber dunkler werden, gleich
allen Strafenden und Unzufriedenen! Gehen wir lieber bei
Seite! Sehen wir weg!
[321]
Nieuwe bedachtzaamheid. — Laten we niet de
hele tijd aan straffen, berispen en verbeteren denken! Een
enkeling zullen we maar zelden veranderen; en als het ons
toch zou lukken, dan is er misschien onopgemerkt ook iets
anders meegelukt: wij zijn door hem
veranderd! Laten we er veeleer op toezien dat onze eigen
invloed op alles wat komt , tegen zijn
invloed opweegt, en die overtreft! Laten we ons niet tot
een een-op-een gevecht verleiden! — en daar hoort al dat
verwijten, straffen en willen verbeteren ook bij. Laten we
echter onszelf des te hoger verheffen! Laten we de kleuren
van ons voorbeeld steeds helderder stralen! Laten we de
ander gewoon in het donker stellen door ons licht ! Nee!
we willen niet om zijnetwegen zelf donkerder
worden, zoals alle die straffen uitdelen en ontevreden
zijn! Laten we liever opzij gaan! Laten we wegkijken!
opm: bei Seite gehen en
weg sehen . nogal meerduidig: afstand nemen,
een stap opzij zetten, uit de weg aan; wegkijken, de
andere kant opkijken, je ogen op iets anders richten. Kies
maar.
[322]
Gleichniss. —
Jene Denker, in denen alle Sterne sich in kyklischen
Bahnen bewegen, sind nicht die tiefsten; wer in sich wie
in einen ungeheuren Weltraum hineinsieht und
Milchstrassen in sich trägt, der weiss auch, wie
unregelmässig alle Milchstrassen sind; sie führen bis
in’s Chaos und Labyrinth des Daseins hinein.
[323]
Glück im Schicksal. —
Die grösste Auszeichnung erweist uns das Schicksal, wenn
es uns eine Zeit lang auf der Seite unserer Gegner hat
kämpfen lassen. Damit sind wir vorherbestimmt zu einem
grossen Siege.
[324]
In media vita. — span>
Nein! Das Leben hat mich nicht enttäuscht! Von Jahr zu
Jahr finde ich es vielmehr wahrer, begehrenswerther und
geheimnissvoller, — von jenem Tage an, wo der grosse
Befreier über mich kam, jener Gedanke, dass das Leben
ein Experiment des Erkennenden sein dürfe — und nicht
eine Pflicht, nicht ein Verhängniss, nicht eine
Betrügerei! — Und die Erkenntniss selber: mag sie für
Andere etwas Anderes sein, zum Beispiel ein Ruhebett
oder der Weg zu einem Ruhebett, oder eine Unterhaltung,
oder ein Müssiggang, — für mich ist sie eine Welt der
Gefahren und Siege, in der auch die heroischen Gefühle
ihre Tanz- und Tummelplätze haben. „ Das Leben ein Mittel der Erkenntniss
“ — mit diesem Grundsatze im Herzen kann man nicht
nur tapfer, sondern sogar
fröhlich leben und fröhlich lachen !
Und wer verstünde überhaupt gut zu lachen und zu leben,
der sich nicht vorerst auf Krieg und Sieg gut verstünde?
[324]
In media vita . — Nee! Het leven heeft me niet
teleurgesteld! Van jaar tot jaar vind ik het juist steeds
echter, begeerlijker en mysterieuzer — vanaf de dag waarop
de grote bevrijder over me kwam: de gedachte, dat leven een
experiment van de kenniszoeker (
Erkennende
)mag zijn — en niet een plicht, een noodlot, een
schijnvertoning! — En de kennis/het inzicht zelf: voor
anderen mag het een rustbed of de weg naar een rustbed, of
een vorm van vermaak, of van niets-doen, — voor mij is het
een wereld van gevaren en overwinningen, waarin ook
heroïsche gevoelens hun dans- en speelplaats hebben.
Het leven een instrument van kennis ” – met dit
grondbeginsel in het hart kun je niet alleen moedig, maar
zelfs
vrolijk leven en vrolijk lachen ! Ja, kun
je eigenlijk wel goed lachen en leven, als je je niet eerst
oorlog en overwinning hebt eigengemaakt.
[325]
Was zur Grösse gehört. —
Wer wird etwas Grosses erreichen, wenn er nicht die
Kraft und den Willen in sich fühlt, grosse Schmerzen
zuzufügen ? Das
Leidenkönnen ist das Wenigste: darin bringen es schwache
Frauen und selbst Sclaven oft zur Meisterschaft. Aber
nicht an innerer Noth und Unsicherheit zu Grunde gehn,
wenn man grosses Leid zufügt und den Schrei dieses
Leides hört — das ist gross, das gehört zur Grösse.
[326]
Die Seelen-Aerzte und der Schmerz.
— Alle Moralprediger, wie auch alle
Theologen, haben eine gemeinsame Unart: alle suchen den
Menschen aufzureden, sie befänden sich sehr schlecht und
es thue eine harte letzte radicale Cur noth. Und weil
die Menschen insgesammt jenen Lehren ihr Ohr zu eifrig
und ganze Jahrhunderte lang hingehalten haben, ist
zuletzt wirklich Etwas von jenem Aberglauben, dass es
ihnen sehr schlecht gehe, auf sie übergegangen: sodass
sie jetzt gar zu gerne einmal bereit sind, zu seufzen
und Nichts mehr am Leben zu finden und miteinander
betrübte Mienen zu machen, wie als ob es doch gar schwer
auszuhalten
sei. In Wahrheit sind sie unbändig ihres Lebens sicher
und in dasselbe verliebt und voller unsäglicher Listen
und Feinheiten, um das Unangenehme zu brechen und dem
Schmerze und Unglücke seinen Dorn auszuziehen. Es will
mir scheinen, dass vom Schmerze und Unglücke immer
übertrieben geredet
werde, wie als ob es eine Sache der guten Lebensart sei,
hier zu übertreiben: man schweigt dagegen geflissentlich
davon, dass es gegen den Schmerz eine Unzahl
Linderungsmittel giebt, wie Betäubungen, oder die
fieberhafte Hast der Gedanken, oder eine ruhige Lage,
oder gute und schlimme Erinnerungen, Absichten,
Hoffnungen, und viele Arten von Stolz und Mitgefühl, die
beinahe die Wirkung von Anästheticis haben: während bei
den höchsten Graden des Schmerzes schon von selber
Ohnmachten eintreten. Wir verstehen uns ganz gut darauf,
Süssigkeiten auf unsere Bitternisse zu träufeln,
namentlich auf die Bitternisse der Seele; wir haben
Hülfsmittel in unserer Tapferkeit und Erhabenheit, sowie
in den edleren Delirien der Unterwerfung und der
Resignation. Ein Verlust ist kaum eine Stunde ein
Verlust: irgendwie ist uns damit auch ein Geschenk vom
Himmel gefallen — eine neue Kraft zum Beispiel: und sei
es auch nur eine neue Gelegenheit zur Kraft! Was haben
die Moralprediger vom inneren „Elend“ der bösen Menschen
phantasirt! Was haben sie gar vom Unglücke der
leidenschaftlichen Menschen uns vorgelogen ! — ja, lügen
ist hier das rechte Wort: sie haben um das überreiche
Glück dieser Art von Menschen recht wohl gewusst, aber
es todtgeschwiegen, weil es eine Widerlegung ihrer
Theorie war, nach der alles Glück erst mit der
Vernichtung der Leidenschaft und dem Schweigen des
Willens entsteht! Und was zuletzt das Recept aller
dieser Seelen-Aerzte betrifft und ihre Anpreisung einer
harten radicalen Cur: so ist es erlaubt, zu fragen: ist
dieses unser Leben wirklich schmerzhaft und lästig
genug, um mit Vortheil eine stoische Lebensweise und
Versteinerung dagegen einzutauschen? Wir befinden uns
nicht schlecht genug
, um uns auf stoische Art schlecht befinden zu müssen!
[327]
Ernst nehmen. —
Der Intellect ist bei den Allermeisten eine
schwerfällige, finstere und knarrende Maschine, welche
übel in Gang zu bringen ist: sie nennen es „die Sache
ernst nehmen “, wenn
sie mit dieser Maschine arbeiten und gut denken wollen —
oh wie lästig muss ihnen das Gut-Denken sein! Die
liebliche Bestie Mensch verliert jedesmal, wie es
scheint, die gute Laune, wenn sie gut denkt; sie wird
„ernst“! Und „wo Lachen und Fröhlichkeit ist, da taugt
das Denken Nichts“: — so lautet das Vorurtheil dieser
ernsten Bestie gegen alle „fröhliche Wissenschaft“. —
Wohlan! Zeigen wir, dass es ein Vorurtheil ist!
[327]
Serieus nemen . — Voor veruit de meeste mensen
is het intellect een logge, sombere en knarsende machine,
die maar moeilijk op gang te brengen is: ze noemen het ‘de
zaak
serieus nemen ’, als ze met deze machine
aan de slag willen gaan, en goed denken — oh, wat moet dat
'goed-denken' toch zwaar voor hen zijn! Het lieve diertje
'Mens' lijkt elke keer zijn goede humeur te verliezen als
het goed denkt; hij wordt ‘serieus’! En ‘waar gelach en
vrolijkheid is, daar heeft het denken niets te zoeken’: zo
luidt het vooroordeel van dit serieuze dier tegen alle
‘vrolijke wetenschap’. Welnu! Laten we aantonen dat het een
vooroordeel is.
gut denken associatie
met 'positief denken'. Valt wel iets te zeggen voor een
vertaling met 'goed nadenken' maar dan is die
associatiemogelijkheid weg. lästig vertaald
met 'zwaar' vanwege associatie met een last. liebliche
Bestie heb ik licht vertaald 'lief dier' vanwege
de associatie met de mens als 'animal rationale'.
[328]
Der Dummheit Schaden thun. —
Gewiss hat der so hartnäckig und überzeugt
gepredigte Glaube von der Verwerflichkeit des Egoismus
im Ganzen dem Egoismus Schaden gethan ( zu Gunsten , wie ich
hundertmal wiederholen werde, der Heerden-Instincte
!), namentlich dadurch, dass er ihm das gute Gewissen
nahm und in ihm die eigentliche Quelle alles Unglücks
suchen hiess. „Deine Selbstsucht ist das Unheil deines
Lebens“ — so klang die Predigt Jahrtausende lang: es
that, wie gesagt, der Selbstsucht Schaden und nahm ihr
viel Geist, viel Heiterkeit, viel Erfindsamkeit, viel
Schönheit, es verdummte und verhässlichte und vergiftete
die Selbstsucht! — Das philosophische Alterthum lehrte
dagegen eine andere Hauptquelle des Unheils: von
Sokrates an wurden die Denker nicht müde, zu predigen:
„eure Gedankenlosigkeit und Dummheit, euer Dahinleben
nach der Regel, eure Unterordnung unter die Meinung des
Nachbars ist der Grund, wesshalb ihr es so selten zum
Glück bringt, — wir Denker sind als Denker die
Glücklichsten.“ Entscheiden wir hier nicht, ob diese
Predigt gegen die Dummheit bessere Gründe für sich
hatte, als jene Predigt gegen die Selbstsucht; gewiss
aber ist das, dass sie der Dummheit das gute Gewissen
nahm: — diese Philosophen haben der Dummheit Schaden gethan .
[328]
De domheid schade berokkenen . — Het zo
hardnekkig en vol overtuiging gepredikte geloof van de
totale verwerpelijkheid van egoïsme heeft zeker schade
toegebracht aan het egoïsme (ten gunste van — zoals ik niet
moe wordt te herhalen —
de kudde-geest ). En
wel met name omdat ze het egoïsme van zijn goede geweten
beroofde, en in haar aanwees als de eigenlijke bron van alle
ellende “Het komt door je zelfzucht dat je leven in het
ongeluk stort” — zo klonk het duizenden jaren lang in de
preek: zoals gezegd schaadde dit het egoïsme: het beroofde
haar van veel geest (esprit), veel vrolijkheid, veel
vindingrijkheid, veel schoonheid, het maakte de zelfzucht
dom, lelijk en vergiftigde het! In de filosofische oudheid
wees men daarentegen iets heel anders aan als hoofdbron van
het ongeluk: sinds Socrates werden de denkers niet moe om te
prediken: “Jullie gedachtenloosheid en domheid, dat jullie
maar gewoon voortleven volgens de regels, en je
ondergeschikt maakt aan de mening van de buren, dat is de
reden waarom jullie het zo zelden tot geluk brengen — wij
denkers zijn de gelukkigsten, omdat wij nadenken.” Enfin,
laten we hier in het midden laten of deze preek tegen
domheid betere argumenten had dan die preek tegen het
zelfzucht; zeker is echter dat ze de domheid het goede
geweten ontnam: — deze filosofen hebben de domheid
schade berokkend.
[329]
Musse und Müssiggang. —
Es ist eine indianerhafte, dem Indianer-Bluthe
eigenthümliche Wildheit in der Art, wie die Amerikaner
nach Gold trachten: und ihre athemlose Hast der Arbeit —
das eigentliche Laster der neuen Welt — beginnt bereits
durch Ansteckung das alte Europa wild zu machen und eine
ganz wunderliche Geistlosigkeit darüber zu breiten. Man
schämt sich jetzt schon der Ruhe; das lange Nachsinnen
macht beinahe Gewissensbisse. Man denkt mit der Uhr in
der Hand, wie man zu Mittag isst, das Auge auf das
Börsenblatt gerichtet, — man lebt, wie Einer, der
fortwährend Etwas „versäumen könnte“. „Lieber irgend
Etwas thun, als Nichts“ — auch dieser Grundsatz ist eine
Schnur, um aller Bildung und allem höheren Geschmack den
Garaus zu machen. Und so wie sichtlich alle Formen an
dieser Hast der Arbeitenden zu Grunde gehen: so geht
auch das Gefühl für die Form selber, das Ohr und Auge
für die Melodie der Bewegungen zu Grunde. Der Beweis
dafür liegt in der jetzt überall geforderten plumpen Deutlichkeit ,
in allen den Lagen, wo der Mensch einmal redlich mit
Menschen sein will, im Verkehre mit Freunden, Frauen,
Verwandten, Kindern, Lehrern, Schülern, Führern und
Fürsten, — man hat keine Zeit und keine Kraft mehr für
die Ceremonien, für die Verbindlichkeit mit Umwegen, für
allen Esprit der Unterhaltung und überhaupt für alles
Otium . Denn das
Leben auf der Jagd nach Gewinn zwingt fortwährend dazu,
seinen Geist bis zur Erschöpfung auszugeben, im
beständigen Sich-Verstellen oder Ueberlisten oder
Zuvorkommen: die eigentliche Tugend ist jetzt, Etwas in
weniger Zeit zu thun, als ein Anderer. Und so giebt es
nur selten Stunden der
erlaubten Redlichkeit: in diesen aber
ist man müde und möchte sich nicht nur „gehen lassen“,
sondern lang und breit und plump sich hinstrecken . Gemäss
diesem Hange schreibt man jetzt seine Briefe ; deren Stil und
Geist immer das eigentliche „Zeichen der Zeit“ sein
werden. Giebt es noch ein Vergnügen an Gesellschaft und
an Künsten, so ist es ein Vergnügen, wie es
müde-gearbeitete Sclaven sich zurecht machen. Oh über
diese Genügsamkeit der „Freude“ bei unsern Gebildeten
und Ungebildeten! Oh über diese zunehmende Verdächtigung
aller Freude! Die Arbeit
bekommt immer mehr alles gute Gewissen auf
ihre Seite: der Hang zur Freude nennt sich bereits
„Bedürfniss der Erholung“ und fängt an, sich vor sich
selber zu schämen. „Man ist es seiner Gesundheit
schuldig“ — so redet man, wenn man auf einer Landpartie
ertappt wird. Ja, es könnte bald so weit kommen, dass
man einem Hange zur vita contemplativa (das heisst zum
Spazierengehen mit Gedanken und Freunden) nicht ohne
Selbstverachtung und schlechtes Gewissen nachgäbe. —
Nun! Ehedem war es umgekehrt: die Arbeit hatte das
schlechte Gewissen auf sich. Ein Mensch von guter
Abkunft verbarg
seine Arbeit, wenn die Noth ihn zum Arbeiten zwang.
Der Sclave arbeitete unter dem Druck des Gefühls, dass
er etwas Verächtliches thue: — das „Thun“ selber war
etwas Verächtliches. „Die Vornehmheit und die Ehre sind
allein bei otium und bellum“: so klang die Stimme des
antiken Vorurtheils!
[330]
Beifall. — Der
Denker bedarf des Beifalls und des Händeklatschens
nicht, vorausgesetzt, dass er seines eigenen
Händeklatschens sicher ist: diess aber kann er nicht
entbehren. Giebt es Menschen, welche auch dessen und
überhaupt jeder Gattung von Beifall entrathen könnten?
Ich zweifle: und selbst in Betreff der Weisesten sagt
Tacitus, der kein Verleumder der Weisen ist, quando
etiam sapientibus gloriae cupido novissima exuitur — das
heisst bei ihm: niemals.
[331]
Lieber taub, als betäubt. —
Ehemals wollte man sich einen Ruf machen: das genügt
jetzt nicht mehr, da der Markt zu gross geworden ist, —
es muss ein Geschrei
sein. Die Folge ist, dass auch gute Kehlen sich
überschreien, und die besten Waaren von heiseren Stimmen
ausgeboten werden; ohne Marktschreierei und Heiserkeit
giebt es jetzt kein Genie mehr. — Das ist nun freilich
ein böses Zeitalter für den Denker: er muss lernen,
zwischen zwei Lärmen noch seine Stille zu finden, und
sich so lange taub stellen, bis er es ist. So lange er
diess noch nicht gelernt hat, ist er freilich in Gefahr,
vor Ungeduld und Kopfschmerzen zu Grunde zu gehen.
[332]
Die böse Stunde. —
Es hat wohl für jeden Philosophen eine böse Stunde
gegeben, wo er dachte: was liegt an mir, wenn man mir
nicht auch meine schlechten Argumente glaubt! — Und dann
flog irgend ein schadenfrohes Vögelchen an ihm vorüber
und zwitscherte: „Was liegt an dir? Was liegt an dir?“
[333]
Was heisst erkennen. —
Non ridere, non lugere, neque detestari, sed
intelligere! sagt Spinoza, so schlicht und erhaben, wie
es seine Art ist. Indessen: was ist diess intelligere im
letzten Grunde Anderes, als die Form, in der uns eben
jene Drei auf Einmal fühlbar werden? Ein Resultat aus
den verschiedenen und sich widerstrebenden Trieben des
Verlachen-, Beklagen-, Verwünschen-wollens? Bevor ein
Erkennen möglich ist, muss jeder dieser Triebe erst
seine einseitige Ansicht über das Ding oder Vorkommniss
vorgebracht haben; hinterher entstand der Kampf dieser
Einseitigkeiten und aus ihm bisweilen eine Mitte, eine
Beruhigung, ein Rechtgeben nach allen drei Seiten, eine
Art Gerechtigkeit und Vertrag: denn, vermöge der
Gerechtigkeit und des Vertrags können alle diese Triebe
sich im Dasein behaupten und mit einander Recht
behalten. Wir, denen nur die letzten Versöhnungsscenen
und Schluss-Abrechnungen dieses langen Processes zum
Bewusstsein kommen, meinen demnach, intelligere sei
etwas Versöhnliches, Gerechtes, Gutes, etwas wesentlich
den Trieben Entgegengesetztes; während es nur ein
gewisses Verhalten der Triebe zu
einander ist . Die längsten Zeiten
hindurch hat man bewusstes Denken als das Denken
überhaupt betrachtet: jetzt erst dämmert uns die
Wahrheit auf, dass der allergrösste Theil unseres
geistigen Wirkens uns unbewusst, ungefühlt verläuft; ich
meine aber, diese Triebe, die hier mit einander kämpfen,
werden recht wohl verstehen, sich einander dabei fühlbar
zu machen und wehe zu thun —: jene gewaltige plötzliche
Erschöpfung, von der alle Denker heimgesucht werden, mag
da ihren Ursprung haben (es ist die Erschöpfung auf dem
Schlachtfelde). Ja, vielleicht giebt es in unserm
kämpfenden Innern manches verborgene Heroenthum , aber gewiss
nichts Göttliches, Ewig-in-sich-Ruhendes, wie Spinoza
meinte. Das bewusste
Denken, und namentlich das des Philosophen, ist die
unkräftigste und desshalb auch die verhältnissmässig
mildeste und ruhigste Art des Denkens: und so kann
gerade der Philosoph am leichtesten über die Natur des
Erkennens irre geführt werden.
[334]
Man muss lieben lernen. —
So geht es uns in der Musik: erst muss man eine
Figur und Weise überhaupt
hören lernen , heraushören,
unterscheiden, als ein Leben für sich isoliren und
abgrenzen; dann braucht es Mühe und guten Willen, sie zu
ertragen ,
trotz ihrer Fremdheit, Geduld gegen ihren Blick und
Ausdruck, Mildherzigkeit gegen das Wunderliche an ihr zu
üben: — endlich kommt ein Augenblick, wo wir ihrer
gewohnt sind, wo wir
sie erwarten, wo wir ahnen, dass sie uns fehlen würde,
wenn sie fehlte; und nun wirkt sie ihren Zwang und
Zauber fort und fort und endet nicht eher, als bis wir
ihre demüthigen und entzückten Liebhaber geworden sind,
die nichts Besseres von der Welt mehr wollen, als sie
und wieder sie. — So geht es uns aber nicht nur mit der
Musik: gerade so haben wir alle Dinge, die wir jetzt
lieben, lieben gelernt
. Wir werden schließlich immer für unseren guten
Willen, unsere Geduld, Billigkeit, Sanftmüthigkeit gegen
das Fremde belohnt, indem das Fremde langsam seinen
Schleier abwirft und sich als neue unsägliche Schönheit
darstellt: — es ist sein
Dank für unsere Gastfreundschaft. Auch
wer sich selber liebt, wird es auf diesem Wege gelernt
haben: es giebt keinen anderen Weg. Auch die Liebe muss
man lernen.
[335]
Hoch die Physik! —
Wie viel Menschen verstehen denn zu beobachten! Und
unter den wenigen, die es verstehen, — wie viele
beobachten sich selber! „Jeder ist sich selber der
Fernste“ — das wissen alle Nierenprüfer, zu ihrem
Unbehagen; und der Spruch „erkenne dich selbst!“ ist, im
Munde eines Gottes und zu Menschen geredet, beinahe eine
Bosheit. Dass
es aber so verzweifelt mit der Selbstbeobachtung steht,
dafür zeugt Nichts mehr, als die Art, wie über das Wesen
einer moralischen Handlung
fast von Jedermann gesprochen wird,
diese schnelle, bereitwillige, überzeugte, redselige
Art, mit ihrem Blick, ihrem Lächeln, ihrem gefälligen
Eifer! Man scheint dir sagen zu wollen: „Aber, mein
Lieber, das gerade ist
meine Sache! Du wendest dich mit deiner
Frage an Den, der antworten darf : ich bin zufällig
in Nichts so weise, wie hierin. Also: wenn der Mensch
urtheilt „ so ist es
recht “, wenn er darauf schliesst „
darum muss es geschehen
!“ und nun thut
, was er dergestalt als recht erkannt und als
nothwendig bezeichnet hat, — so ist das Wesen seiner
Handlung moralisch
!“ Aber, mein Freund, du sprichst mir da von drei
Handlungen statt von einer: auch dein Urtheilen zum
Beispiel „so ist es recht“ ist eine Handlung, — könnte
nicht schon auf eine moralische und auf eine
unmoralische Weise geurtheilt werden? Warum hältst du diess
und gerade diess für recht? — „Weil mein Gewissen es mir
sagt; das Gewissen redet nie unmoralisch, es bestimmt ja
erst, was moralisch sein soll!“ — Aber warum hörst du auf die Sprache
deines Gewissens? Und inwiefern hast du ein Recht, ein
solches Urtheil als wahr und untrüglich anzusehen? Für
diesen Glauben
— giebt es da kein Gewissen mehr? Weisst du Nichts von
einem intellectuellen Gewissen? Einem Gewissen hinter
deinem „Gewissen“? Dein Urtheil „so ist es recht“ hat
eine Vorgeschichte in deinen Trieben, Neigungen,
Abneigungen, Erfahrungen und Nicht-Erfahrungen; „
wie ist es da
entstanden?“ musst du fragen, und hinterher noch: „
was treibt mich
eigentlich, ihm Gehör zu schenken?“ Du kannst seinem
Befehle Gehör schenken, wie ein braver Soldat, der den
Befehl seines Offiziers vernimmt. Oder wie ein Weib, das
Den liebt, der befiehlt. Oder wie ein Schmeichler und
Feigling, der sich vor dem Befehlenden fürchtet. Oder
wie ein Dummkopf, welcher folgt, weil er Nichts dagegen
zu sagen hat. Kurz, auf hundert Arten kannst du deinem
Gewissen Gehör geben.
Dass du aber diess und jenes Urtheil
als Sprache des Gewissens hörst, also, dass du Etwas als recht
empfindest, kann seine Ursache darin haben, dass du nie
über dich nachgedacht hast und blindlings annahmst, was
dir als recht
von Kindheit an bezeichnet worden ist: oder darin, dass
dir Brod und Ehren bisher mit dem zu Theil wurde, was du
deine Pflicht nennst, — es gilt dir als „recht“, weil es
dir deine
„Existenz-Bedingung“ scheint (dass du aber ein
Recht auf Existenz
habest, dünkt dich unwiderleglich!). Die Festigkeit deines
moralischen Urtheils könnte immer noch ein Beweis gerade
von persönlicher Erbärmlichkeit, von Unpersönlichkeit
sein, deine „moralische Kraft“ könnte ihre Quelle in
deinem Eigensinn haben — oder in deiner Unfähigkeit,
neue Ideale zu schauen! Und, kurz gesagt: wenn du feiner
gedacht, besser beobachtet und mehr gelernt hättest,
würdest du diese deine „Pflicht“ und diess dein
„Gewissen“ unter allen Umständen nicht mehr Pflicht und
Gewissen benennen: die Einsicht darüber, wie überhaupt jemals moralische Urtheile
entstanden sind , würde dir diese
pathetischen Worte verleiden, — so wie dir schon andere
pathetische Worte, zum Beispiel „Sünde“, „Seelenheil“,
„Erlösung“ verleidet sind. — Und nun rede mir nicht vom
kategorischen Imperativ, mein Freund! — diess Wort
kitzelt mein Ohr, und ich muss lachen, trotz deiner so
ernsthaften Gegenwart: ich gedenke dabei des alten Kant,
der, zur Strafe dafür, dass er „das Ding an sich“ — auch
eine sehr lächerliche Sache! — sich erschlichen hatte, vom
„kategorischen Imperativ“ beschlichen wurde und mit ihm
im Herzen sich wieder zu „Gott“, „Seele“, „Freiheit“ und
„Unsterblichkeit“
zurückverirrte , einem Fuchse gleich,
der sich in seinen Käfig zurückverirrt: — und seine Kraft und Klugheit
war es gewesen, welche diesen Käfig erbrochen hatte! — Wie?
Du bewunderst den kategorischen Imperativ in dir? Diese
„Festigkeit“ deines sogenannten moralischen Urtheils?
Diese „Unbedingtheit“ des Gefühls „so wie ich, müssen
hierin Alle urtheilen“? Bewundere vielmehr deine
Selbstsucht darin!
Und die Blindheit, Kleinlichkeit und Anspruchslosigkeit
deiner Selbstsucht! Selbstsucht nämlich ist es,
sein Urtheil als
Allgemeingesetz zu empfinden; und eine blinde,
kleinliche und anspruchslose Selbstsucht hinwiederum,
weil sie verräth, dass du dich selber noch nicht
entdeckt, dir selber noch kein eigenes, eigenstes Ideal
geschaffen hast: — diess nämlich könnte niemals das
eines Anderen sein, geschweige denn Aller, Aller! — —
Wer noch urtheilt „so müsste in diesem Falle Jeder
handeln“, ist noch nicht fünf Schritt weit in der
Selbsterkenntniss gegangen: sonst würde er wissen, dass
es weder gleiche Handlungen giebt, noch geben kann, —
dass jede Handlung, die gethan worden ist, auf eine ganz
einzige und unwiederbringliche Art gethan wurde, und
dass es ebenso mit jeder zukünftigen Handlung stehen
wird, — dass alle Vorschriften des Handelns sich nur auf
die gröbliche Aussenseite beziehen (und selbst die
innerlichsten und feinsten Vorschriften aller bisherigen
Moralen), — dass mit ihnen wohl ein Schein der
Gleichheit, aber eben nur
ein Schein erreicht werden kann, — dass
jede
Handlung, beim Hinblick oder Rückblick auf sie, eine
undurchdringliche Sache ist und bleibt, — dass unsere
Meinungen von „gut“, „edel“, „gross“ durch unsere
Handlungen nie bewiesen
werden können, weil jede Handlung unerkennbar ist,
— dass sicherlich unsere Meinungen, Werthschätzungen und
Gütertafeln zu den mächtigsten Hebeln im Räderwerk
unserer Handlungen gehören, dass aber für jeden
einzelnen Fall das Gesetz ihrer Mechanik unnachweisbar
ist. Beschränken
wir uns also auf die Reinigung unserer Meinungen
und Werthschätzungen und auf die Schöpfung neuer eigener Gütertafeln
: — über den „moralischen Werth unserer Handlungen“
aber wollen wir nicht mehr grübeln! Ja, meine Freunde!
In Hinsicht auf das ganze moralische Geschwätz der Einen
über die Andern ist der Ekel an der Zeit! Moralisch zu
Gericht sitzen soll uns wider den Geschmack gehen!
Ueberlassen wir diess Geschwätz und diesen üblen
Geschmack Denen, welche nicht mehr zu thun haben, als
die Vergangenheit um ein kleines Stück weiter durch die
Zeit zu schleppen und welche selber niemals Gegenwart
sind, — den Vielen also, den Allermeisten! Wir aber
wollen Die werden, die wir sind
, — die Neuen, die Einmaligen, die
Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden, die
Sich-selber-Schaffenden! Und dazu müssen wir die besten
Lerner und Entdecker alles Gesetzlichen und Nothwendigen
in der Welt werden: wir müssen Physiker sein, um, in
jenem Sinne, Schöpfer
sein zu können, — während bisher alle
Werthschätzungen und Ideale auf Unkenntniss der Physik
oder im Widerspruch
mit ihr aufgebaut waren. Und darum: Hoch die
Physik! Und höher noch das, was uns zu ihr zwingt , — unsre
Redlichkeit!
[336]
Geiz der Natur. —
Warum ist die Natur so kärglich gegen den Menschen
gewesen, dass sie ihn nicht leuchten liess, Diesen mehr,
Jenen weniger, je nach seiner innern Lichtfülle? Warum
haben grosse Menschen nicht eine so schöne Sichtbarkeit
in ihrem Aufgange und Niedergange, wie die Sonne? Wie
viel unzweideutiger wäre alles Leben unter Menschen!
[337]
Die zukünftige „Menschlichkeit“. —
Wenn ich mit den Augen eines fernen
Zeitalters nach diesem hinsehe, so weiss ich an dem
gegenwärtigen Menschen nichts Merkwürdigeres zu finden,
als seine eigenthümliche Tugend und Krankheit, genannt
„der historische Sinn“. Es ist ein Ansatz zu etwas ganz
Neuem und Fremdem in der Geschichte: gebe man diesem
Keime einige Jahrhunderte und mehr, so könnte daraus am
Ende ein wundervolles Gewächs mit einem eben so
wundervollen Geruche werden, um dessentwillen unsere
alte Erde angenehmer zu bewohnen wäre, als bisher. Wir
Gegenwärtigen fangen eben an, die Kette eines
zukünftigen sehr mächtigen Gefühls zu bilden, Glied um
Glied, — wir wissen kaum, was wir thun. Fast scheint es
uns, als ob es sich nicht um ein neues Gefühl, sondern
um die Abnahme aller alten Gefühle handele: — der
historische Sinn ist noch etwas so Armes und Kaltes, und
Viele werden von ihm wie von einem Froste befallen und
durch ihn noch ärmer und kälter gemacht. Anderen
erscheint er als das Anzeichen des heranschleichenden
Alters, und unser Planet gilt ihnen als ein
schwermüthiger Kranker, der, um seine Gegenwart zu
vergessen, sich seine Jugendgeschichte aufschreibt. In
der That: diess ist Eine Farbe dieses neuen Gefühls: wer
die Geschichte der Menschen insgesammt als eigene Geschichte zu
fühlen weiss, der empfindet in einer ungeheuren
Verallgemeinerung allen jenen Gram des Kranken, der an
die Gesundheit, des Greises, der an den Jugendtraum
denkt, des Liebenden, der der Geliebten beraubt wird,
des Märtyrers, dem sein Ideal zu Grunde geht, des Helden
am Abend der Schlacht, welche Nichts entschieden hat und
doch ihm Wunden und den Verlust des Freundes brachte —;
aber diese ungeheure Summe von Gram aller Art tragen,
tragen können und nun doch noch der Held sein, der beim
Anbruch eines zweiten Schlachttages die Morgenröthe und
sein Glück begrüsst, als der Mensch eines Horizontes von
Jahrtausenden vor sich und hinter sich, als der Erbe
aller Vornehmheit alles vergangenen Geistes und der
verpflichtete Erbe, als der Adeligste aller alten Edlen
und zugleich der Erstling eines neuen Adels, dessen
Gleichen noch keine Zeit sah und träumte: diess Alles
auf seine Seele nehmen, Aeltestes, Neuestes, Verluste,
Hoffnungen, Eroberungen, Siege der Menschheit: diess
Alles endlich in Einer Seele haben und in Ein Gefühl
zusammendrängen: — diess müsste doch ein Glück ergeben,
das bisher der Mensch noch nicht kannte, — eines Gottes
Glück voller Macht und Liebe, voller Thränen und voll
Lachens, ein Glück, welches, wie die Sonne am Abend,
fortwährend aus seinem unerschöpflichen Reichthume
wegschenkt und in’s Meer schüttet und, wie sie, sich
erst dann am reichsten fühlt, wenn auch der ärmste
Fischer noch mit goldenem Ruder rudert! Dieses göttliche
Gefühl hiesse dann — Menschlichkeit!
[338]
Der Wille zum Leiden und die
Mitleidigen. — Ist es euch selber
zuträglich, vor Allem mitleidige Menschen zu sein? Und
ist es den Leidenden zuträglich, wenn ihr es seid? Doch
lassen wir die erste Frage für einen Augenblick ohne
Antwort. — Das, woran wir am tiefsten und persönlichsten
leiden, ist fast allen Anderen unverständlich und
unzugänglich: darin sind wir dem Nächsten verborgen, und
wenn er mit uns aus Einem Topfe isst. Ueberall aber, wo
wir als Leidende bemerkt
werden, wird unser Leiden flach ausgelegt;
es gehört zum Wesen der mitleidigen Affection, dass sie
das fremde Leid des eigentlich Persönlichen entkleidet : — unsre
„Wohlthäter“ sind mehr als unsre Feinde die Verkleinerer
unsres Werthes und Willens. Bei den meisten Wohlthaten,
die Unglücklichen erwiesen werden, liegt etwas
Empörendes in der intellectuellen Leichtfertigkeit, mit
der da der Mitleidige das Schicksal spielt: er weiss
Nichts von der ganzen inneren Folge und Verflechtung,
welche Unglück für mich
oder für dich
heisst! Die gesammte Oekonomie meiner Seele und
deren Ausgleichung durch das „Unglück“, das Aufbrechen
neuer Quellen und Bedürfnisse, das Zuwachsen alter
Wunden, das Abstossen ganzer Vergangenheiten — das
Alles, was mit dem Unglück verbunden sein kann, kümmert
den lieben Mitleidigen nicht: er will helfen und denkt nicht
daran, dass es eine persönliche Nothwendigkeit des
Unglücks giebt, dass mir und dir Schrecken,
Entbehrungen, Verarmungen, Mitternächte, Abenteuer,
Wagnisse, Fehlgriffe so nöthig sind, wie ihr Gegentheil,
ja dass, um mich mystisch auszudrücken, der Pfad zum
eigenen Himmel immer durch die Wollust der eigenen Hölle
geht. Nein, davon weiss er Nichts: die „Religion des
Mitleidens“ (oder „das Herz“) gebietet, zu helfen, und
man glaubt am besten geholfen zu haben, wenn man am
schnellsten geholfen hat! Wenn ihr Anhänger dieser
Religion die selbe Gesinnung, die ihr gegen die
Mitmenschen habt, auch wirklich gegen euch selber habt,
wenn ihr euer eigenes Leiden nicht eine Stunde auf euch
liegen lassen wollt und immerfort allem möglichen
Unglücke von ferne her schon vorbeugt, wenn ihr Leid und
Unlust überhaupt als böse, hassenswerth,
vernichtungswürdig, als Makel am Dasein empfindet: nun,
dann habt ihr, ausser eurer Religion des Mitleidens,
auch noch eine andere Religion im Herzen, und diese ist
vielleicht die Mutter von jener: — die Religion der Behaglichkeit
. Ach, wie wenig wisst ihr vom Glücke des Menschen, ihr
Behaglichen und Gutmüthigen! — denn das Glück und das
Unglück sind zwei Geschwister und Zwillinge, die mit
einander gross wachsen oder, wie bei euch, mit einander
— klein bleiben
! Aber nun zur ersten Frage zurück. — Wie ist es
nur möglich, auf seinem
Wege zu bleiben! Fortwährend ruft uns irgend ein
Geschrei seitwärts; unser Auge sieht da selten Etwas,
wobei es nicht nöthig wird, augenblicklich unsre eigne
Sache zu lassen und zuzuspringen. Ich weiss es: es giebt
hundert anständige und rühmliche Arten, um mich
von meinem Wege zu
verlieren, und wahrlich höchst „moralische“ Arten! Ja,
die Ansicht der jetzigen Mitleid-Moralprediger geht
sogar dahin, dass eben Diess und nur Diess allein
moralisch sei: — sich dergestalt von seinem Wege zu verlieren
und dem Nächsten beizuspringen. Ich weiss es ebenso
gewiss: ich brauche mich nur dem Anblicke einer
wirklichen Noth auszuliefern, so bin ich auch verloren!
Und wenn ein leidender Freund zu mir sagte: „Siehe, ich
werde bald sterben; versprich mir doch, mit mir zu
sterben“ — ich verspräche es, ebenso wie mich der
Anblick jenes für seine Freiheit kämpfenden
Bergvölkchens dazu bringen würde, ihm meine Hand und
mein Leben anzubieten: — um einmal aus guten Gründen
schlechte Beispiele zu wählen. Ja, es giebt eine
heimliche Verführung sogar in alle diesem
Mitleid-Erweckenden und Hülfe-Rufenden: eben unser
„eigener Weg“ ist eine zu harte und anspruchsvolle Sache
und zu ferne von der Liebe und Dankbarkeit der Anderen,
— wir entlaufen ihm gar nicht ungerne, ihm und unserm
eigensten Gewissen, und flüchten uns unter das Gewissen
der Anderen und hinein in den lieblichen Tempel der
„Religion des Mitleidens“. Sobald jetzt irgend ein Krieg
ausbricht, so bricht damit immer auch gerade in den
Edelsten eines Volkes eine freilich geheim gehaltene
Lust aus: sie werfen sich mit Entzücken der neuen Gefahr
des Todes
entgegen, weil sie in der Aufopferung für das Vaterland
endlich jene lange gesuchte Erlaubniss zu haben glauben
— die Erlaubniss, ihrem
Ziele auszuweichen : — der Krieg ist
für sie ein Umweg zum Selbstmord, aber ein Umweg mit
gutem Gewissen. Und, um hier Einiges zu verschweigen: so
will ich doch meine Moral nicht verschweigen, welche zu
mir sagt: Lebe im Verborgenen, damit du dir leben
kannst ! Lebe
unwissend über Das,
was deinem Zeitalter das Wichtigste dünkt! Lege zwischen
dich und heute wenigstens die Haut von drei
Jahrhunderten! Und das Geschrei von heute, der Lärm der
Kriege und Revolutionen, soll dir ein Gemurmel sein! Du
wirst auch helfen wollen: aber nur Denen, deren Noth du
ganz verstehst
, weil sie mit dir Ein Leid und Eine Hoffnung haben —
deinen Freunden
: und nur auf die Weise, wie du dir selber hilfst:
— ich will sie muthiger, aushaltender, einfacher,
fröhlicher machen! Ich will sie Das lehren, was jetzt so
Wenige verstehen und jene Prediger des Mitleidens am
wenigsten: — die
Mitfreude !
[339]
Vita femina. —
Die letzten Schönheiten eines Werkes zu sehen — dazu
reicht alles Wissen und aller guter Wille nicht aus; es
bedarf der seltensten glücklichen Zufälle, damit einmal
der Wolkenschleier von diesen Gipfeln für uns weiche und
die Sonne auf ihnen glühe. Nicht nur müssen wir gerade
an der rechten Stelle stehen, diess zu sehen: es muss
gerade unsere Seele selber den Schleier von ihren Höhen
weggezogen haben und eines äusseren Ausdruckes und
Gleichnisses bedürftig sein, wie um einen Halt zu haben
und ihrer selber mächtig zu bleiben. Diess Alles aber
kommt so selten gleichzeitig zusammen, dass ich glauben
möchte, die höchsten Höhen alles Guten, sei es Werk,
That, Mensch, Natur, seien bisher für die Meisten und
selbst für die Besten etwas Verborgenes und Verhülltes
gewesen: — was sich aber uns enthüllt, das enthüllt sich uns Ein Mal
! — Die Griechen beteten wohl: „Zwei und drei Mal alles
Schöne!“ Ach, sie hatten da einen guten Grund, Götter
anzurufen, denn die ungöttliche Wirklichkeit giebt uns
das Schöne gar nicht oder Ein Mal! Ich will sagen, dass
die Welt übervoll von schönen Dingen ist, aber trotzdem
arm, sehr arm an schönen Augenblicken und Enthüllungen
dieser Dinge. Aber vielleicht ist diess der stärkste
Zauber des Lebens: es liegt ein golddurchwirkter
Schleier von schönen Möglichkeiten über ihm,
verheissend, widerstrebend, schamhaft, spöttisch,
mitleidig, verführerisch. Ja, das Leben ist ein Weib!
[340]
Der sterbende Sokrates. —
Ich bewundere die Tapferkeit und Weisheit des
Sokrates in Allem, was er that, sagte — und nicht sagte.
Dieser spöttische und verliebte Unhold und Rattenfänger
Athens, der die übermüthigsten Jünglinge zittern und
schluchzen machte, war nicht nur der weiseste Schwätzer,
den es gegeben hat: er war ebenso gross im Schweigen.
Ich wollte, er wäre auch im letzten Augenblicke des
Lebens schweigsam gewesen, — vielleicht gehörte er dann
in eine noch höhere Ordnung der Geister. War es nun der
Tod oder das Gift oder die Frömmigkeit oder die Bosheit
— irgend Etwas löste ihm in jenem Augenblick die Zunge
und er sagte: „Oh Kriton, ich bin dem Asklepios einen
Hahn schuldig“. Dieses lächerliche und furchtbare
„letzte Wort“ heisst für Den, der Ohren hat: „Oh Kriton,
das Leben ist eine Krankheit
!“ Ist es möglich! Ein Mann, wie er, der
heiter und vor Aller Augen wie ein Soldat gelebt hat, —
war Pessimist! Er hatte eben nur eine gute Miene zum
Leben gemacht und zeitlebens sein letztes Urtheil, sein
innerstes Gefühl versteckt! Sokrates, Sokrates hat
am Leben gelitten !
Und er hat noch seine Rache dafür genommen — mit jenem
verhüllten, schauerlichen, frommen und blasphemischen
Worte! Musste ein Sokrates sich auch noch rächen? War
ein Gran Grossmuth zu wenig in seiner überreichen
Tugend? — Ach Freunde! Wir müssen auch die Griechen
überwinden!
[341]
Das grösste Schwergewicht. —
Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in
deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte:
„Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast,
wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben
müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern
jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und
Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines
Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben
Reihe und Folge — und ebenso diese Spinne und dieses
Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser
Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins
wird immer wieder umgedreht — und du mit ihr, Stäubchen
vom Staube!“ — Würdest du dich nicht niederwerfen und
mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der
so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren
Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: „du bist
ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!“ Wenn jener
Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du
bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei
Allem und Jedem „willst du diess noch einmal und noch
unzählige Male?“ würde als das grösste Schwergewicht auf
deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber
und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen , als
nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung?
[341]
Het zwaarste gewicht. — [Over Amor fati en
De eeuwige wederkeer ] Stel, dat op een dag of een
nacht een demon je achterna zou sluipen tot in je meest
eenzame eenzaamheid en tegen je zou zeggen: ‘Dit leven,
zoals je het nu leeft en geleefd hebt, zul je nog eens, ja
nog ontelbare malen, moeten leven; en er zal niets nieuw
aan zijn, maar iedere pijn en iedere lust en iedere
gedachte en zucht, en al het onuitsprekelijk kleine en
grote van je leven zal weer tot bij jou terugkeren, en
alles in dezelfde volgorde — en ook deze spin en dit
maanlicht tussen de bomen, en ook dit ogenblik, en ik
zelf. De eeuwige zandloper van het bestaan zal telkens
weer worden omgedraaid — en jij met haar, stofje uit het
stof!’ — Zou je je dan niet ter aarde werpen, met de
tanden knarsen en de demon vervloeken die zo sprak? Of heb
je ooit een ontzagwekkend (ungeheuer ) ogenblik
beleefd waarin je hem zou antwoorden: ‘jij bent een god,
en nooit hoorde ik iets goddelijkers!’ Wanneer die
gedachte macht over je zou krijgen, zou ze jou, zoals je
bent, transformeren, en wellicht vermorzelen; de vraag bij
alles en bij ieder ding: ‘wil je dit nog eens en nog
ontelbare malen?’ zou als het zwaarste gewicht op je
handelen drukken! Of: Hoezeer zou jij jezelf en het leven
moeten waarderen (genegen zijn, goed vinden, beamen ),
om niets méér te verlangen dan dat het op deze
wijze voor eeuwig bevestigd en bezegeld wordt?
[342]
Incipit tragoedia. — Als
Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er seine Heimath
und den See Urmi und gieng in das Gebirge. Hier genoss er
seines Geistes und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn
Jahre nicht müde. Endlich aber verwandelte sich sein Herz, —
und eines Morgens stand er mit der Morgenröthe auf, trat vor
die Sonne hin und sprach zu ihr also: „Du grosses Gestirn!
Was wäre dein Glück, wenn du nicht Die hättest, welchen du
leuchtest! Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle:
du würdest deines Lichtes und dieses Weges satt geworden
sein, ohne mich, meinen Adler und meine Schlange; aber wir
warteten deiner an jedem Morgen, nahmen dir deinen
Ueberfluss ab und segneten dich dafür. Siehe! Ich bin meiner
Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zu viel
gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken,
ich möchte verschenken und austheilen, bis die Weisen unter
den Menschen wieder einmal ihrer Thorheit und die Armen
wieder einmal ihres Reichthums froh geworden sind. Dazu muss
ich in die Tiefe steigen: wie du des Abends thust, wenn du
hinter das Meer gehst und noch der Unterwelt Licht bringst,
du überreiches Gestirn! — ich muss, gleich dir, untergehen , wie die
Menschen es nennen, zu denen ich hinab will. So segne mich
denn, du ruhiges Auge, das ohne Neid auch ein allzugrosses
Glück sehen kann! Segne den Becher, welcher überfliessen
will, dass das Wasser golden aus ihm fliesse und
überallhin den Abglanz deiner Wonne trage! Siehe! Dieser
Becher will wieder leer werden, und Zarathustra will
wieder Mensch werden.“ — Also begann Zarathustra’s
Untergang.
[342]
Incipit tragoedia. — Toen Zarathustra
dertig jaar oud was, verliet hij zijn vaderland en het
meer van Urmi en ging het gebergte in. Hier genoot hij
zijn geest en zijn eenzaamheid, en tien jaar lang werd hij
dit niet moe. Tenslotte echter veranderde zijn hart, — en
op een morgen stond hij op bij het ochtendgloren, trad
voor de zon en sprak tot haar aldus: ‘Gij grote ster! Wat
zou uw geluk zijn, als gij hen niet hadt, over wie gij
schijnt! Tien jaren kwaamt gij hier op, bij mijn grot; gij
zoudt uw licht en deze weg beu geworden zijn, zonder mij,
mijn arend en mijn slang. Maar wij wachtten op u, elke
morgen, namen deel aan uw overvloed ( abnehmen
hoeft niet negatief te zijn), en zegenden u daarvoor.
Ziet! Ik heb genoeg van mijn wijsheid, gelijk de bij, die
te veel honing verzameld heeft, ik heb behoefte aan
handen, die zich uitstrekken, ik wil wegschenken en
uitdelen, totdat de wijzen onder de mensen andermaal vrede
gevonden hebben met hun dwaasheid en de armen met hun
rijkdom. Daartoe moet ik afdalen naar de diepte: gelijk
gij des avonds doet, wanneer gij achter de zee afdaalt en
zelfs de onderwereld van licht voorziet, gij overrijke
ster! Ik moet, evenals gij, ondergaan , zoals
de mensen het noemen, naar wie ik wens af te dalen. Zegen
mij derhalve, gij vredig oog, dat ook zonder nijd een al
te groot geluk kan aanzien! Zegen de beker, die wil
overvloeien: dat het water in gulden pracht uit hem strome
en zo de afglans uwer zaligheid alom verspreide! Ziet!
Deze beker wil weer leeg worden, en Zarathustra wil weer
mens worden.’ — Aldus begon Zarathustra’s ondergang.
Dit aforisme — met een kleine wijziging
in de eerste zin — opent ook Nietzsche's grote werk:
Also sprach Zarathustra (1883). Voor de aardigheid
geef ik de twee meest recente vertalingen die van dat werk in
omloop zijn:
Vertaling: W. Oranje m.m.
(uit “Aldus Sprak Zarathoestra”, 2006/2025)
Toen Zarathoestra dertig jaar oud was,
verliet hij zijn vaderland en het meer Urmi en
trok het gebergte in. Hij proefde hier de vreugden van zijn
geest en zijn eenzaamheid en werd ze tien jaar lang niet moe.
Eindelijk echter onderging hij een verandering in zijn hart, —
en op een ochtend stond hij met het morgenrood op, trad de zon
tegemoet en sprak haar aldus toe: ‘O groot gesternte! Wat zou
jouw geluk zijn als je hen niet had voor wie jij straalt! Tien
jaar lang kwam je hierboven naar mijn grot: je licht en deze
weg zou jij moe zijn geworden zonder mij, mijn adelaar en mijn
slang. Maar we wachtten jou elke ochtend op, namen van je
overvloed en zegenden jou hierom. Zie! Ik ben mijn wijsheid
zat, als de bij die te veel honing heeft vergaard, ik heb
handen nodig die zich uitstrekken. Ik zou graag weggeven en
uitdelen, tot ooit de wijzen onder de mensen in hun dwaasheid,
en de armen in hun rijkdom weer vreugde hebben gevonden.
Daartoe moet ik in de diepte afdalen: zoals jij ’s avonds doet
als je heengaat achter de zee en nog aan de onderwereld licht
brengt, o overrijk gesternte! — Zoals jij moet ik
ondergaan , zoals de mensen het noemen tot wie ik
omlaag wil. Zegen mij dus, o kalm oog, dat zonder afgunst ook
al te groot geluk kan aanzien! Zegen de beker die wil
overvloeien, opdat het water als goud eraan ontvloeit en het
de weerglans van jouw verrukking overal heen zal dragen! Zie!
Deze beker wil leeg worden, en Zarathoestra wil weer mens
worden.’ — Aldus begon Zarathoestra’s ondergang.
Vertaling Ria van Hengel m.m.
(uit “Zo sprak Zarathoestra”, 2016)
Toen Zarathoestra dertig jaar oud was,
verliet hij zijn vaderland en het meer Urmi en
trok hij het gebergte in. Daar genoot hij van zijn geest en
van zijn eenzaamheid en tien jaar lang werd hij dat niet moe.
Maar ten slotte veranderde zijn hart, – en op een morgen stond
hij bij het ochtendgloren op, hij ging voor de zon staan en
sprak tot haar: ‘O grote ster! Waar zou uw geluk zijn zonder
hen die u beschijnt! Tien jaar lang kwam u hier naar mijn
grot. U zou het beu zijn geworden om te schijnen en die weg af
te leggen als ik, mijn adelaar en mijn slang er niet waren
geweest. Maar wij wachtten elke morgen op u, namen van uw
overvloed en prezen u daarom. Zie! Ik heb genoeg van mijn
wijsheid, zoals bijen die te veel honing hebben verzameld. Ik
heb handen nodig die zich uitstrekken. Ik wil weggeven en
uitdelen totdat ooit de wijzen onder de mensen zich weer
verheugen in hun dwaasheid en de armen in hun rijkdom. Daartoe
moet ik afdalen naar de diepte, zoals u ’s avonds doet wanneer
u ondergaat achter de zee om ook nog licht te brengen aan de
onderwereld, o overvloedige ster! — Ik moet, net zoals
u, ondergaan, zoals de mensen het noemen naar wie ik wil
afdalen. Dus zegen mij, o rustig oog, dat zonder jaloezie
zelfs een te groot geluk kan aanzien! Zegen de beker die zal
óverstromen, opdat het water eruit vloeit als goud en overal
de weerschijn van uw gelukzaligheid verspreidt! Zie! Deze
beker wil weer leeg worden, en Zarathoestra wil weer mens
worden.’ — Zo begon Zarathoestra’s ondergang.
Explicit liber iste.
AD 1882
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continuatio huius operis.
AD 1887